BRAK-Magazin Ausgabe 4/2024

OKTOBER 2024 · AUSGABE 4/2024 EU-GELDWÄSCHEPAKET NEUE MELDEPFLICHTEN, NEUE BEHÖRDEN UND NEUE AUFSICHT ÜBER KAMMERN Im Zweifel aufbewahren! – Dokumentationspflichten bei der Geldwäscheprävention Transparente Stundenhonorare: Geht das überhaupt noch? Schlichtungsstelle: anwaltlicher Fehler ≠ Schadensersatz Foto: Evgeny Savchenko/shutterstock.com

Schäfer Rechtsanwälte als Täter Die Geschichte der Reichs-Rechtsanwaltskammer Herausgegeben von der Bundesrechtsanwaltskammer, bearbeitet von Prof. Dr. Frank L. Schäfer, 1. Auflage 2024, 378 Seiten Lexikonformat, gbd., 119 €. ISBN 978-3-504-01016-4 Rechtsanwälte als Täter. Das nationalsozialistische Regime von 1933 bis 1945 entrechtete, verfolgte und ermordete zahllose jüdische Anwälte und Anwältinnen. Mehr als 25 % der damaligen Anwaltschaft fielen dem zum Opfer. Ohne Zweifel hat die Reichs-Rechtsanwaltskammer, die Vorläuferorganisation der Bundesrechtsanwaltskammer, hierzu einen Beitrag geleistet. Was bislang jedoch fehlte, war eine Aufarbeitung, welche Rolle die Kammer und ihre Verantwortlichen dabei genau spielten. Professor Dr. Frank Schäfer hat das angesichts der schwierigen Quellenlage diffizile Unterfangen auf sich genommen, diese Lücke zu schließen und die Rolle der Anwaltschaft auf der Täterseite im Detail herauszuarbeiten. Bestellungen unter otto-schmidt.de Neuerscheinung: Spannender Einblick in die Geschichte der deutschen Anwaltschaft

IMPRESSUM Bundesrechtsanwaltskammer – Körperschaft des öffentlichen Rechts, Littenstraße 9, 10179 Berlin Redaktion: Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (verantwortlich) Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln (ausführliches Impressum unter www.brak.de/zeitschriften) EDITORIAL NUR, WEIL SIE IHREN JOB MACHEN Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Ein krasser Einzelfall – das hätte man in Deutschland vor ein paar Jahren noch meinen können, als die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz wegen ihrer Tätigkeit im NSU-Komplex aus der rechten Szene mehrfach mit dem Tode bedroht wurde. Doch das ist es längst nicht mehr. Nach dem Attentat von Solingen berichtete die BILD hetzerisch über die Dresdener Kollegin, die den späteren Attentäter ein Jahr zuvor in seinem Asylverfahren vertreten hatte. In der Folge wurde sie massiv bedroht und Rechtsextreme demonstrierten mit Grabsteinen vor ihrer Kanzlei. Außerdem ergoss sich ein Schwall von Hass (vor allem) über Anwältinnen und Anwälte, die im Migrationsrecht tätig sind. Doch neben ihnen berichten etwa auch Strafverteidiger, Sozialrechtlerinnen oder Familienrechtler davon, von ihren Mandanten, Prozessgegnern oder Dritten beschimpft oder bedroht zu werden. Wer sich durch soziale Medien oder durch die Kommentare unter dem kürzlich erschienenen Focus-­ Interview eines Migrationsrechtlers liest, bekommt einen plastischen Eindruck von der Verachtung unseres gesamten Berufsstands und davon, wie wenig der Rechtsstaat verstanden wird. Diese Ablehnung und Abwertung von Anwältinnen und Anwälten bei der Ausübung ihres Berufs sind kein rein deutsches Phänomen. Auch in anderen europäischen Ländern nehmen sie zu. Der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) will diese Situation fassbarer machen. Ausgehend von einer Untersuchung der niederländischen Anwaltskammer (NOVA) aus dem Jahr 2022 haben zahlreiche Mitgliedsorganisationen des CCBE im Sommer 2024 parallele Umfragen in ihren Ländern durchgeführt. Gefragt wurde, inwiefern Anwältinnen und Anwälte Belästigungen, Bedrohungen und Angriffe durch Mandanten oder Dritte erleben, welche beruflichen und privaten Auswirkungen das hat und wie sie damit umgehen. Inzwischen liegen die Daten aus insgesamt 16 teilnehmenden Staaten vor. Ihre Aussagekraft ist nicht unbedingt vergleichbar und die Teilnahmequoten sowie die Querschnitte der Teilnehmenden unterscheiden sich zum Teil. Beispielsweise nahmen in Spanien überproportional viele Kolleginnen und Kollegen teil, die im Bereich Legal Aid tätig sind. Dort ist die Bedrohungssituation besonders groß, was wohl eine Motivation für die rege Teilnahme war. In Deutschland hat die BRAK diese Umfrage durchgeführt und ist noch mit der detaillierten Analyse der Ergebnisse befasst. In den Niederlanden lief in diesem Jahr eine Folge-Umfrage, deren Ergebnisse NOVA-Direktorin Maaike Bomers Anfang November bei der von BRAK und Universität Hannover organisierten Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“ präsentierte. Im Vergleich zur Umfrage zwei Jahre zuvor wurde das Klima rauer: Der Anteil der Kolleginnen und Kollegen, die Bedrohungen, Beleidigungen oder sogar Gewalt erlebten, stieg um 5 % auf ganze 55 %. Für viele war es nicht die erste derartige Erfahrung. Ebenso wie in Deutschland sind Anwältinnen deutlich häufiger betroffen als ihre männlichen Kollegen. Der CCBE arbeitet derzeit an der detaillierten Auswertung der Länder-Umfragen. Im Winter soll ein Übersichtsbericht veröffentlicht werden. Klar ist bereits jetzt: Das Phänomen existiert europaweit und man darf es nicht auf die leichte Schulter nehmen, die Anwaltschaft muss sich insgesamt besser wappnen. In dem Fall in Dresden konnte die Kammer die betroffene Kollegin schnell unterstützen, wie Präsidentin Sabine Fuhrmann im BRAK-Podcast berichtet. Doch übergreifend zeigt sich, dass Anwältinnen und Anwälte häufig die erlebten Bedrohungen und Beleidigungen mit sich selbst ausmachen. Schließlich sind wir gewohnt, andere zu beraten und zu unterstützen – eine neue Rolle also, sich selbst Beratung und Hilfe zu holen. Doch gerade der Dresdener Fall zeigt, wie wichtig es ist, über die eigene Situation zu sprechen, mit Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitenden, der Kammer und wenn nötig auch der Polizei. „Das muss ich aushalten“ ist oft keine sinnvolle Alternative. Foto: Oliver Hurst

BRAK MAGAZIN 4/2024 4 EU-GELDWÄSCHEPAKET VERABSCHIEDET – UND NUN? Welche Neuerungen das Geldwäschepaket für Anwältinnen und Anwälte bringt Rechtsanwältin Astrid Gamisch, LL.M., BRAK, Brüssel Am 19.6.2024 wurde das EU-Geldwäschepaket im EU-Amtsblatt veröffentlicht, am 9.7.2024 ist es in Kraft getreten – fast auf den Tag drei Jahre, nachdem die Europäische Kommission ihren Vorschlag veröffentlicht hatte und nach intensiven Verhandlungen. Groß war der Aufschrei in der Anwaltschaft und anderen freien Berufen und entsprechend intensiv die Begleitung des Pakets. Mancher Erfolg konnte erzielt werden, mancher Rückschlag war zu verzeichnen. Wie ist das Ergebnis nun aber zu bewerten? GELDWÄSCHERICHTLINIE, VERORDNUNG UND AMLA Die Europäische Kommission hatte am 20.7.2021 ein Gesetzgebungspaket zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung veröffentlicht, bestehend aus vier legislativen Vorschlägen. Die Geldwäscheverordnung enthält die Regeln der alten Geldwäscherichtlinie, die für private Verpflichtete und damit auch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gelten. Die zweite Verordnung sieht die Errichtung einer europäischen Aufsichtsbehörde, der AMLA (Anti Money Laundering Agency), vor. Außerdem sollten mit einer neuen, sechsten Gelwäscherichtlinie nationale Aufsichtsstellen auch über die Selbstverwaltung geschaffen werden. Weniger im Fokus der Anwaltschaft und schon vorab beschlossen war eine Neufassung der Geldtransferverordnung. Begründet hat die Kommission ihr Tätigwerden mit dem ineffektiven präventiven Regulierungsrahmen und einer zersplitterten Aufsicht, die zahlreiche Geldwäscheskandale zuließen. Die BRAK hat den Legislativprozess dieser drei Dossiers des Geldwäschepakets von Anfang an intensiv begleitet. Angesichts der neuen Aufsichtsstruktur, die einer Fachaufsicht gleichgekommen wäre, hat sie eine drohende Gefährdung des Mandatsgeheimnisses sowie der anwaltlichen Selbstverwaltung angemahnt. LEGISLATIVPROZESS Im Parlament wurden die Dossiers den gemeinsam federführenden Ausschüssen für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) sowie Wirtschaft und Währung (ECON) zugeteilt. Im Frühling 2023 wurde dort die Position des Parlaments abgestimmt. Man beschloss, in interinstitutionelle („Trilog“-)Verhandlungen einzutreten, so dass das Plenum des Parlaments erst über deren Ergebnis abstimmen würde. Der Rat hatte seine Positionen bereits Ende 2022 gefasst. Der Trilog wurde schließlich nach einem knappen Jahr intensiver Verhandlungen abgeschlossen. Das Europäische Parlament und der Rat bestätigten die Ergebnisse. In drei Jahren wird die Geldwäscheverordnung unmittelbar anwendbar sein, für die 6. Geldwäscherichtlinie starten Umsetzungsfristen von zwei bzw. drei Jahren. Der Trilog über die AMLA wurde bereits im Dezember 2023 abgeschlossen – mit einer Ausnahme: der Standort blieb zunächst offen. Sieben europäische Staaten hatten sich darum beworben. Am Ende machte Deutschland mit Frankfurt am Main das Rennen. Die Behörde soll ihre Arbeit Mitte 2025 aufnehmen. GELDWÄSCHEVERORDNUNG Die neue Geldwäscheverordnung enthält die nun angepassten Regeln der alten Richtlinie, die für private Verpflichtete gelten. Mit der Überführung in eine Verordnung sind diese allerdings nun unmittelbar anwendbar. Foto: M. Schuppich/shutterstock.com

BRAK MAGAZIN 4/2024 5 Im Zentrum unserer Aufmerksamkeit standen hier von Anfang an die anwaltlichen Meldepflichten. Anwältinnen und Anwälte, die Verpflichtete aufgrund der in § 2 I Nr. 19 GwG umgesetzten alten EU-Richtlinie sind, sind gem. § 43 GwG meldepflichtig. Die alte Richtlinie – umgesetzt im GwG – sah vor, dass Angehörige von rechtsberatenden Berufen Informationen nicht melden müssen, die vor, während oder nach einem Gerichtsverfahren oder im Rahmen der Beurteilung der Rechtslage für einen Mandanten erlangt wurden, es sei denn, sie sind selbst an der Straftat beteiligt, erteilen die Rechtsberatung zu deren Zweck oder sie wissen, dass der Mandant die Rechtsberatung zum Zweck der Straftat in Anspruch nimmt. War der Vorschlag der Kommission ursprünglich wortlautgleich mit der alten Richtlinie, taten sich im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens so einige Schreckenskonstrukte auf. Schließlich sieht ein Großteil der Abgeordneten angesichts zahlreicher Skandale im Finanz- und Steuerbereich in der Anwaltschaft nach wie vor „professional enablers“, die ihre Fachkenntnisse und ihre spezielle Stellung gezielt für Straftaten einsetzen. Die faktische Untermauerung dieses pauschalen Verdachts fehlte dabei oftmals. Den „enablers“ versuchte man im Besonderen auch mit dieser Verordnung beizukommen. So wurden im Europäischen Parlament im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens allerhand Regel-Ausnahme-Tatbestände für anwaltliche Meldepflichten diskutiert, wobei man eben versuchte, mögliche kriminelle Handlungen seitens der Anwaltschaft einzubauen. Dies ging jedoch auf Kosten der Klarheit der Normen und damit auch der Rechtssicherheit. Doch präventive Anti-Geldwäschepflichten, die die berufliche Tätigkeit weiter Kreise der Anwaltschaft betreffen, eignen sich ihrer Natur nach nicht für ein Vorgehen gegen wenige, aber leider medial sehr präsente, kriminelle Individuen. Diesen muss man mit den Mitteln des Strafrechts begegnen. Glücklicherweise waren die meisten dieser Vorschläge schnell wieder vom Tisch. Bis zuletzt hielt sich jedoch die „wellgrounded suspicition“ einer Straftat, die dafür sorgen sollte, dass ein Anwalt sich nicht auf seine Ausnahme von der Meldepflicht berufen kann. Zu guter Letzt sah man aber auch von dieser – wenig konkreten – Einschränkung ab. Die neue Regelung entspricht nun weitestgehend der alten; die Ausnahmetatbestände wurden im zugehörigen Erwägungsgrund klarstellend legaldefiniert. In diesem Zusammenhang muss die Rechtsprechung zu mehreren bei den europäischen Gerichten anhängigen Verfahren verfolgt werden, in denen es um die Konkretisierung der Anwaltsausnahme geht. Die Verordnung enthält zahlreiche weitere Vorschriften zu Details anwaltlicher Geldwäscheaufsicht, darunter die Verpflichteteneigenschaft von Berufsausübungsgesellschaften oder Synidici sowie Modalitäten von Identifikationspflichten. Für Barzahlungen gilt nun eine Obergrenze von 10.000 Euro. Die BRAK arbeitet diese Pflichten, die auf die Anwaltschaft zukommen, derzeit umfassend auf. GELDWÄSCHERICHTLINIE Die neue Geldwäscherichtlinie gilt für öffentliche Stellen. Auf unsere große Besorgnis trafen die gem. Art. 52 einzurichtenden zentralen nationalen Geldwäschebehörden. Sie sollten dem Entwurf der Kommission zufolge sicherstellen, dass die Selbstverwaltung ihre Aufgaben „den höchsten Standards entsprechend“ durchführt, und dabei weisungsbefugt sein. Die BRAK sah darin eine Erweiterung der reinen Überprüfung von Gesetz und Satzung im Sinne der jetzigen Aufsicht hin zu einer fachaufsichtlichen Beurteilung von Angemessenheit und Zweckmäßigkeit. Dies würde in Deutschland jedoch zu einer nicht hinnehmbaren Durchbrechung des Prinzips der Selbstverwaltung führen, was wiederum die Unabhängigkeit der Anwaltschaft gefährden würde – und damit Grundrechte von Mandantinnen und Mandanten. Jetzt ist das Ergebnis der Verhandlungen da – nach wie vor mit dem Wort „Weisung“. Kommt also die Fachaufsicht und damit das Ende der unabhängigen Anwaltschaft? Glücklicherweise ist dies nach Ansicht der betroffenen Verbände nicht der Fall. Wichtig ist hierbei, dass eine EU-Richtlinie nicht unter Heranziehung nationaler Begriffsbestimmungen ausgelegt werden kann, und dass eine Abgrenzung zwischen Rechts- und Fachaufsicht den anderen EU-Mitgliedstaaten und damit auch dem EU-Gesetzgeber fremd ist. Dieser muss jedoch die nationale Identität der Mitgliedstaaten achten (Art. 4 II AEUV). Die deutsche Unterscheidung zwischen Fach- und Rechtsaufsicht war auch in den Trilogverhandlungen ein Thema. Infolge ausführlicher Diskussionen kam man von der ursprünglichen, im Sinne einer Fachaufsicht gefassten Formulierung „den höchsten Standards entsprechend“ ab und einigte sich am Ende zur Bewahrung unserer nationalen Besonderheit – der (bloßen) Rechtsaufsicht über die Selbstverwaltung – auf die abgeschwächte Formulierung in Art. 52 II lit. c) GW-RL, der zufolge die nationale Behörde nur noch die Angemessenheit und Wirksamkeit, also die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen überprüfen soll. In Ermessensentscheidungen darf sie nicht eingreifen. Entsprechend schränkt auch der Erwägungsgrund 100 die Befugnisse ein: Ausübung der Tätigkeit im Einklang mit der Richtlinie, keine Aufsichtsaufgaben

BRAK MAGAZIN 4/2024 6 gegenüber Verpflichteten und keine Entscheidungen in Einzelfällen. Nochmals zur Weisung: Ein Weisungs- und Leitungsrecht hat die Landesjustizverwaltung gegenüber der Selbstverwaltung derzeit grundsätzlich nicht. Die EU-Richtlinie darf aber nicht mit Hilfe nationaler Begrifflichkeiten und Definitionen ausgelegt werden. Es muss mithin geprüft werden, ob der bestehende Regelungsrahmen den Erfordernissen der Richtlinie hinsichtlich des dort vorgesehenen Weisungsrechts bereits Genüge tut. Schließlich muss eine wirksame Staatsaufsicht auch über die Befugnisse verfügen, bei Verstößen für eine wie auch immer geartete Abhilfe zu sorgen. In Zusammenschau mit dem bereits erwähnten Erwägungsgrund 100 ist das Weisungsrecht nach Art. 52 V GW-RL nicht als Weisungsrecht im Sinne einer Aufgabenwahrnehmung zu verstehen. Als Mittel der Staatsaufsicht gibt es aber heute schon die Möglichkeit der Revision der Geschäfte der Selbstverwaltung und ihrer Organe und damit auch ein Instrument im Sinne der neuen „Weisungsbefugnis“ der Richtlinie. (z.B. § 20 I LOG NRW). Wo diese Aufsicht in Deutschland konkret angesiedelt sein wird, muss nun das Bundesfinanzministerium entscheiden. Nach unserer Ansicht wären keine größeren Änderungen im Verwaltungsaufbau dafür erforderlich. Denn vieles von dem, was die Richtlinie fordert, haben wir heute schon in Form der Staatsaufsicht; an einzelnen Stellen, wie z.B. der Herausgabe von Leitlinien, muss ggf. nachgeschärft werden. Auch hier lohnt ein Blick auf die Rechtsprechung des EuGH – dieser hat zuletzt im Juli die besondere Bedeutung der Anwaltschaft auch im Kreise der prozessvertretungsberechtigten Berufe herausgestellt. AMLA-VERORDNUNG Und die neue EU-Behörde AMLA? Groß war der Schreck, als dem Kommissionsvorschlag zunächst eine Weisungsbefugnis der AMLA in bestimmten Fällen auch gegenüber der Selbstverwaltung zu entnehmen war, und die Berufsverbände – auch die BRAK – entsprechend auf den Barrikaden. Glücklicherweise einigte man sich im Rat und in der Folge auch im Trilog, dass die Behörde gegenüber der Selbstverwaltung lediglich Warnungen aussprechen darf. Die AMLA koordiniert die europäische Aufsicht und Risikoüberwachung. Sie wird bestimmte Verpflichtete des Finanzsektors direkt überwachen. Dann wird nochmal differenziert zwischen dem restlichen Finanzsektor und dem Nichtfinanzsektor (zu dem auch die Anwaltschaft zählt). Über letzteren soll sie gem. Art. 5 III, Art. 35 ff. AMLA-VO sehr eingeschränkte Befugnisse haben: die Durchführung vergleichender Analysen, die Einrichtung von Aufsichtskollegien bei Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten, die Schlichtung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Aufsehern sowie eben die Befugnis zum Aussprechen von Warnungen – auch der Selbstverwaltung gegenüber – bei Verstößen gegen die Leitlinien oder gegen EU-Recht. Schließlich soll die AMLA die zentralen Meldestellen (FIUs) koordinieren. Derzeit werden Leitlinien für ihre Tätigkeit erarbeitet. Auch hier bringen sich die BRAK und andere europäische Anwaltschaften ein. FAZIT Insgesamt hätte es deutlich schlimmer kommen können. Vieles von dem, was wir befürchtet hatten, ist nicht eingetreten. So manche konkrete Ausgestaltung oder Umsetzung auf nationaler Ebene ist aber noch offen – auch nach Abschluss des Geldwäschepakets ist das letzte Wort also noch nicht gesprochen und die BRAK wird sich hier weiterhin einbringen. Zur Einrichtung der neuen nationalen Behörde steht die BRAK – wie auch bei den AMLALeitlinien – gemeinsam mit den anderen betroffenen Berufsverbänden im Austausch mit den Ministerien und zeigen unsere Perspektive von der künftigen Ausgestaltung der Aufsicht über die Selbstverwaltung. Foto: Evgeny Savchenko/shutterstock.com

FACHINSTITUT FÜR VERWALTUNGSRECHT . Jahresarbeitstagung Verwaltungsrecht .– . . · Leipzig/Live-Stream (Nr. €‚) Zeitstunden – § FAO Kostenbeitrag: ‚ ,– € (USt.-befreit) Paketpreis: ‚ ,– € (USt.-befreit) mit dem Fortbildungsplus „VwGO – Update“ ( ›. . ) FACHINSTITUT FÜR MEDIZINRECHT . Jahresarbeitstagung Medizinrecht .– . ›. · Heusenstamm/Live-Stream (Nr. ›) Zeitstunden – § FAO Kostenbeitrag: ‚ ,– € (USt.-befreit) Paketpreis: €€ ,– € (USt.-befreit) mit dem Fortbildungsplus „Aktuelles zur Vergütung von Krankenhausleistungen“ ( ›. ›. ) FACHINSTITUTE FÜR STEUERRECHT/STRAFRECHT . Jahresarbeitstagung Steuerstrafrecht .– . ›. Berlin/Live-Stream (Nr. ‚€) Zeitstunden – § FAO Kostenbeitrag: £€ ,– € (USt.-befreit) FACHINSTITUT FÜR SOZIALRECHT . Sozialrechtliche Jahresarbeitstagung ‚.– €. ›. · Berlin/Live-Stream (Nr. ) Zeitstunden – § FAO Kostenbeitrag: £ ,– € (USt.-befreit) Paketpreis: ££ ,– € (USt.-befreit) mit dem Fortbildungsplus „Digitalisierung im Sozialversicherungsrecht: Elektronische AU-Bescheinigung und elektronische Patientenakte aus arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Sicht“ ( £. ›. ) FACHINSTITUT FÜR HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT . Gesellschaftsrechtliche Jahresarbeitstagung .– . . · Hamburg/Live-Stream (Nr. € €) Zeitstunden – § FAO Kostenbeitrag: £ ,– € (USt.-befreit) Paketpreis: € ,– € (USt.-befreit) mit dem Fortbildungsplus „Ausgewählte Probleme des Personen- und Kapitalgesellschaftsrechts“ ( ›. . ) FACHINSTITUT FÜR FAMILIENRECHT . Jahresarbeitstagung Familienrecht €.– . . · Köln/Live-Stream (Nr. € ››‚) Zeitstunden – § FAO Kostenbeitrag: £ ,– € (USt.-befreit) Paketpreis: £ ,– € (USt.-befreit) mit dem „Fortbildungsplus zur ‚. Jahresarbeitstagung Familienrecht “ ( ‚. . ) Alle Angebote und Anmeldung auf www.anwaltsinstitut.de Jahresarbeitstagungen . Halbjahr Jetzt die Teilnahme vor Ort oder den Live-Stream buchen! Diese Fortbildungen finden jeweils als Hybrid-Veranstaltungen statt. Nehmen Sie online im DAI eLearning Center oder vor Ort teil. Auch online können Sie die Veranstaltungen für die Pflichtfortbildung nach § Abs. FAO nutzen. Natürlich haben Sie als Online-Teilnehmer/in ebenso die Möglichkeit, Ihre Fragen an die Referenten zu stellen. Unser/e Moderator/in vor Ort im Saal wird Sie in einem Textchat durch die Veranstaltung begleiten und Ihre Fragen in die Veranstaltung einbringen. Während der Vorträge verfolgen Sie in Ihrem Browser die Referenten im Video, die Präsentationsfolien sowie die Interaktion im Chat. +++ Live-Stream und Präsenz +++ Sie haben die Wahl +++ Live-Stream und Präsenz +++ Die Jahresarbeitstagungen geben einen fundierten Überblick im jeweiligen Gebiet. Prominente Vertreterinnen und Vertreter aus Anwaltschaft, Gerichtsbarkeit und Wissenschaft erörtern die aktuell diskutierten Fragenkomplexe der Praxis vor dem Hintergrund sich ständig wandelnder Rechtsprechung und Gesetzgebung.

BRAK MAGAZIN 4/2024 8 IM ZWEIFEL ALLES AUFBEWAHREN! Dokumentationspflichten im GwG Rechtsanwalt Christian Bluhm Referent für Geldwäscheprävention, BRAK, Berlin Verpflichtete Anwältinnen und Anwälte nach dem Geldwäschegesetz (§ 2 I Nr. 10 GwG) haben bei der Bearbeitung eines Mandats zur Dokumentation ihrer präventiven Pflichten zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gem. § 8 GwG alles aufzuzeichnen und aufzubewahren, damit erforderliche Informationen bei Bedarf schnell an die Zentralstelle für die Entgegennahme von Verdachtsmeldungen, die sog. Financial Intelligence Unit (FIU) oder die zuständigen Aufsichts- und/oder Strafverfolgungsbehörden herausgegeben werden können. Dies sind insbesondere Unterlagen betreffend die Identitätsprüfung von Mandanten, der für sie auftretenden Personen, der Feststellung der wirtschaftlich Berechtigten eines Unternehmens, Unterlagen zu dem Inhalt des Mandats und den dazugehörigen Transaktionen. Das ist wichtig, damit die zuständigen Behörden im Falle einer Straftat, die Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zum Gegenstand hat, sofort handeln können. Gerade bei grenzüberschreitenden und komplexen Geldwäschefällen, die nur sehr schwierig aufzudecken sind, ist es wichtig, schmutzige Geldflüsse sofort zu stoppen und Gelder einzufrieren, Transaktionen zu unterbinden und Vermögenswerte zu beschlagnahmen, bevor sich solche nicht mehr nachvollziehbar mit legalen Vermögenswerten vermischen. Und hierbei ist der Zeitfaktor ein ganz entscheidender! GELDWÄSCHE-PRÜFUNGSUNTERLAGEN AN EINEM ZENTRALEN ORT AUFBEWAHREN! Das kann nur funktionieren, wenn Verpflichtete (Anwältinnen und Anwälte) bei risikobehafteten Katalogtätigkeiten i.S.d. § 2 I Nr. 10 GwG – wie z.B. bei einer Mitwirkung an Immobiliengeschäften oder M&A-Transaktionen – sicherstellen, dass alle Informationen an einem zentralen Ort aufbewahrt und auch noch bis zu zehn Jahre nach Beendigung des Mandats schnell aufgefunden werden können – ohne dafür tagelang im Archiv und in allen möglichen Handakten suchen zu müssen. Der Autor hat es selbst als Prüfer einer regionalen Rechtsanwaltskammer immer wieder erlebt, dass Prüfungen von den Verpflichteten zwar pflichtgemäß durchgeführt worden waren, aber bei VorOrt-Prüfungen in der Kanzlei abgefragte Dokumente, wie z.B. ein in der Vergangenheit eingeholter Transparenzregisterauszug, (zunächst) nicht vorgelegt werden konnten, weil diese nicht sorgfältig in einem zentralen Verzeichnis zur Mandantin oder zu dem entsprechenden Vorgang gespeichert worden waren. Das ist aber immens wichtig, um nachvollziehen zu können, welche Mitarbeitenden wann welche Prüfung für welchen Mandanten und welches Mandat durchgeführt haben. Das gilt gerade bei größeren Einheiten und wenn viele Mitarbeitende zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Mandatsbearbeitung arbeitsteilig Prüfungen durchführen. Und noch unübersichtlicher wird es womöglich dann, wenn zu einem Mandanten über Jahre hinweg gleich mehrere Mandate bearbeitet werden. Dann ist es umso wichtiger, dass alle Informationen für alle Mitarbeitenden an einem zentralen Ort jederzeit ohne großen Aufwand verfügbar sind. Die Zeit, nach diesen zu suchen, haben Sie im Zweifel später nicht mehr. Manchmal sind Tage oder auch nur wenige Stunden entscheidend, um eine Transaktion zu verhindern und der Spur des Geldes folgen zu können. AUFBEWAHRUNG IN DER HANDAKTE NICHT SINNVOLL Anwältinnen und Anwälte sollten jedoch aus folgenden Gründen die Geldwäscheprüfungsunterlagen nicht in ihren Handakten aufbewahren: 1. Die Pflichterfüllung nach dem GwG dient dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Geldwäscheprävention und -bekämpfung. Sie kann in Bezug auf die anwaltlichen Pflichten nach dem GwG die anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung überwiegen (sinngemäß auch VG Berlin, Beschl. v. 5.2.2021 – 12 L 258/20 Rn. 49). 2. § 52 I Nr. 2 GwG statuiert eine Mitwirkungspflicht der Anwältin bzw. des Anwalts gegenüber ihrer bzw. seiner Kammer als Aufsichtsbehörde und schreibt vor, dass dieser Unterlagen i.S.d. § 8 GwG vorgelegt werden müssen, sofern sie für die Prüfung der Einhaltung der GwG-Pflichten von Bedeutung sind (näher dazu Koch, BRAK-Mitt. 2022, 68). Foto: Besjunior/shutterstock.com

BRAK MAGAZIN 4/2024 9 3. Die Auskunftsverweigerungsrechte gem. § 52 IV, V GwG beziehen sich nicht auf die Vorlage von Unterlagen gem. § 52 I Nr. 2 GwG i.V.m. § 8 GwG. 4. Aufzeichnungen und Belege gem. § 8 GwG unterliegen nicht dem Beschlagnahmeschutz nach § 97 StPO. Deshalb sollten solche Aufzeichnungen, die nur gefertigt werden, um den geldwäscherechtlichen Bestimmungen zu genügen, nicht in der Mandats- bzw. Handakte aufbewahrt werden, sondern getrennt von dieser in einem gesonderten Ordner bzw. elektronischen Verzeichnis. Das ist gem. §§ 8 III, 52 I 2 GwG auch zulässig. WAS MUSS ALLES AUFGEZEICHNET UND AUFBEWAHRT WERDEN? Die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nach § 8 I 1 Nr. 1 lit a) GwG umfasst für Anwältinnen und Anwälte insbesondere folgende (nicht abschließend aufgeführte): Informationen und Unterlagen Beispiele Erhobene Angaben und eingeholte Informationen (§ 8 I Nr. 1a GwG), über – Mandanten (als natürliche Person oder juristische Person), – die für diesen auftretenden Personen (als natürliche Person) und der – wirtschaftlich Berechtigten (einschließlich der Dokumentation der Eigentums- und Kontrollstruktur, §§ 8 I 2, 12 IV 1 GwG), sowie die Überprüfung der Identität dieser nach Maßgabe der §§ 12, 13, 14 GwG, – bei einem Immobiliengeschäft auch alle an dem Erwerbsvorgang beteiligten Personen (§ 2 Nr. 2 GwGMeldV-Immobilien): Der Mandant, die Vertragsparteien des Erwerbsvorgangs nach § 1 des Grunderwerbsteuergesetzes sowie die für diese auftretenden Personen) – Angaben zum Mandanten (§ 11 IV Nr. 1, 2 GwG) – Kopie eines vor Ort geprüften Dokuments der anwesenden Personen (§§ 13 I Nr. 1, 14 II Nr. 2 GwG, wie z.B. Personalausweis, Reisepass), – bei niedrigem Geldwäscherisiko (§ 14 GwG) auch EU-Führerscheine oder Dienstausweise staatlicher Einrichtungen, – sonstige (elektronische) Identitätsnachweise (§ 12 I Nr. 2-5 GwG), – Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten und Überprüfungsergebnis (§§ 11 V, 12 III), – Dokumentation/Prüfergebnis des Video-Ident-Verfahrens bei abwesenden Personen (§§ 13 I Nr. 2, 8 II 4 GwG) oder – Prüfergebnis des Post-Ident-Verfahrens, – Registerauszüge (z.B. Handels-, Genossenschafts-, Gesellschafts-, Transparenz- oder Vereinsregister), – Gesellschaftsverträge, Gesellschafterlisten, Gründungsdokumente, Bestätigung durch einen lokalen Anwalt oder Notar, Certificate of good standing (USA) oder vergleichbare Dokumente, – Berechtigungsnachweise für handelnde Personen (Vollmachten, Prokura, Bestellungsurkunden, etc.) Transaktionsbelege, soweit sie für die Untersuchung von Transaktionen erforderlich sein können (§ 8 I Nr. 1b) GwG), – Kontoauszüge – Zahlungsnachweise, Buchungsbelege – Verträge, vertragliche Grundlagen zu der jeweiligen Transaktion, Zahlungstitel Risikobewertung nach § 10 II GwG (§ 8 I Nr. 2 GwG), – dokumentierte Ergebnisse der Prüfung der Risikofaktoren nach Anlagen 1 und 2 zum GwG und § 15 III GwG, – Ergebnisse von Internetrecherchen und Abfragen von Datenbanken zur Überprüfung von Risikofaktoren (wie z.B. zur Feststellung von politisch exponierten Personen (PEPs), Firmendaten, wirtschaftlich Berechtigter, Bezug zu Hochrisikoländern, Negativpresse (z.B. zu laufenden Strafverfahren) Dokumentation über die Angemessenheit der auf Grundlage der Risikobewertung erfüllten Sorgfaltspflichten gem. §§ 14, 15 GwG (§ 8 I Nr. 2, Nr. 3 GwG) – Dokumentation des Ergebnisses der Risikobewertung nebst nachvollziehbarer Entscheidung/Begründung, welche Sorgfaltspflichten erfüllt wurden (§§ 10, 14 oder 15 GwG) – Bei erhöhtem Geldwäscherisiko (§ 15 GwG): Prüfungsergebnis hinsichtlich der Herkunft von Vermögenswerten und des Vermögens des Vertragspartners (§ 15 I Nr. 1a) GwG) sowie aller weiteren in § 15 IV-VII GwG genannten zusätzlich durchgeführten verstärkten Sorgfaltspflichten Erwägungsgründe und eine nachvollziehbare Begründung des Bewertungsergebnisses eines Sachverhalts hinsichtlich der Meldepflichten (§ 8 I Nr. 5 GwG) nach – § 43 I, II 1, 2 GwG, – § 43 VI GwG i.V.m. §§ 3-6 GwGMeldV-­ Immobilien – § 43 VI GwG i.V.m. § 7 GwGMeldV-­ Immobilien – Dokumentation der Prüfung, ob ein Verdachtsfall i.S.d. § 43 I, VI GwG vorgelegen hat und warum an die FIU gemeldet/nicht gemeldet worden ist, – Beachtung, dass Anwältinnen und Anwälte aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich gem. § 43 II 1 GwG nicht melden dürfen, wenn sich der meldepflichtige Sachverhalt auf Informationen bezieht, die sie im Rahmen von Tätigkeiten der Rechtsberatung oder Prozessvertretung erhalten haben – es sei denn es liegt eine Rückausnahme gem. § 43 II 2 GwG oder ein Fall des § 43 VI GwG i.V.m. §§ 3-6 der GwGMeldV-Immobilien vor. – Dokumentation einer nachvollziehbaren Prüfung und Begründung, warum trotz Vorliegen eines Verdachtsfalles gem. §§ 3-6 GwGMeldV-Immobilien ausnahmsweise doch nicht gemeldet wurde (§ 7 GwGMeldV-Immobilien)

BRAK MAGAZIN 4/2024 10 WICHTIGER HINWEIS ZUR EINZEL- RISIKOBEWERTUNG Die konkrete Risikobewertung gem. § 10 II GwG ist für jedes einzelne Mandat zu erstellen und gem. § 8 I 1 Nr. 2 GwG aufzuzeichnen. Sie ist zusätzlich zur allgemeinen (unterjährigen Kanzlei-/Unternehmens-) Risikoanalyse gem. § 5 GwG zu erstellen und kann diese nicht ersetzen. WIE LANGE SIND AUFZEICHNUNGEN UND BELEGE (WIE) AUFZUBEWAHREN? Aufzeichnungen und sonstige Belege der Geldwäscheprüfung sind von Rechtsanwälten gem. § 8 IV 1 GwG i.V.m. § 56 I BRAO sechs Jahre aufzubewahren soweit Sie Teil der anwaltlichen Handakte sind, anderenfalls mindestens fünf Jahre und sofern gesetzliche Bestimmungen nicht eine längere Aufbewahrungsfrist vorsehen (§ 8 IV 2 GwG, z.B. bei Steuerunterlagen zehn Jahre). Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem das Mandat endet (§ 50 I 3 BRAO, § 8 IV 3 GwG). Die Aufzeichnungen können in Papierform oder digital auf einem Datenträger gespeichert werden. In letzterem Fall muss gem. § 8 III GwG sichergestellt werden, dass die gespeicherten Daten mit den festgestellten Angaben und Informationen übereinstimmen, diese während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb einer angemessenen Frist auf eigene Kosten lesbar gemacht werden können (§ 8 V GwG i.V.m. § 147 V AO). FAZIT Es ist wichtig, dass alle Informationen für alle Mitarbeitenden und die Kammern als Aufsichtsbehörden an einem zentralen Ort jederzeit ohne großen Aufwand verfügbar sind. Nach diesen suchen zu müssen, kostet wertvolle Zeit, die für die Bekämpfung der Geldwäsche entscheidend sein kann. Auch aus diesem Grund können Verstöße gegen die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht gem. § 56 I Nr. 6, Nr. 7 GwG empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. Das ist in jedem Fall vermeidbar und auch unnötig. Im Zweifel fragen Sie die für Sie zuständige Rechtsanwaltskammer um Rat, welche Unterlagen aufzubewahren sind. Viele Kammern bieten auf ihren Websites zudem Muster-Checklisten zur Dokumentation der Prüfung an. Auch die Auslegungs- und Anwendungshinweise der BRAK enthalten nähere Informationen zu den Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. WAS MÜSSEN SIE ALS VERPFLICHTETE/R NOCH BEACHTEN? ­ Darüber informieren die weiteren Beiträge des Autors unserer Serie zur Geldwäscheprävention: – Bluhm, Geldwäsche? Damit habe ich nichts zu tun – oder doch?, BRAK-Magazin 6/2021, 14 – Bluhm, Geldwäsche-Verdachtsmeldungen: Darf ich die als Anwältin oder Anwalt denn überhaupt abgeben?, BRAK-Magazin 2/2022, 14 – Bluhm, Die Geldwäsche-Risikoanalyse nach § 5 GwG: Das Herzstück des Risikomanagements, BRAK-Magazin 4/2022, 14 – Bluhm, Geldwäschebeauftragte: Pflicht, „nice to have“ oder überflüssig?, BRAK-Magazin 6/2022, 16 – Bluhm, Finde den Strohmann – So sichern Sie sich gegen Missbrauch und Geldwäscherisiken ab, BRAK-Magazin 2/2023, 16 – Bluhm, Augen auf bei Immobiliengeschäften!, BRAK-Magazin 4/2023, 16 – Bluhm, Auf zu goAML! Ab 2024 gilt die Registrierungspflicht im Meldeportal der FIU, BRAK-Magazin 6/2023, 16 – Bluhm, Geldwäscheaufsicht durch die Kammern, BRAK-Magazin 1-2/2024, 22

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BRAK MAGAZIN 4/2024 13 RECHTSSTAATLICHKEIT? STABIL! Deutschland im Rule of Law Index 2024 Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Sieben Jahre in Folge hat die Rechtsstaatlichkeit weltweit abgenommen. Das ist der ernüchternde Befund des Ende Oktober veröffentlichten Rule of Law Index 2024. Danach betrifft der Negativtrend mehr als die Hälfte der Staaten. Immerhin hat er sich aber im Vergleich zu den Vorjahren etwas abgeschwächt. Das liegt u.a. daran, dass in fast 60 % der Staaten die Korruption besser in Schach gehalten wird. Doch seit 2016 lassen sich in immer mehr Staaten autoritäre Trends beobachten, in über 80 % wurden Grundrechte schlechter geschützt und in 77 % rechtsstaatliche Kontrollmechanismen – Gerichte, Zivilgesellschaft und Medien – geschwächt. Schlusslichter sind hier Myanmar, Haiti, Afghanistan, Kambodscha und Venezuela. Am stärksten verbesserten sich Brasilien und Polen; sie arbeiten nach Regierungswechseln aktiv daran, wieder rechtsstaatlicher zu werden. DIE IDEE HINTER DEM INDEX Erstellt wird der Rule of Law Index jährlich durch das World Justice Project, eine unabhängige, gemeinnützige Organisation, die 2006 auf Initiative der American Bar Association gegründet wurde. Sie will u.a. durch Forschung und Publikationen das öffentliche Bewusstsein für die grundlegende Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit fördern. Der Index gibt Aufschluss über den Stand der Rechtsstaatlichkeit in 142 Staaten. Er basiert auf der Befragung von rund 214.000 Haushalten sowie 3.500 juristischen Praktikern und Experten. Mit den Daten des Index arbeiten weltweit politische Entscheider, zivilgesellschaftliche Organisationen, Forschende, aber auch Anwaltschaft und Justiz, um rechtsstaatliche Verbesserungen in ihren Staaten anzustoßen. WAS DER INDEX UNTERSUCHT Der Index ist als breit angelegtes Diagnosetool gedacht. Mit einer strengen Methodologie werden Lücken und Schwächen verschiedener Aspekte des Rechtsstaats sichtbar – und damit auch adressierbar. Untersucht werden acht Hauptaspekte: Regierungsmacht und Gewaltenteilung; Korruption; Zugang von Bürgerinnen und Bürgern zu Regierung, Verwaltung und Justiz; Grundrechte; Sicherheit und Ordnung; Effektivität der Rechtsdurchsetzung sowie Zivil- und Strafjustiz. Anhand von 44 Indikatoren werden diese weiter ausdifferenziert und deren Bewertungen sodann gerankt. Die Rankings bieten eine Einordnung im welt- und europaweiten bzw. einkommensmäßigen Vergleich. Eine höhere Platzierung bedeutet daher nicht per se eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Für die einzelnen Aspekte kann man jedoch auch detaillierte Bewertungen abrufen und nachvollziehen, wie sich hier einzelne Staaten im Laufe der Jahre entwickelt haben. DEUTSCHLAND STABIL? Global gesehen gehört Deutschland seit Jahren zu den Spitzenreitern im Rule of Law Index. Regelmäßig belegt es den fünften oder sechsten Platz. Auch im 2024er Index ist Deutschland welt- und europaweit auf Platz 5, hinter Dauer-Sieger Dänemark sowie Norwegen, Finnland und Schweden. Allerdings erzielte Deutschland einen um knapp 1 % geringeren Gesamtindex als im Vorjahr. Stabil zeigt es sich z.B. bei der Regierungsmacht oder dem Grundrechtsschutz. Im Bereich Korruptionsbekämpfung und in der Strafjustiz verbesserte es sich sogar leicht, verlor aber bei der Einschränkung staatlicher Befugnisse. Im Bereich Ziviljustiz fiel Deutschland von Platz 4 im Vorjahr auf Platz 5 und verschlechterte sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich; es erzielt aber einen Spitzenwert bei der Unabhängigkeit der Zivilgerichte. Im Strafrecht ist Platz 5 hingegen ein Aufstieg um einen Platz. Ob es aber auch beim Teilaspekt schnelle und effektive Strafverfolgung bei einem so guten Wert bleibt, darf bezweifelt werden. Denn der bereits jetzt herrschende Personalmangel in Gerichten und Staatsanwaltschaften wird sich durch demographische Faktoren in den nächsten Jahren verstärken. Ausruhen sollte man sich auf der guten Platzierung also nicht.

BRAK MAGAZIN 4/2024 14 TRANSPARENTE STUNDENHONORARE – GEHT DAS NOCH? Ein Urteil des EuGH sorgt für Unsicherheit, wie Anwältinnen und Anwälte wirksame Stundensätze mit ihren Mandanten vereinbaren können. Die Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern haben zur Einhaltung der Transparenzanforderungen des EuGH Thesen für die anwaltliche Praxis aufgestellt. Rechtsanwalt und Notar Dr. Wulf Albach, Darmstadt / Rechtsanwältin Jennifer Witte, Berlin* Nachdem sich die Gebührenreferentinnen und -referenten bereits bei ihrer 82. Tagung am 29.4.2023 in Dortmund eingehend mit dem Urteil des EuGH vom 12.1.2023 in der Rechtssache C-395/21 zum Transparenzgebot bei einer Zeitaufwandsklausel befasst hatten, war es erneut Thema bei ihrer 84. Tagung am 6.4.2024 in Stuttgart (s. auch die Anm. von Kunze, BRAK-Mitt. 2023, 173; Hinne, BRAKMitt. 2023,153 und BRAK-Mitt. 2024, 141). Grund dafür sind die problematischen Entwicklungen für die Anwaltschaft in der Praxis. Denn einige Rechtsschutzversicherungen nehmen Anwältinnen und Anwälte in Regress mit der Begründung, ihre geschlossene Vergütungsvereinbarung sei aufgrund des EuGH-Urteils wegen mangelnder Transparenz unwirksam. DAS EUGH-URTEIL IN ALLER KÜRZE Der zugrundeliegende Fall spielt in Litauen. Ein litauischer Anwalt hatte mit einem Verbraucher einen Stundensatz von 100 Euro vereinbart. Die Vergütungsvereinbarung enthielt weder eine Schätzung über die entstehenden Kosten noch Regelungen über eine regelmäßige Abrechnung. Nach Auffassung des EuGH war diese verwendete Klausel i.S.v. Art. 4 II der Richtlinie 93/13/EWG nicht transparent, da sie nicht klar und verständlich sei. Denn dem Verbraucher müssten vor Vertragsschluss die Informationen erteilt werden, die ihn in die Lage versetzten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen. Dies war laut EuGH hier nicht der Fall, wobei aber nach europäischem Recht allein die Intransparenz einer Klausel nur ein Umstand ist, der zu deren Missbräuchlichkeit (also Unwirksamkeit) führen kann. Letzteres sei unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen, wobei jedoch das nationale Recht ein höheres Schutzniveau vorsehen könne. Dies ist nach litauischem Recht der Fall: Dort sind Klauseln, die dem Transparenzerfordernis nicht genügen, allein deshalb unwirksam, sodass der Anwalt keine Vergütung erhielt. ERSTE NATIONALE RECHTSPRECHUNG Das OLG Köln, Teilurteil vom 12.4.2023 – 11 U 218/19, hält es im Hinblick auf das EuGH-Urteil für ausreichend, in der Vergütungsvereinbarung eine Kostenuntergrenze in Form der gesetzlichen RVG-Gebühren als Mindesthöhe vorzugeben. Die gesetzlichen Gebühren böten Verbrauchern eine grobe Orientierung für die Größenordnung der Gesamtkosten. Daher sei eine Klausel, die als Untergrenze die gesetzliche Vergütung vorsehe, nicht nach § 307 I 2, III BGB als intransparent zu beurteilen. Das OLG Bamberg griff in seinem Urteil vom 15.6.2023 – 12 U 89/22 ebenfalls die Rechtsprechung des EuGH auf und unterstrich, dass nach § 307 I 2 i.V.m. § 310 III Nr. 3 BGB bei der Frage eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot bei Verbraucherverträgen, die einer Inhaltskontrolle unterzogen werden, alle maßgeblichen Gesamtumstände bei Vertragsschluss zu berücksichtigen seien. Insofern müsse eine Gesamtwertung vorgenommen werden, in die auch besondere Kenntnisse und Fähigkeiten des Vertragspartners einzubeziehen seien, die das Gericht im konkreten Fall anFoto: jaturonoofer/shutterstock.com * Wulf Albach ist Vorsitzender der Tagung der Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern und Mitglied im Ausschuss Rechtsanwaltsvergütung der BRAK. Jennifer Witte ist Referentin der BRAK-Geschäftsführung u.a. für Gebührenrecht.

BRAK MAGAZIN 4/2024 15 nahm. Anders als das litauische Recht sehe das deutsche Recht kein erhöhtes Schutzniveau vor, so dass eine Gesamtabwägung aller Umstände des Vertragsschlusses nach § 310 III Nr. 3 BGB vorzunehmen sei. WAS MEINEN DIE GEBÜHRENREFERENTINNEN UND -REFERENTEN? Vor diesem Hintergrund haben die Gebührenreferentinnen und -referenten folgende Thesen als Hilfestellung für die anwaltliche Praxis beschlossen: – Der Verbraucher muss in die Lage versetzt werden, die sich für ihn aus der Stundenlohnvereinbarung ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien einzuschätzen (EuGH, a.a.O. Rn. 37). Dies kann durch eine Schätzung der erforderlichen Stunden oder die Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen abzurechnen, erreicht werden (EuGH, a.a.O. Rn. 44). Die vom EuGH eben genannten Möglichkeiten sind aber nicht abschließend zu verstehen, Transparenz kann auch auf andere Weise geschaffen werden (OLG Köln, a.a.O. Rn. 49). – Allerdings ist es für den Rechtsanwalt „schwer, wenn nicht sogar unmöglich, bei Vertragsschluss vorherzusehen, wie viele Stunden genau erforderlich sind“ (EuGH, a.a.O. Rn. 41). Deshalb muss der Verbraucher jedenfalls in die Lage versetzt werden, die „Größenordnung“ der Kosten einzuschätzen, etwa durch eine Schätzung der mindestens erforderlichen Stunden (EuGH, a.a.O. Rn. 44). Für die Festlegung des Mindestaufwands reicht es auch aus, wenn mindestens die gesetzliche Vergütung nach dem RVG als Untergrenze des Aufwandes vereinbart wird (OLG Köln, a.a.O. Rn. 49). – Ist eine Klausel wegen fehlender Angaben zum voraussichtlichen Aufwand nicht transparent, ist sie in Deutschland allein deshalb jedoch nicht unwirksam. Denn eine Klausel ist grundsätzlich nicht allein deshalb missbräuchlich und damit nichtig, wenn sie dem Transparenzerfordernis (Art. 4 II RL 93/13/EWG) nicht entspricht (EuGH, a.a.O. Rn. 49, Urteilstenor 3.). Eine Nichtigkeit allein wegen Intransparenz tritt nur ein, wenn der betreffende Mitgliedstaat ein höheres Schutzniveau als die Richtlinie 93/13 vorsieht. Dies ist für die Regelungen des BGB in Deutschland nicht der Fall (OLG Bamberg, a.a.O. Rn. 76). – Die Wirksamkeit einer intransparenten Klausel ist demgemäß durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Vertragsschlusses zu prüfen. Hierbei sind auch die Kenntnisse und Fähigkeiten des Vertragspartners zu berücksichtigen (OLG Bamberg, a.a.O. Rn. 79). Sind auf Verbraucherseite mehrere Beteiligte vorhanden, ist ein besonderes Fachwissen eines Beteiligten den anderen Beteiligten nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB zuzurechnen (OLG Bamberg, a.a.O. Rn. 81). Dies gilt auch für die in der Praxis häufigen Fälle, in denen ein Rechtschutzversicherer bei der Aushandlung der (Stunden-) Gebührenvereinbarung beteiligt war. Hier ist dem Verbraucher das hohe Fachwissen des Rechtschutzversicherers nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB zuzurechnen. – Ist eine Vereinbarung über Stundenhonorar unter Berücksichtigung aller Umstände unwirksam, kann das Gericht die rechtliche Lage wiederherstellen, in der sich der Verbraucher ohne die Vereinbarung befunden hätte. Es kann allerdings nicht selbst bestimmen, welche Vergütung für die schon erbrachten Dienstleistungen angemessen ist (EuGH, a.a.O., Urteilstenor 4). Für Deutschland bedeutet dies, dass das Gericht unter Wiederherstellung der ohne eine Stundenhonorarvereinbarung bestehenden Lage die gesetzlichen Gebührenvorschriften anwenden kann und muss. WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE PRAXIS? Die Gebührenreferentinnen und -referenten raten Anwältinnen und Anwälten dringend, vorsorglich in regelmäßigen Abständen abzurechnen sowie den zu erwartenden Arbeitsaufwand mit der Mandantschaft immer wieder zu besprechen, hinreichend zu begründen und die Hinweise zu dokumentieren. DIE TAGUNG DER GEBÜHRENREFERENTINNEN UND -REFERENTEN Die Rechtsanwaltskammern haben u.a. die Aufgabe, auf Anfrage von Gerichten Gutachten zu erstatten (§ 73 II Nr. 8 BRAO). Hierzu zählen insbesondere gebührenrechtliche Gutachten, die im Rahmen von Streitigkeiten um anwaltliches Honorar angefordert werden. Jede der 28 Rechtanwaltskammern richtet dazu aus dem Kreis ihrer Vorstandsmitglieder eine Gebührenabteilung ein. Die Vorsitzenden der Gebührenabteilungen kommen regelmäßig zusammen, um sich zu aktuellen gebührenrechtlichen Fragen auszutauschen.

BRAK MAGAZIN 4/2024 16 10 FRAGEN ZUM VERMITTLUNGSVERFAHREN DURCH DEN KAMMERVORSTAND Rechtsanwältin Ulrike Paul, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Stuttgart Die Vorstände der Rechtsanwaltskammern sind für die konsensuale Streitbeilegung zum einen zwischen ihren Mitgliedern, zum andern zwischen Mitgliedern und deren Auftraggebern zuständig. Nach § 73 I, II Nr. 2 BRAO ist der Vorstand für die Vermittlung von Streitigkeiten unter den Mitgliedern – einschließlich der Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten – zuständig. Nach § 73 I, II Nr. 3 BRAO gilt dasselbe bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und deren Auftraggebern. Diese Alternative hat durch die Einrichtung der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft an Bedeutung verloren. 1. WAS IST EINE VERMITTLUNG NACH § 73 BRAO? Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer wird auf Antrag und nicht von Amts wegen tätig. Es genügt der Antrag einer Seite, um gegenüber der anderen Seite die Möglichkeiten einer Vermittlung zu erfragen. Dabei gibt es keine Formerfordernisse, es muss nur eine Seite den Wunsch äußern, die Kammer als Vermittlerin einzuschalten. Für beide Seiten ist die Teilnahme an einem Vermittlungsversuch des Vorstands freiwillig. Wenn daher eine Seite eine Vermittlung ablehnt, ist diese bereits gescheitert. Weitere Zulässigkeitserfordernisse gibt es nicht. 2. WER IST VERMITTLER? Durch die Einordnung in § 73 BRAO ist Vermittler grundsätzlich der Vorstand der Rechtsanwaltskammer. Dieser wird in seinem Geschäftsverteilungsplan die zuständigen Mitglieder für Vermittlungen festlegen. Und zwar zum einen für die Vermittlung zwischen Rechtsanwälten, zum anderen für die Vermittlungen zwischen Rechtsanwälten und deren Auftraggebern. 3. WELCHE VERFAHRENSARTEN GIBT ES? Es gibt die Vermittlungsverfahren zwischen Anwälten und die Vermittlungsverfahren zwischen Anwälten und deren Auftraggeber. Voraussetzungen für beide Verfahren ist ein Antrag. Bei Vermittlungsverfahren zwischen Anwälten gilt, dass diese nur stattfinden, wenn beide Seiten mit der Durchführung des Vermittlungsverfahrens einverstanden sind. Bei Streitigkeiten zwischen Anwälten und ihren Mandanten gilt, dass ein Vermittlungsverfahren gegen den Anwalt auch ohne die Zustimmung des Anwalts eingeleitet wird. Allerdings ist der Schlichtungsvorschlag nur dann verbindlich, wenn er von beiden Seiten, also auch von Seiten des Anwalts angenommen wird (vgl. § 73 V BRAO). 4. WIE WIRD DAS VERMITTLUNGSVERFAHREN DURCHGEFÜHRT? Über die Ausgestaltung der Vermittlung entscheidet grundsätzlich der Vermittler. Die Durchführung eines Vermittlungsgesprächs und das persönliche Erscheinen des Antragsgegners soll dann angeordnet werden, wenn der Vermittler nach Prüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommt, dass durch ein Vermittlungsgespräch in Anwesenheit des Anwalts eine Einigung gefördert werden kann. Gemäß § 56 II BRAO hat der Rechtsanwalt im Vermittlungsverfahren der Rechtsanwaltskammer auf Verlangen vor dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer oder einem beauftragten Mitglied des Vorstands zu erscheinen. Erscheint der Anwalt nicht, kann dies berufsrechtlich sanktioniert werden. Der Vermittler ist bei seiner Tätigkeit jedoch weitgehend frei. Er kann alle Möglichkeiten konsensualer Konfliktbeilegung ausschöpfen, insbesondere schriftlich oder telefonisch mit den Parteien verhandeln, Einzelgespräche führen usw. Die Vermittlungsvorschläge sollen die rechtlichen Aspekte berücksichtigen. Sie können aber auch alle anderen Aspekte, die in irgendeiner Form mit der Sache zu tun haben, berücksichtigen. Oft ist es schon ein Erfolg der Vermittlungstätigkeit, wenn die Streitparteien wieder ins Gespräch miteinander kommen, da häufig Streitigkeiten aus Kommunikationsdefiziten zwischen den Parteien resultieren. Bisweilen hilft es schon, wenn der Vermittler dem Antragsteller erläutert, warum der Anwalt so abgerechnet hat. Auch Vermittlungen unter Anwälten sind bisweilen deshalb erfolgversprechend, weil die Parteien über den Vermittler ins Gespräch miteinander kommen und so konsensuale Lösungen erzielt werden Foto: BlueBoeing/shutterstock.com

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