BRAK-Magazin Ausgabe 01-02/2024

AUSGABE 1–2/2024 RECHTSSTAAT IM GEMEINSAMEN FOKUS DER PARLAMENTARISCHE ABEND DER BRAK Konferenz: Anwaltschaft zwischen Mandant, Versicherer und Finanzierer Schlichtungsstelle: So funktioniert die Schlichtung bei Streitigkeiten im Mandat Geldwäscheaufsicht: Was die Kammern machen und warum es nur gemeinsam geht Europawahl und darüber hinaus: Was die BRAK in Brüssel bewegt Foto: BRAK/Nils Roth

Zöller Zivilprozessordnung Kommentar Der neue Zöller hat Fahrt aufgenommen. Natürlich traditionell topaktuell! Alle verabschiedeten und anstehenden Gesetzesänderungen sind berücksichtigt, darunter das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz, Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit, Bewältigung von Massenverfahren, zunehmende Bedeutung des Datenschutzes sowie der Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten. Die Digitalisierung hat den Zivilprozess erfasst und findet in der Neuauflage an unzähligen Stellen ihren Niederschlag. Auch der Kommentar selbst passt sich dieser Entwicklung an: Ab sofort ist das Werk mit einem persönlichen Zugang zum Zöller online verknüpft, in dem wichtige Gesetzesänderungen und Entscheidungen aktuell kommentiert werden. So bleibt der Zöller bestens auf Kurs. Besondere Leseprobe mit Beispielen für die herausragende Aktualität unter otto-schmidt.de/zpo Volle Fahrt voraus. Zöller Zivilprozessordnung Kommentar Begründet von Dr. Richard Zöller. Bearbeitet von Prof. Dr. Christoph Althammer; VorsRiKG Christian Feskorn; Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Geimer; Prof. Dr. Reinhard Greger; RiAG a.D. Kurt Herget; PräsBayVGH und PräsOLG Dr. Hans-Joachim Heßler; PräsOLG a.D. Clemens Lückemann; MinRat Dr. Hendrik Schultzky; VizePräsLG Dr. Mark Seibel; VorsRiOLG Prof. Dr. Gregor Vollkommer. 35. neu bearbeitete Auflage 2024, 3.142 Seiten, Lexikonformat, gbd., mit Datenbankzugang „Zöller online“ (Freischaltcode im Buch), 179 €. ISBN 978-3-504-47027-2 Das Werk online otto-schmidt.de/zpo-modul juris.de/zpoprem Neuauflage inklusive Zöller online!

IMPRESSUM Bundesrechtsanwaltskammer – Körperschaft des öffentlichen Rechts, Littenstraße 9, 10179 Berlin Redaktion: Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (verantwortlich) Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln (ausführliches Impressum unter www.brak.de/zeitschriften) EDITORIAL beA WIRD MOBIL! Die erste Ausbaustufe der beA-App Rechtsanwalt Dr. Christian Lemke, Hamburg Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg und Vizepräsident der BRAK Die BRAK hat im Februar 2024 die mobile beA-App in Betrieb genommen. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können sie aus dem App Store von Apple und dem Play Store von Google herunterladen und können dann auf ihren mobilen Endgeräten ihre beA-Nachrichten lesen. Es ist für uns Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte längst selbstverständlich geworden, jederzeit und von überall mit dem Büro verbunden zu sein. Völlig berechtigt ist daher die Erwartung, beANachrichten über eine App der BRAK auch über mobile Endgeräte abrufen zu können. Dieses Ziel wollen wir mit der Inbetriebnahme der ersten Ausbaustufe der beA-App erreichen. Und zwar auf zwei möglichen Wegen: Entweder öffnen Sie die neue Nachricht direkt im Posteingangsordner der beAApp oder Sie klicken in der Mail, die Sie über den Eingang einer Nachricht in Ihrem beA informiert, auf den darin enthaltenen Nachrichtenlink und greifen so auf die beA-Nachricht und ihre Inhalte zu. Die notwendigen technischen Voraussetzungen sind ein mobiles Endgerät und ein für Ihr persönliches beA freigeschaltetes Software-Zertifikat. Auf Apple-iPhones muss mindestens das Betriebssystem iOS 15 installiert sein, auf Android-Geräten mindestens Android 11. Neuere Versionen sind unproblematisch nutzbar. Alle Einzelheiten zur Einrichtung und Nutzung der beA-App sind im beAHandbuch beschrieben, das Sie im beA-Service-­ Portal einsehen können. Die beA-App enthält ebenfalls einen Link auf die wichtigen Informationen. Das Lesen von beA-Nachrichten auf mobilen Endgeräten ist nur der erste Schritt des mobilen beAs. Die nächsten Ausbaustufen sollen dann das Signieren von Dokumenten, die Abgabe von elektronischen Empfangsbekenntnissen und das Versenden von Nachrichtenentwürfen umfassen. An Selbstkritik will ich an dieser Stelle nicht sparen: Die Einführung einer mobilen beA-Anwendung ist aus meiner Sicht längst überfällig und Zufriedenheit darf ohnehin nicht einkehren. Wie jede Software bedarf auch das beA steter Fortentwicklung, Aktualisierung und Anpassung, um den berechtigten Erwartungen an die Nutzerfreundlichkeit gerecht zu werden und zugleich ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten. Daran arbeiten wir auch weiterhin mit Nachdruck! Und dazu gehört es auch, den Wunsch vieler Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte umzusetzen, das bislang verfügbare Datenvolumen für die Übermittlung von Nachrichten und Anhängen deutlich zu erweitern. Die gegenwärtigen unzumutbaren Beschränkungen gehen auf den Wunsch einiger Länder zurück, deren Justiz-IT mit größeren Datenmengen noch immer nicht umgehen kann. Hier fordern wir nachdrücklich umgehende Abhilfe! Abschließend noch ein Hinweis für jene, die – aus guten Gründen – den bisherigen Prozess zur Bestellung von Software-Zertifikaten zur kartenlosen Nutzung des beA zu umständlich finden: Das für die Nutzung der beA-App erforderliche Software-Zertifikat können Sie seit einigen Wochen wesentlich nutzerfreundlicher direkt über das beA-Portal der BRAK bestellen. Foto: BRAK

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 4 RECHTSSTAAT IM GEMEINSAMEN FOKUS Der parlamentarische Abend der BRAK Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin „Das hier ist das Echte!“ Elisabeth Winkelmeier-­ Becker sprach aus, was viele empfanden: Der parlamentarische Abend der BRAK gehört einfach ganz nah ans Parlament – in die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG). In deren ehrwürdigen Räumen ist die BRAK traditionell zu Gast, mit einer pandemiebedingten Pause und einem kurzen Gastspiel auf der Reichstagskuppel im vergangenen Jahr; am 14.3.2024 ging es (endlich) zurück in die DPG. Doch bevor die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses zu den zahlreichen Anwesenden aus der Rechtspolitik, dem Bundesjustizministerium und den Rechtsanwaltskammern sprach, gab es – wie immer – erst einmal ausgiebig Gelegenheit zum Austausch. ZUERST DIE ARBEIT Ebenso traditionell steht vor den angeregten Abendgesprächen für die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechtsanwaltskammern und die Mitglieder des BRAK-Präsidiums die Arbeit: Tagsüber kamen sie zur ersten Präsidentenkonferenz des Jahres zusammen, um über aktuelle Themen des Berufsrechts und der Berufspolitik zu beraten. Auf der Tagesordnung standen u.a. die jüngsten Entwicklungen in Sachen Geldwäscheprävention, insbesondere der geplante § 73a BRAO, der anlasslose Kontrollen anwaltlicher Sammelanderkonten durch die Rechtsanwaltskammern vorsieht – ein Vorhaben, das bei BRAK und Kammern auf massive Gegenwehr stößt (s. Stellungnahme 24/2024). Auch um den aktuellen Stand der Verhandlungen von Bund und Ländern über eine Erhöhung der gesetzlichen Anwaltsgebühren ging es; das sollte auch später beim parlamentarischen Abend noch Thema sein. AUFSTEHEN Im Festsaal der DPG hieß es zu allererst: Aufstehen! BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels knüpfte an die schöne Gepflogenheit bei internationalen Veranstaltungen an, dass die namentlich begrüßten Gäste sich kurz erheben, damit alle sehen können, mit wem sie es zu tun haben. So kommuniziert es sich später viel einfacher – und das steht nun einmal im Vordergrund, wenn die Mitglieder des BRAK-Präsidiums und die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechtsanwaltskammern zum parlamentarischen Abend laden. Zu den Gästen zählten u.a. die rechtspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Bundestagsfraktionen Sonja Eichwede (SPD), Katrin Hellig-Plahr (FPD), Helge Limburg (Grüne) und Dr. Günter Krings (CDU/ CSU), der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses Dr. Thorsten Lieb (FDP), der SPD-Obmann im Rechtsausschuss Dr. Johannes Fechner und die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Katja Keul (Grüne) sowie zahlreiche weitere Mitglieder des Bundestags-Rechtsausschusses aus allen Parteien. Neben dem Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann kamen auch zahlreiche hochrangige Vertreterinnen und Vertreter seines Hauses. Rechtsausschuss-Vorsitzende Elisabeth Winkelmeier-Becker bei ihrer Rede Fotos: BRAK/Nils Roth BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels begrüßt die Gäste Staatssekretärin Keul

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 5 Ungewohnt ernst und nachdenklich war die Begrüßungsrede von BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels. Der Rechtsstaat in Deutschland sei zwar gut aufgestellt; im aktuellen Ranking des World Justice Project hat Deutschland sich sogar auf Platz 5 verbessert. Doch die aktuellen politischen Entwicklungen gäben großen Anlass zur Sorge. Man müsse sich ernsthaft Gedanken darüber machen, wie die Widerstandskraft der gesamten Justizfamilie gestärkt werden kann. Schließlich zeige ein Blick zurück auf den Nationalsozialismus in Deutschland, dass antidemokratische Machthaber die Axt zuerst an Justiz und Anwaltschaft legen. Wessels fragte: Haben wir daraus gelernt? Ist auch die anwaltliche Selbstverwaltung widerstandsfähig genug? Nur die Resilienz der Gerichte zu diskutieren, greift zu kurz, findet er; auch die Selbstverwaltung müsse in der Verfassung abgesichert werden. Und dann standen alle Anwesenden noch einmal symbolisch auf: gemeinsam, für den Rechtsstaat. ANWALTSTHEMEN IM BRENNPUNKT Nach diesem symbolkräftigen Moment kam Wessels auf aktuelle rechtspolitische Themen zu sprechen. Dass die Anwaltschaft im Bundesjustizminister einen Fürsprecher für eine angemessene gesetzliche Anwaltsvergütung hat, schätzt Wessels sehr. Doch er äußerte auch berechtigte Enttäuschung darüber, dass von Seiten der Länder ein Junktim nicht nur mit Gerichtskosten, sondern auch mit der Sachverständigen- und Betreuervergütung geknüpft wird und die Gespräche sich daher sehr zäh gestalten. Klare Worte fand Wessels auch bei einem weiteren Thema, das die Anwaltschaft aktuell umtreibt: In einem Omnibusgesetz sollen die Rechtsanwaltskammern verpflichtet werden, künftig anlasslos die Sammelanderkonten ihrer Mitglieder zu kontrollieren. Hintergrund sind Bestrebungen, die Geldwäscheprävention zu verbessern – doch das trifft, so Wessels, die falschen, denn nur ein kleiner Teil der Anwaltschaft betreue überhaupt einschlägige Mandate. Die anlasslosen Kontrollen würden die Verschwiegenheitspflicht verletzen, das Vertrauen der Mandantinnen und Mandanten zerstören und die Selbstverwaltung beschädigen, denn: „Wir Anwältinnen und Anwälte sind nicht die Ermittlungsbehörde!“ Der Gesetzentwurf ist derzeit im parlamentarischen Verfahren und es gilt, Sammelanderkonten auf anderem Wege für die Kolleginnen und Kollegen zu erhalten, die sie benötigen – ohne den hohen Preis anlassloser Kontrollen. Doch Wessels hatte nicht nur Kritik anzubringen; er dankte dem Minister ausdrücklich dafür, dass er sich in Sachen Digitalisierung so einsetze. Das gelte ganz besonders für die Ausweitung von Videoverhandlungen an Zivil- und Fachgerichten. Misslich sei jedoch die schleppende Entwicklung bei der von der BRAK seit langem geforderten, aber von Seiten der Justiz heftig kritisierten digitalen Dokumentation strafgerichtlicher Hauptverhandlungen. Hier bot Wessels dem Minister die Unterstützung der Anwaltschaft an. Dieses Angebot gelte ganz generell, gegenüber dem Ministerium und dem Parlament: Alles, was den Rechtsstaat fördert, begleitet die BRAK kritisch; und dass das in so konstruktivem Austausch möglich ist, sieht Wessels als großen Vertrauensbeweis. GEMEINSAM FÜR DEN RECHTSSTAAT Daran knüpfte auch Elisabeth Winkelmeier-Becker an, als Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses die heimliche Gastgeberin des Abends. Sie hob die gegenseitige Unterstützung und das große Verständnis für die jeweilige Arbeit auf Seiten von BRAK und Rechtsausschuss hervor; das komme u.a. in den zahlreichen Stellungnahmen oder in der Mitwirkung von Anwältinnen und Anwälten als Sachverständige an Anhörungen des Ausschusses zum Ausdruck. Immerhin sei der Rechtsausschuss, den eine große Zahl an Gesetzesvorhaben durchlaufen, der fleißigste der Bundestagsausschüsse, mit bereits fast 100 Sitzungen in dieser Legislaturperiode. Einige der Abgeordneten sind selbst Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Im Rechtsausschuss sind sie zwar in anderer Funktion; doch gerade dass die verschiedenen Sichtweisen von anwaltlicher Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann In der DPG Präsidentinnenrunde: Holling (RAK Düsseldorf/BRAK-Schatzmeisterin), Treibert (RAK Bamberg), Fuhrmann (RAK Sachsen/BRAK-Vize)

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 6 Praxis und Parlamentariern einfließen, mache die Zusammenarbeit so wertvoll. Deshalb ist dieser Austausch ein wesentliches Element für einen starken Rechtsstaat, findet Winkelmeier-Becker. Aus der aktuellen Arbeit des Ausschusses berichtete sie u.a. von einer Delegationsreise in den Südkaukasus. Dort orientiere man sich in Rechtsstaatsfragen stark an Deutschland, viele aus der politischen Führungsriege hätten in Deutschland studiert; das am liebsten gesehene Gastgeschenk sei die Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts. Und dann zeichnete sie, zur Mahnung, die Schritte nach, die aus einem Rechtsstaat einen repressiven Staat machen – Aserbaidschan sei ein aktuelles Beispiel dafür. Die dortige Anwaltschaft habe dringend appelliert, das Land nicht vom Europarat zu suspendieren, denn: Sie braucht den EGMR! OFFENE DEBATTE ALS STÄRKE Einen ähnlich nachdenklichen Ton wie Wessels und Winkelmeier-Becker schlug auch Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann an. Schließlich gehe es gerade um die ganz großen Themen: Frieden, Freiheit und Wohlstand seien durch Putins Angriff auf die Ukraine wieder auf der Agenda. An vielen Beispielen in diesem Zusammenhang zeige sich, dass Recht die entscheidende Kulturtechnik ist, die Zivilisation von Barbarei unterscheidet. Umso wichtiger sei es, zusammenzuhalten, unsere offene Gesellschaft zu pflegen und sie gegen Angriffe – etwa auf die Meinungsfreiheit – zu verteidigen. Ausdrücklich dankte er daher der Union dafür, dass sie die offene Debatte darüber, wie das Bundesverfassungsgericht resilienter gestaltet werden kann, wieder aufgenommen hat. Er sei stolz, so die Stärke unserer politischen Kultur zu zeigen. „Wir haben den Auftrag erfüllt, Ihnen mehr Arbeit zu machen“, scherzte Buschmann in Richtung von Winkelmeier-Becker und ihrem Unions-Pendant Dr. Günter Krings. In der Tat, der Rechtsausschuss des Bundestags wird momentan vom Ministerium gut versorgt mit Gesetzesvorhaben in den Bereichen Justiz, Bürokratieabbau, Schrottimmobilien, mit dem historischen Reformprojekt einer Regelung für Vertrauenspersonen oder den verschiedenen Reformprojekten im Familienrecht; davon zeugen auch die zahlreichen aktuellen Stellungnahmen der BRAK zu diesen Themen. In Sachen Digitalisierung ließ Buschmann durchblicken, dass man bei Videoverhandlungen in Zivil- und Fachgerichten auf einem guten Weg sei und bald eine gute, vernünftige Lösung verkünden könne. Anders sieht es aber bei der Dokumentation strafgerichtlicher Hauptverhandlungen aus. Hier habe die Diskussion im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss deutlich gezeigt: Es seien noch Zeit, Geduld und Phantasie nötig. Doch als methodischer Optimist sei er unverdrossen weiter auf der Suche nach einem tragfähigen Kompromiss. Beim Thema Erhöhung der gesetzlichen Anwaltsgebühren dämpfte der Minister allzu große Erwartungen. Er versicherte: Man habe im Blick, dass der Zugang zum Recht nur durch Menschen (nicht: KI-Tools) gewährleistet werden könne, die auskömmlich arbeiten können. Doch eine Lösung dafür sei mit den Ländern nur machbar, wenn auch über deren legitime Interessen gesprochen werde, also u.a. darüber, wie zugleich auch eine Erhöhung der Betreuer- und Dolmetschervergütung realisierbar sei, ohne die Länderhaushalte zu sprengen. Insgesamt zeigte sich Buschmann optimistisch, dass Deutschland, das bereits so viele Krisen gemeistert habe, auch die aktuellen Herausforderungen werde stemmen können – man dürfe aber nicht nachlässig werden und sich nicht demoralisieren lassen. Das letzte Wort hatte Gastgeber Wessels, der die Beharrlichkeit des Ministers in diesen für die Anwaltschaft so wichtigen gesetzgeberischen Projekten lobte. Und in Sachen Anwaltsgebühren ließ er wissen: „Beharrlichkeit können wir auch.“ Die trug inzwischen erste Früchte, seit Kurzem liegt der Referentenentwurf für eine Anpassung des RVG vor. Präsidentenrunde: JR Seither (RAK Zweibrücken), Haug (RAK Karlsruhe/BRAK-Vizepräsident), Hübinger (RAK Saarland), Dr. Lemke (RAK Hamburg/BRAK-Vizepräsident)

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 7 NETZWERKEN AUF EUROPÄISCH Der gemeinsame Neujahrsempfang der Anwaltskammern in Brüssel Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Er ist eine gute gemeinsame Tradition: der Neujahrsempfang von BRAK, österreichischem Rechtsanwaltskammertag, Česká advokátní komora, Ordre van Vlaamse Balies, Bar Council of England and Wales, Ordre des Barreaux Francophones et Germanophones de Belgique und Barreau de Luxembourg. Seit vielen Jahren teilen die nationalen Kammern sich Büroräume im Zentrum von Brüssel. Die „WG“ war schon öfter Ausgangspunkt gemeinsamer berufspolitischer Initiativen. Und sie netzwerkt auch gemeinsam. Nachdem während der Pandemie kaum Veranstaltungen in Brüssel stattfanden, konnte mit dem Neujahrsempfang am 24.1.2024 nun wieder ein Highlight gesetzt werden. AM PULS DER EUROPÄISCHEN POLITIK Die europäische Gesetzgebung prägt das Recht und den Anwaltsberuf in Deutschland seit vielen Jahren mehr und mehr. Da ist es nur logisch, die Interessen der Anwaltschaft auch direkt gegenüber den europäischen Institutionen zu artikulieren. Wie in Deutschland bringt die BRAK sich auch auf EUEbene mit Stellungnahmen, in Einzelgesprächen und im Rahmen von Anhörungen in den Gesetzgebungsprozess ein. Auch über die „WG“ hinaus pflegt sie engen Kontakt mit anderen europäischen Anwaltsorganisationen. Über den Rat der europäischen Anwaltschaften (CCBE), dessen deutscher Delegation die BRAK angehört, werden zudem die Stimmen der nationalen Anwaltschaften gebündelt. NETZWERKEN AUF EUROPÄISCH Dieser intensive Austausch zwischen Anwaltschaft, Institutionen und Politik spiegelte sich auch in den Gästen des Neujahrsempfangs wider, die Pierre Sculier, Präsident des Ordre des Barreaux Francophones et Germanophones de Belgique, im Namen aller Gastgeber begrüßte. Etwa 130 Gäste waren der Einladung in die gemeinsamen Büroräume in der Avenue des Nerviens gefolgt, darunter zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Institutionen, Mitarbeitende verschiedener Generaldirektionen der Europäischen Kommission und Akteure des Brüsseler Politikbetriebs. Auch aus den ständigen Vertretungen einiger Mitgliedstaaten sowie des Bundes und mehrerer Bundesländer bei der EU und aus befreundeten Berufen wie dem Notariat und der Ärzteschaft konnten zahlreiche Gäste willkommen geheißen werden. Hervorragend repräsentiert war natürlich die Anwaltschaft: Aktuelle und ehemalige Präsidiumsmitglieder des CCBE waren ebenso anwesend wie die Spitzen zahlreicher nationaler Rechtsanwaltskammern wie etwa aus Spanien, Ungarn, Frankreich und den Niederlanden. WILL IT REALLY BE A HAPPY NEW YEAR? Einen kritischen Blick nach vorn warf die Festrednerin des Abends, die deutsche Europaabgeordnete Birgit Sippel (SPD / S&D). Angesichts der zahlreichen in diesem Jahr anstehenden Wahlen müsse man sich fragen, ob das neue Jahr wirklich ein glückliches werden wird, weil Antidemokraten gerade in vielen Ländern recht erfolgreich seien. Doch Sippel zeigte sich kämpferisch und optimistisch. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte könne man immer nur als Dreiklang betrachten, und dieser sei derzeit vielfach gefährdet. Man dürfe sich deshalb nicht darauf ausruhen, dass Grundrechte existieren, sondern man müsse verhindern, dass unsere Demokratie missbraucht und durch Antidemokraten ausgehöhlt wird. Sippel appellierte an alle – besonders an Politik, Anwaltschaft, und Richterschaft –, gemeinsam für den Rechtsstaat zu kämpfen. Und sie war sich sicher, dass wir am Ende des Jahres sagen können: Es war ein gutes. In seinen Dankesworten sprach BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels aus, was viele Gäste dachten: Sippels Optimismus steckt an, sich nicht zurückzulehnen, sondern unsere anwaltlichen Privilegien für ein wichtiges Ziel einzusetzen, nämlich den Rechtsstaat. Stoff zum Diskutieren hatten die Gäste damit für den anschließenden geselligen Teil des Abends reichlich. Foto: coonlight/shutterstock.com

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 8 DER PROZESS ALS (ATTRAKTIVES) INVESTMENT? Anwaltschaft zwischen Mandant, Versicherer und Finanzierer Ass. jur. Nadja Wietoska, BRAK, Brüssel KONFERENZ IM NEUEN LOCATION-GEWAND „Prozess als Investment – Anwaltschaft zwischen Mandant, Versicherer und Finanzierer“ war das Thema der Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“. Bereits zum sechsten Mal luden die BRAK und das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht (IPA) der Leibniz Universität Hannover zu ihrer jährlich stattfindenden Konferenz ein – erstmalig in die Räumlichkeiten des Königlichen Pferdestalls in Hannover. 1988 erbaut, ist der denkmalgeschützte Pferdestall nun ein Kommunikations- und Begegnungszentrum für Wissenschaft und Kultur – und am 10.11.2023 für knapp 100 Teilnehmende aus Wissenschaft und anwaltlicher Praxis geworden. EIN TRADITIONELLES GRUSSWORT-TRIO Ihre Eröffnung fand die Konferenz traditionell durch die Grußworte des Gastgebers Prof. Dr. Christian Wolf (geschäftsführender Direktor des IPA), des Präsidenten der Leibniz Universität Hannover, Prof. Dr. Volker Epping, sowie des BRAK-Präsidenten Dr. Ulrich Wessels. Die Tagesleitung übernahm dieses Jahr die BRAK-Geschäftsführerin Dr. Tanja Nitschke. Während Wolf und Epping die Bedeutung des Austauschs zwischen Wissenschaft und Praxis betonten, stellte Wessels mit seinem Grußwort und der Frage „Wie weit darf eine Kommerzialisierung des Rechts gehen?“ die ersten Weichen für die nachfolgenden Beiträge und Diskussionen. Dass sich der Anwaltsmarkt – u.a. mit Blick auf die voranschreitende Digitalisierung – künftig verändern werde und müsse, stand für ihn ebenso fest wie das notwendige Mittel, um diesen Veränderungen zu begegnen: der Blick über den Tellerrand, jedoch stets unter Wahrung des Zugangs zum Recht. Wessels begrüßte außerdem herzlich die Gewinnerinnen des BRAK-Preises für den besten Klägerschriftsatz beim Soldan Moot 2023: das Team I der Humboldt Universität zu Berlin. IM DIALOG MIT DER JUSTIZ Dass der Zugang zum Recht der anzusetzende Maßstab sein muss, unterstrich auch die Präsidentin des OLG Celle, Stefanie Otte, in ihrer Keynote. Das Phänomen der Massenverfahren und der sich verändernde Rechtsdienstleistungsmarkt zeigten Foto: Janto Trappe Prof. Dr. Christian Wolf, Universität Hannover Dr. Ulrich Wessels, BRAK-Präsident Prof. Dr. Volker Epping, Präsident Universität Hannover Stefanie Otte, Präsidentin OLG Celle Dr. Tanja Nitschke, BRAK-Geschäftsführerin Joachim Cornelius-Winkler, Berlin

DAIvent Fundierte Fortbildung an beliebtem Urlaubsort oder im Live-Stream Anspruchsvolle Seminare in DAI-Qualität Aktuelle Themen und Fragestellungen Fachlicher Austausch mit Kolleginnen und Kollegen Bis zu 15 Zeitstunden nach § 15 FAO Strafrecht 4. – 6. Juli 2024 Nr. 07245738 und 07245739 Thilo Pfordte, LL.M. (Leitung); Ulrike Thole-Groll; Prof. Dr. Andreas Mosbacher; Dr. Björn Boerger Handels- und Gesellschaftsrecht 25. – 27. Juli 2024 Nr. 194286 und 194287 Dr. Joachim Bauer (auch Leitung); Prof. Dr. Stephan Schmitz-Herscheidt; Dr. Falk Bernau Bank- und Kapitalmarktrecht 5. – 7. August 2024 Nr. 254155 und 254156 Dr. Martin Lange (auch Leitung); Prof. Dr. Matthias Siegmann; Dr. Bernhard Dietrich; Dr. Christian Grüneberg Insolvenz- und Sanierungsrecht 8. – 10. August 2024 Nr. 104213 und 104214 Dr. Andreas Olaf Schmidt (auch Leitung); Dr. Christoph Morgen; Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer Gewerblicher Rechtsschutz 15. – 17. August 2024 Nr. 204165 und 204166 Katharina H. Reuer, M. Jur. (Madrid) (Leitung); Prof. Dr. Franz Hacker Erbrecht 22. – 24. August 2024 Nr. 144223 und 144225 Ulf Schönenberg-Wessel (auch Leitung); Beatrix Ruetten; Dr. Maximilian Koehl; Dr. Gordian Oertel Mehr Informationen und Anmeldung auf www.anwaltsinstitut.de NEU! Miet- und WEG-Recht 24. – 26. Juli 2024 Nr. 174316 und 174317 (Präsenz) Nr. 174319, 174320 und 174321 (Stream) Dr. Klaus Lützenkirchen (auch Leitung); Carsten Küttner; Dr. Ulrich Leo Familienrecht 31. Juli – 2. August 2024 Nr. 094515 und 094516 (Präsenz) Nr. 094518, 094519 und 094520 (Stream) Dr. Rita Coenen (Leitung); Prof. Dr. Anja Kannegießer; Prof. Dr. Peter Becker; Hans-Joachim Dose Arbeitsrecht 14. – 16. August 2024 Nr. 014705 und 014706 (Präsenz) Nr. 014708, 014709 und 014710 (Stream) Prof. Dr. Georg Annuß (auch Leitung); Dr. Michael Witteler; Michael H. Korinth Bau- und Architektenrecht 8. – 10. August 2024 Nr. 164270 und 164271 (Präsenz) Nr. 164273, 164274 und 164275 (Stream) Prof. Dr. Werner Langen (auch Leitung); Dr. Alexander Knopp; Birgitta Bergmann-Streyl; Dr. Walter Klein; Prof. Dr. Oliver Moufang Auch als Live-Streams DAIvents an der Ostsee Lübeck-Travemünde 15 Zeitstunden (§ 15 FAO) möglich DAIvents an der Ostsee Lübeck-Travemünde 15 Zeitstunden (§ 15 FAO) möglich Die DAIvents sind auch in einzelnen Teilen buchbar.

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 10 derzeit die Schwächen des Zivilprozesses auf: Die Gerichte würden weit über ihrer Belastungsgrenze arbeiten. Dies dürfe jedoch kein Argument gegen die kommerzielle Prozessfinanzierung sein. Schließlich stärke diese Akteurin den Zugang zum Recht und sei ein Teil der gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklung – mit welcher die Justiz bisher nicht Schritt gehalten habe. „The Future of Digital Justice“ hat ihr einen Rückstand von 15–20 Jahren zugeschrieben. Für Otte steht fest, dass „wenn Gerichte nicht zu analogen Fremdkörpern werden wollen, sie sich wandeln müssen.“ Das Ergebnis müsse jedoch ein „level playing field“ zwischen den Akteuren sein. An dieser Stelle sei der Diskurs über eine angemessene und verhältnismäßige Regulierung gewerblicher Prozessfinanzierer zu führen. (SPANNUNGS-)VERHÄLTNIS ZWISCHEN ANWALT UND RECHTSSCHUTZVERSICHERER Der erste Themenblock widmete sich dem Verhältnis zwischen Anwalt und Rechtsschutzversicherer – im Schwerpunkt in der Konstellation eines unterlegenen Prozesses und der Folgefrage potentieller Regressforderungen. Einleitend suchte Joachim Cornelius-Winkler (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht, Berlin) die Frage mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH zu beantworten. Früher eine Rarität, heute – v.a. vor dem Hintergrund der Massenverfahren – als Regresswelle bezeichnet. Auswirkung könnte sein, „dass Anwälte in schwierigen Konstellationen von einer Rechtsdurchsetzung aus Furcht vor einem Regress abraten könnten“ – dies ginge zweifelsohne zu Lasten der Rechtsfortbildung und des Zugangs zum Recht. Nichtsdestotrotz komme die Regresswelle nicht zwingend aus den Reihen der Versicherer, auch einige Kanzleien hätten das „Geschäftsmodell Regress“ für sich entdeckt. Dem Spannungsverhältnis zwischen der Prüfung der Erfolgsaussichten, der Deckungsablehnung und einem Anwaltsregress, widmete sich Thomas Lämmrich (Leiter Unfall, Rechtsschutz, Assistance beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft). Am Anfang stehe die Prüfung der Erfolgsaussichten – wenngleich wegen der niedrig anzusetzenden Hürde ein nur stumpfes Schwert. Werde der Prozess an die Wand gefahren, stehe last but not least die Regressfrage im Raum. Hierzwischen sehe er jedoch kein Spannungsverhältnis, sondern ein Nebeneinander – schließlich sei die Anwaltshaftung kein Ausgleich für die Folgen einer unzureichenden Prüfung der Erfolgsaussichten oder dafür, dass die Deckungsablehnung hohen Anforderungen unterliegt. Einen Blick aus der anwaltlichen Perspektive bot hierzu Monika Maria Risch (Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht und Familienrecht, Berlin) mit ihrem Vortrag zu den „Anwaltlichen Sorgfaltspflichten gegenüber der Mandantschaft und deren Rechtsschutzversicherer in Bezug auf die Erfolgsaussichten-Prüfung“. Letzterer und der damit verbundenen Aufklärungspflicht komme eine besondere Bedeutung zu – schließlich prüft der Versicherer die Erfolgsaussichten nicht mehr, soweit der Anwalt zu einem negativen Prüfungsergebnis gelangt. EIN ZWISCHENRUF In einem Zwischenruf referierte Dr. Michael Weigel (Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.) zum Thema„Massenverfahren: ein langer Weg ohne befriedigende Lösung“. Dabei ging er u.a. auf die Abhilfeklage als neues Instrument des kollektiven Rechtsschutzes ein. Im Anschluss an seinen Vortrag wurde Weigel für seinen langjährigen Vorsitz im ZPO/GVG-Ausschuss der BRAK gewürdigt und verabschiedet. Dabei gewährte BRAK-Präsident Wessels einen Einblick in die zahlreichen Stellungnahmen und Reformbestrebungen, an denen Weigel maßgeblich beteiligt war. DER KAMPF UM DIE KUNDENSCHNITTSTELLE Der zweite Themenblock widmete sich den„Rechtsschutzversicherern als Rechtsdienstleister“. Zur Sicht des RDG und der Berufspolitik referierte Dr. Christian Lemke (Vizepräsident der BRAK und Präsident der Rechtsanwaltskammer Hamburg).„Juristen, die an einen Rechtsschutzversicherer gebunden sind, fehlt es an der anwaltlichen Unabhängigkeit“ – so sein Statement zu der derzeit geführten Diskussion um die Rechtsberatung und -versicherung „aus einer Hand“. Hier stütze sich die Versicherungsbranche auf ein (vermeintliches) Interesse und Bedürfnis der Verbraucher – u.a. belegt durch eine gern zitierte YouGov-Studie. Zu YouGov führte Lemke aus, dies sei eine kommerzielle Umfrageplattform, bei der angemeldete Umfrageteilnehmer mit der Beantwortung eines Fragebogens Punkte sammeln und in Prämien oder Bargeld einlösen können. Inwieweit dies die Verbraucherschaft repräsentiere und die Umfragen von notwendigen Informationen begleitet würden, sei zweifelhaft. Thomas Lämmrich, GDV Monika Maria Risch, Berlin Dr. Michael Weigel, Berlin Dr. Christian Lemke, BRAK-Vizepräsident Dr. Ulrich Eberhardt, Coburg

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 11 Außer Frage steht für ihn wiederum, dass Versicherer und Versicherter ebenso wenig wie Letztgenannter und der gewerbliche Prozessfinanzierer deckungsgleiche Interessen hätten. Hier führte Lemke den US-amerikanischen Rechtsstreit Sysco v Burford als Beispiel an: Der Prozessfinanzierer verklagte die finanzierte Sysco – man war sich nicht einig über den Vergleichsabschluss im finanzierten Rechtsstreit. „Der Kampf um die Kundenschnittstelle hat längst begonnen.“ – zu diesem Ergebnis gelangte Dr. Ulrich Eberhardt (Rechtsanwalt und bis Ende 2023 Vorstandsmitglied der Roland RechtsschutzVersicherungs-AG). Summanden dessen seien neben einer veränderten Verbrauchererwartung auch der demographische Wandel in Anwaltschaft und Justiz sowie die sich stets verkürzenden technischen Innovationszyklen. Das aktuell diskutierte Fremdbesitzverbot erachtete Eberhardt als sinnvolle Leitplanke der gegenwärtigen Ökonomisierung des Rechtsmarktes. Schließlich liege der entscheidende Wert einer Rechtsordnung nicht in ihrer Digitalisierung, sondern in ihrer Unabhängigkeit. Für Versicherer sieht er darin kein Problem: Eine „klassische“ Kanzlei ist als Investitionsziel per se nicht attraktiv. Dem anschließend gewährte Stephen P. Younger (Präsident a.D. der New York State Bar Association und Rechtsanwalt in New York) mit seinem Vortrag „Ausländische Erfahrungen mit der Zulassung von Fremdkapital“ einen Einblick in den US-amerikanischen Status Quo: Vor dem Hintergrund der in Rule 5.4 Model Rules of Professional Conduct der American Bar Association (ABA) normierten anwaltlichen Unabhängigkeit stehe die Anwaltschaft einer Lockerung des Fremdbesitzverbots nach wie vor kritisch gegenüber. Bis dato wurde das Fremdbesitzverbot in nahezu allen Staaten keiner weiteren Liberalisierung unterzogen. Ausnahmen: Arizona und Utah, welche die sog. ABS (Alternative Business Structures) zuließen – bislang jedoch ohne nachweisbare positive Auswirkung auf die Stärkung des Zugangs zum Recht oder den versprochenen Innovationsboost. REGULIERUNGSBEDARF GEWERBLICHER PROZESSFINANZIERER? Der dritte Konferenzabschnitt widmete sich dem Konstitut gewerblicher Prozessfinanzierung. Einleitend und im Lichte der „österreichischen Perspektive“ adressierte Hon.-Prof. Dr. Alexander Klauser (Rechtsanwalt, Wien/Universität Graz) sowohl die Rechtsschutzversicherung als auch die gewerbliche Prozessfinanzierung – vor dem Hintergrund hoher Prozesskosten und einer nur in engen Grenzen bewilligungsfähigen Prozesskostenhilfe – als wichtige Instrumente zur Stärkung des Zugangs zum Recht. Dem Verbot der Streitanteilsvereinbarung i.S.d. § 879 II Nr. 2 ABGB unterfalle die Prozessfinanzierung laut Rechtsprechung zumindest dann nicht, wenn keine Rechtsberatung vorgenommen und kein Einfluss auf den Prozess geübt wird. Dem anschließend widmete sich Prof. Dr. Tanja Domej (Universität Zürich) der Entschließung und Empfehlung des Europäischen Parlaments zur „verantwortungsbewussten privaten Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten“. Hierzu merkte Domej an, dass der Richtlinienentwurf nicht hinreichend differenziere und damit verkenne, dass das Finanzierungsgeschäft zumeist mit Unternehmen gemacht werde. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten hält sie wiederum für wichtig und richtig. Thomas Kohlmeier (Rechtsanwalt und bis Ende 2023 CEO der Nivalion AG, Zug) äußerte sich aus Sicht des Prozessfinanzierers nicht nur zu der Thematik der Regress-Tendenzen, sondern auch zu den adressierten Regulierungsbestrebungen. Hierzu betonte er, dass die Gefahren, denen man damit begegnen möchte, nicht der Praxis der Prozessfinanzierer entsprechen – so sehe er nicht die befürchtete Einflussnahme auf den Prozess. KONTROVERSE PODIUMSDISKUSSION Wissenschaft lebt vom Streit um das bessere Argument – besser kann man die sehr lebhafte und kontroverse Podiumsdiskussion unter dem Titel „Prozess als Investment: Anwaltschaft zwischen Mandant, Versicherer und Finanzierer“ nicht zusammenfassen. An der Diskussion beteiligt: Dr. Christian Lemke, Prof. Dr. Tanja Domej, Dr. Ulrich Eberhardt und Monika Maria Risch – moderiert vom Gastgeber Prof. Dr. Christian Wolf. In den Fokus rückte auch die aktuelle Diskussion rund um das Fremdbesitzverbot und damit die Gefahr einer Ökonomisierung des Rechtsmarktes. Einigkeit bestand zumindest im Hinblick darauf, dass die Anwaltskanzlei nicht das attraktivste Investitionsziel sei. Hier konnte sich der Moderator die Anmerkung nicht verkneifen, dass gerade mit der Generierung von Finanzmitteln zur Kanzleidigitalisierung das Bedürfnis einer Öffnung begründet wird. Beim sich anschließenden Umtrunk wurde bei einem Glas Wein noch lange und rege weiterdiskutiert. Stephen P. Younger, New York Prof. Dr. Alexander Klauser, Wien Prof. Dr. Tanja Domej, Universität Zürich Thomas Kohlmeier, Zug Dr. Thomas Remmers, BRAK-Vizepräsident

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 12 DER HANS SOLDAN MOOT COURT 2023 Ein Erfahrungsbericht von Studierenden der Humboldt-Universität zu Berlin Zora Machura und Maja Blome, Berlin* In diesem Jahr fand die 11. Runde des bundesweiten Hans Soldan Moot Court zum anwaltlichen Berufs- und Zivilrecht statt. Dabei hatten wir die Möglichkeit, die juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin in zwei Teams zu vertreten. Team I konnte dabei die zweitbeste Beklagtenschrift und sogar den Preis der BRAK für die beste Klageschrift aus 31 teilnehmenden Teams gewinnen. ESOTERIK, LÄSTEREI & NATURHEILKANZLEI – DER INHALT DER FALLAKTE 2023 Beim Soldan Moot simulieren die Teilnehmenden anhand eines fiktiven Falls ein Zivilverfahren vor dem Landgericht Hannover. Dabei unterteilt der Wettbewerb sich in zwei Schriftsatzphasen, in der jedes Team eine Klage- und Beklagtenschrift schreibt. Im Anschluss finden nach einem Pre-Moot an der Bucerius Law School in Hamburg die mündlichen Verhandlungen an der Leibniz-Universität Hannover statt. Der diesjährige Fall behandelte eine Konstellation der Anwaltshaftung. Ein Nahrungsergänzungsmittelhersteller machte hier vermeintliche Schadensersatzansprüche gegen seine frühere Anwaltskanzlei geltend. Bei dieser handelt es sich um eine interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaft aus Rechtsanwälten, Medizinern und Heilpraktikern. Der erste Anspruch begründete sich dabei aus einem fehlerhaften Gutachten einer Heilpraktikerin und zugleich Gesellschafterin der Kanzlei, als auch einer damit verbundenen Falschberatung. Dem zweiten Anspruch legte der Kläger zudem eine vermeintliche Verschwiegenheitspflichtverletzung einer angestellten Ärztin und Gutachterin der Beklagten zugrunde. EINE UNVERGLEICHLICHE ERFAHRUNG Zu Beginn der Schriftsatzphase haben wir zunächst an einem Schriftsatzworkshop teilgenommen und dadurch einen spannenden Einblick in das tägliche anwaltliche Arbeiten sowie ein grundlegendes Verständnis für das Formulieren und Strukturieren von anwaltlichen Schriftsätzen gewonnen. In dem darauffolgenden gemeinschaftlichen Arbeiten als Team sind wir durch die entstehenden Herausforderungen auf eine einzigartige Art und Weise gewachsen. Hierbei ist das Besondere an der HU Berlin, dass der Soldan Moot bisher nicht an einen Lehrstuhl angegliedert war, sondern die Teilnehmenden aus den Jahren zuvor die neuen Teams coachen. Bei diversen Probe-Pleadings in unterschiedlichen Kanzleien haben wir uns auf die mündlichen Verhandlungen vorbereitet und unsere rhetorischen Fähigkeiten verbessert. Sowohl bei dem Pre-Moot in Hamburg als auch in Hannover haben wir uns dann mit den Teams der anderen Universitäten gemessen. Am Ende konnten wir als HU Berlin erneut Erfolge verzeichnen. Nach der zweitbesten Beklagtenschrift und dem Preis des DAV für die beste Beklagtenschrift in 2022, gewann unser Team I dieses Jahr den Preis der BRAK für den besten Klageschriftsatz und wurden zudem auch für den zweitbesten Beklagtenschriftsatz ausgezeichnet. Die BRAK ermöglichte uns, sowohl an der Filmpremiere von „Deutsches Haus“ teilzunehmen – einer Miniserie, die aus Sicht einer jungen Dolmetscherin die Frankfurter Auschwitz-Prozesse behandelt – als auch die 6. Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“ in Hannover zu besuchen. Hier konnten wir einen spannenden Einblick in aktuelle rechtspolitische Diskussionen erhalten und rechtsvergleichende Perspektiven durch internationale Gäste kennenlernen. Die Teilnahme am Soldan Moot war unfassbar bereichernd. Nicht nur konnten wir als Team über uns selbst hinauswachsen und uns mit spannenden Fragestellungen über das Studium hinaus beschäftigen, sondern auch engagierte Studierende aus Fakultäten bundesweit kennenlernen und spannende neue Perspektiven gewinnen. Nächstes Jahr werden wir als Coaches den neuen Teilnehmenden der HU Berlin zur Seite stehen, um so auch weiterhin Teil des Soldan Moots zu sein. * Die Autorinnen studieren Jura und traten beim Soldan Moot 2023 in Team I (Zora Machura) bzw. Team II (Maja Blome) der Humboldt Universität zu Berlin an. v.l.n.r.: Soldan Moot-Organisator Prof. Dr. Christian Wolf, Sara Marie Sulenski, Renata Silva Münzenmeyer, Liv Brandenstein, Zora Machura, Coach Carlotta Postel

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 13 NACHHALTIGKEIT UND NOVELLIERUNGSBEDARF Spitzengespräch der BRAK zum Kartellrecht Rechtsanwältin Jennifer Witte, BRAK, Berlin Am 5.10.2023 veranstaltete die BRAK unter Federführung ihres Ausschusses Kartellrecht ein Spitzengespräch zum Thema „Weiterentwicklung des deutschen Kartellrechts in Bezug auf Nachhaltigkeitsziele“. Diese hochaktuelle Frage beleuchteten die Kartellrechtsexpertinnen und -experten der BRAK im informellen Kreis mit ihren Gästen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und Bundeskartellamt (BKartA), von der Monopolkommission sowie aus Rechtswissenschaft, Richterschaft und Unternehmerschaft. WIESO NACHHALTIGKEIT? Nachhaltiges Wirtschaften ist heute im Hinblick auf die sozial-ökologische Transformation alternativlos. Kooperieren Unternehmen, um spezifisch Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müssen die dadurch entstehenden Effizienzen etwaige wettbewerbsbeschränkende Wirkungen überwiegen. Mangels eindeutiger Regelungen ist dies für die Unternehmen mit Tücken verbunden. Das BMWK hat sich in seiner wettbewerbspolitischen Agenda bis 2025 auf die Fahne geschrieben, die Rechtssicherheit für solche Nachhaltigkeitskooperationen zu erhöhen. Die Freistellung von Nachhaltigkeitskooperationen könnte daher im GWB durch die anstehende 12. Novelle ergänzt werden. VERSCHIEDENE BLICKWINKEL Nach der Begrüßung durch BRAK-Vizepräsident Dr. Christian Lemke und Dr. Markus Wirtz, Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Kartellrecht, stellten vier hochkarätige Referenten ihre verschiedenen Blickwinkel dar: Dr. Thorsten Käseberg, Referatsleiter für Grundsatzfragen der Wettbewerbspolitik und für Kartellrecht beim BMWK, berichtete über die aktuellen Überlegungen seines Hauses. Danach legten Silke Hossenfelder, Leiterin der Abteilung Grundsatzfragen des Kartellrechts beim BKartA, die Sicht des BKartA und Prof. Dr. Tomaso Duso die Sicht der Monopolkommission auf die Praxis sowie die Ausgestaltung des GWB im Hinblick auf Nachhaltigkeitsbelange dar. Welche teleologischen, systematischen und europarechtlichen Spannungsfelder zwischen dem Nachhaltigkeitsanliegen und dem Kartellrecht aus der wissenschaftlichen Perspektive bestehen, erläuterte Prof. Dr. Stefan Thomas von der Eberhard Karls Universität Tübingen. LÖSUNG GEFUNDEN? Basierend auf von Dr. Ellen Braun und Dr. Dominique Wagener, BRAK-Ausschuss Kartellrecht, aufgestellten Thesen folgte im Anschluss eine angeregte Diskussion in entspannter Atmosphäre. Der Novellierungsbedarf wurde kontrovers beurteilt. Das BMWK bejaht ihn trotz der im Juli 2023 überarbeiteten Horizontal-Leitlinien (mit dem neuen Kapitel über Nachhaltigkeitsvereinbarungen), da der von der EU-Kommission verfolgte Ansatz zur Berücksichtigung der „out-of-market efficiencies“ als ungenügend betrachtet wird. Die Klimakrise verlange nach neuen Lösungsansätzen. Zurückhaltung zeigten hingegen das BKartA und die Monopolkommission: Ob über die Horizontal-Leitlinien hinausgehende Regelungen erforderlich sind, könne erst beurteilt werden, wenn es mehr Fallerfahrung gebe. Der Vertreter der Rechtswissenschaft und auch die Monopolkommission warnten zudem vor einer übereilten Aufgabe der Anknüpfung an der Konsumentenwohlfahrt und vor einer konturenlosen Gemeinwohlabwägung. Auch Definitionen der Nachhaltigkeitsziele und der Effizienzen erachteten sie für sinnvoll. Aus Sicht der Anwaltschaft ist es schwierig, Praxisfälle zu liefern, d.h. mögliche Nachhaltigkeitskooperationen durch Unternehmen beim BKartA vorzustellen, ohne dass es einen klareren Rechtsrahmen gibt. Die Crux liegt in der konkreten Ausgestaltung einer Lösung – darüber bestand abschließend Einigkeit. AUSBLICK Spannend wird es daher, wie das BMWK die konkrete Ausgestaltung vornehmen wird. Die Ende 2023 durchgeführte öffentliche Konsultation zur Modernisierung des Wettbewerbsrechts, an der die BRAK teilnahm (Stellungnahme Nr. 66/2023), soll dazu beitragen. Die BRAK wird weiter am Ball bleiben. BRAK-Ausschuss Kartellrecht mit Gästen, v.l.n.r.: Dr. Ellen Braun, Dr. Matthias Karl, Prof. Dr. Tomaso Duso (Monopolkommission), Dr. Dominique Wagener, Silke Hossenfelder (Bundeskartellamt), Dr. Markus Wirtz, Prof. Dr. Stefan Thomas (Universität Tübingen), Dr. Thorsten Käseberg (BMWK), Prof. Dr. Moritz Wilhelm Lorenz

BEA – DAS BESONDERE ELEKTRONISCHE ANWALTSPOSTFACH beA mobil Hinweise und Informationen zur beA-App Rechtsanwältin Julia von Seltmann, BRAK, Berlin Seit dem 22.2.2024 steht die mobile beA-App der BRAK allen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten über den App Store von Apple und den Play Store von Google zur Verfügung. Im folgenden Beitrag erhalten Sie einige Hinweise und Informationen zur Einrichtung und Nutzung der beA-App. Voraussetzungen für die Nutzung der App Für die Nutzung der beA-App benötigen Sie ein mobiles Endgerät, auf dem eine der nachfolgenden Software-Versionen für iOS oder Android installiert ist: • für iOS: iOS 15 oder aktueller • für Android: Android 11 oder aktueller. Die beA-App können Sie im App Store (iOS) oder Play Store (Android) herunterladen. Geben Sie hierfür in die Suchzeile einfach „beA BRAK" ein. Für die Nutzung benötigen Sie ferner ein Softwarezertifikat. Dazu müssen Sie bei der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer ein Softwarezertifikat erworben und dieses in der beA-Webanwendung hinterlegt und mit Ihrer beA-Karte freigeschaltet haben. Sofern noch nicht geschehen, können Sie das Softwarezertifikat unter folgendem Link bestellen: https://www.bea-brak.de/beaportal/ Softwarezertifikat übertragen Wenn Sie ein gültiges Softwarezertifikat in der beAWebanwendung hinterlegt und freigeschaltet haben, müssen Sie dieses auf Ihr mobiles Endgerät übertragen (Abb. 1). Dazu melden Sie sich bitte in der beA-Webanwendung an. Öffnen Sie dort den Reiter „Einstellungen“ und gehen Sie zu „Sicherheits-Token“ (A). Wählen Sie dort das hinterlegte Softwarezertifikat aus (B). Auf der rechten Seite Ihres Bildschirms findet sich eine Navigationsleiste. Dort klicken Sie bitte die Schaltfläche „QR-Code erzeugen“ an. (C) Es wird ein QR-Code erzeugt. Öffnen Sie die beA-App und scannen Sie den QR-Code. Nach dem erfolgreichen Scannen des QR-Codes werden Sie aufgefordert, die PIN des Software-Tokens auf Ihrem mobilen Gerät einzugeben. Sofern Ihr mobiles Endgerät Face-ID (Gesichtserkennung) oder Touch-ID (Fingerabdruck) unterstützt, öffnet sich eine Abfrage, ob Sie für die Anmeldung zukünftig die Face-ID oder die Touch-ID statt der PIN verwenden möchten. Sie können diese Festlegung jederzeit wieder in den Einstellungen der App ändern. Zugriff auf Nachrichten Sobald Sie die oben beschriebenen Schritte ausgeführt haben, können Sie über die App auf die in Ihrem beA eingegangenen Nachrichten zugreifen. Dazu haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder melden Sie sich direkt in der beA-App an. Es öffnet sich der Posteingangsordner. Dort sehen Sie die neu eingegangenen Nachrichten und können sie sowie die darin enthaltenen Anhänge in der App öffnen. Als weitere Möglichkeit steht Ihnen der Nachrichtenzugriff über den Nachrichtenlink in Ihrer Benachrichtigungsmail zur Verfügung. Wenn Sie die Benachrichtigungsfunktion aktiviert haben, erhalten Sie eine E-Mail, wenn eine neue beA-Nachricht eingegangen ist. Die E-Mail enthält einen Nachrichtenlink. Ausführliche Informationen zur Einrichtung der beA-App sind im beA-Anwenderhandbuch verfügbar: https://handbuch.bea-brak.de/weitere-themen/beaapp-fuer-mobile-geraete/bea-app-fuer-mobile-geraete Abb. 1

BEA – DAS BESONDERE ELEKTRONISCHE ANWALTSPOSTFACH Wenn Sie die App wie oben beschrieben installiert haben, werden Sie durch Antippen des Nachrichtenlinks direkt auf die App weitergeleitet. Nunmehr melden Sie sich über die beA-App an Ihrem Postfach an, um direkten Zugriff auf die eingegangene Nachricht zu erhalten (Abb. 2). Tippen Sie eine Nachricht (A) an, um diese zu öffnen. Über das Icon vor der Nachricht (B) können Sie den Status "gelesen/ungelesen" einer Nachricht ändern. Dieser Status wird auch mit der beA-Webanwendung synchronisiert (Abb. 3). Detaillierte Informationen und Unterstützung hält die Online-Hilfe auch zu diesem Themenbereich bereit. Aktuelle Funktionen Die BRAK stellt Ihnen die beA-App zunächst in einer ersten Ausbaustufe bereit. Diese ermöglicht es Ihnen, eingegangene Nachrichten auf Ihrem mobilen Endgerät wie beschrieben zu entschlüsseln und zu lesen. Und so gehen Sie vor: Tippen Sie einen Nachrichtenanhang an, um diesen anzuzeigen. Der Anhang öffnet sich. Unterstützt werden die meisten gängigen Dateiformate, insbesondere .pdf, .docx, .tiff und .xml. Signierte Anhänge werden mit einem Icon angezeigt. Über die drei Punkte neben dem Anhang können Sie sich weitere Metadaten des Anhangs wie z.B. den Dokumenttyp oder den Namen der Signaturdatei anzeigen lassen. Geöffnete Nachrichtenanhänge können Sie speichern (A) oder über den „Teilen-Button“ links unten (B) weiterleiten (Abb. 4). Einschränkung für Nutzerinnen und Nutzer von Kanzleisoftware behoben Die nach der Veröffentlichung der beA-App der BRAK anfänglich bestehende Einschränkung für diejenigen, die ihr beA über eine Kanzleisoftware nutzen, ist inzwischen behoben. Im Posteingangsordner der beA-App waren zunächst nur die in diesem Ordner noch vorhandenen Nachrichten zu sehen. Nachrichten, die über eine Kanzleisoftware abgerufen werden, werden indes je nach Produkt und Einstellungen z.T. automatisch in Unterordner verschoben. Auf diese Nachrichten konnte in der ersten Stufe noch nicht zugegriffen werden. Seit dem 25.06.2024 steht eine neue Version der beA-App der BRAK zur Verfügung, die auch den Zugriff auf Nachrichten ermöglicht, die in Unterordner verschoben wurden. Sämtliche Unterordner werden in der Nachrichtenübersicht auch in der App angezeigt. Nutzerinnen und Nutzer von Kanzleisoftware können mit dieser neuen Version die beA-App ebenso vollständig nutzen wie diejenigen, die mit der beA-Webanwendung arbeiten. Weiterhin können Sie selbstverständlich in der Benachrichtigungsmail den Nachrichtenlink antippen und darüber auf die Nachricht zugreifen. Das funktioniert auch, wenn die Nachricht in einen anderen Ordner verschoben wurde. Ausblick Die erste Ausbaustufe der beA-App beschränkt sich erst einmal nur auf das Lesen von eingegangenen Nachrichten und ihren Anhängen. Funktionen wie das Senden von fertiggestellten Nachrichtenentwürfen über den sicheren Übermittlungsweg, das Signieren von Schriftsätzen und die Abgabe von elektronischen Empfangsbekenntnissen werden folgen. Die BRAK denkt auch über weitergehende Anforderungen nach. Zu überlegen ist z.B., ob es sinnvoll ist, kurze beA-Nachrichten auf dem Mobiltelefon selbst erstellen und versenden zu können oder auf im Akteneinsichtsportal bereitgestellte Akten mobil zugreifen zu können – für Nutzerinnen und Nutzer von Tablets sicher eine überlegenswerte Funktionalität. Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4

BRAK MAGAZIN 1–2/2024 16 10 FRAGEN ZUM SCHLICHTUNGSVERFAHREN DER SCHLICHTUNGSSTELLE DER RECHTSANWALTSCHAFT Schlichterin Uta Fölster, Berlin, und Rechtsanwalt Alexander Jeroch, Berlin* Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (SdR) ist als unabhängige Stelle bei der BRAK eingerichtet und hat ihren Sitz in Berlin. Sie ist eine bundesweit zuständige Schlichtungsstelle für Verbraucher und Verbraucherinnen und auf der Grundlage des Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) verpflichtet, europaweit geltende Qualitätsstandards einzuhalten. Sie schlichtet vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen Mandantinnen und Mandanten und deren – aktuellen oder ehemaligen – Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten etwa über die Höhe anwaltlicher Gebührenrechnungen oder etwaige Schadensersatzansprüche. 1. WAS IST EINE (VERBRAUCHER-) SCHLICHTUNGSSTELLE? Bundes- und europaweit gibt es neben der SdR weitere branchenspezifische Schlichtungsstellen, wie den Versicherungsombudsmann oder die Schlichtungsstelle für öffentlichen Personenverkehr. Hat eine Branche keine eigene Schlichtungsstelle, kann man sich an die Universalschlichtungsstelle des Bundes wenden. Als „Verbraucherschlichtungsstellen“ dürfen sich nur Einrichtungen bezeichnen, die gesetzliche Vorgaben (z.B. des VSBG) erfüllen und sich in ihren Zuständigkeiten und Verfahrensabläufen an die vorgeschriebenen Qualitätsstandards halten. Schlichtungsstellen bemühen sich, Streitigkeiten, insb. im Bereich des Verbraucherschutzes, zwischen den Parteien außergerichtlich beizulegen. 2. WOFÜR IST DIE SDR ZUSTÄNDIG? Streitet sich ein Mandant/eine Mandantin mit seinem/ihrem (ehemaligen) Rechtsanwalt, so kann die SdR angerufen werden, sofern – es um eine vermögensrechtliche Streitigkeit geht, z.B. Streit über die Höhe anwaltlicher Rechnungen oder über Schadensersatzansprüche, – der Wert, um den gestritten wird, 50.000 Euro nicht übersteigt. Schlichtungsanträge können sowohl Mandanten und Mandantinnen (seien sie Verbraucher oder Unternehmer) als auch Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen stellen. Nicht erlaubt ist es der SdR, einen Rechtsrat zu erteilen oder auf der Suche nach einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin behilflich zu sein. 3. WIE IST DIE SDR ORGANISIERT? Zum Team gehören die Schlichterin, ein stellvertretender Schlichter, ein Geschäftsführer, sechs Juristinnen und Juristen sowie fünf Assistentinnen und Assistenten. Beratend steht der Schlichtungsstelle ein neunköpfiger Beirat zur Seite. Neben einem Vertreter der BRAK und einer regionalen Rechtsanwaltskammer ist dieser mehrheitlich mit Vertretern von Verbänden der Rechtsanwaltschaft, Verbraucherverbänden, des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft und Politik besetzt. Die SdR verfügt über einen eigenen Sonderhaushalt, der durch jährliche Beiträge aller zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte finanziert wird. 4. IST DIE SDR UNABHÄNGIG? Ja! Dazu verpflichten die rechtlichen Vorgaben (§ 6 VSBG, § 191f BRAO, Satzung der Schlichtungsstelle). Sie schreiben die Unabhängigkeit der Einrichtung, die Unparteilichkeit und Verschwiegenheitspflicht ihrer Beschäftigten fest und sehen u.a. vor, dass eine Schlichterin oder ein Schlichter nicht Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt sein darf. So waren und sind seit Gründung der SdR ausschließlich frühere Richterinnen und Richter als Schlichterinnen bzw. Schlichter tätig. Zwar ist die SdR aus organisatorischer Notwendigkeit bei der BRAK eingerichtet, sie ist jedoch in ihrer Arbeit auch insoweit weisungsfrei. Foto: Hurca/shutterstock.com

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