BRAK-Magazin Ausgabe 3/2024

AUGUST 2024 · AUSGABE 3/2024 BLICK IN DEN MASCHINENRAUM SO FUNKTIONIERT DIE BRAK-HAUPTVERSAMMLUNG Reform der Juristenausbildung – im Gespräch mit der Anwaltschaft Verbraucherschlichtung: Was sie Anwält:innen und Mandant:innen bringt STAR-Bericht: Einkommensunterschiede zwischen Anwältinnen und Anwälten Foto: Smart Design/shutterstock.com

Fleischer / Hüttemann Rechtshandbuch Unternehmensbewertung. Herausgegeben von Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Dr. h.c. Holger Fleischer, LL.M. Dipl.-Kfm., Prof. Dr. iur. Rainer Hüttemann, Dipl. Volksw. Bearbeitet von 30 namhaften Autorinnen und Autoren aus juristischer und ökonomischer Wissenschaft und Praxis sowie der Justiz. 3. neubearbeitete und erweiterte Auflage 2024, 1.790 Seiten, gbd., 229 €. ISBN 978-3-504-45562-0 Das Werk online otto-schmidt.de/akgr juris.de/hgrprem Der innere Wert entscheidet. Dieses Rechtshandbuch vermittelt einen ganzheitlichen Zugang zu allen rechtlich geprägten Aspekten der Unternehmensbewertung. Es erläutert die Bewertungsmethoden, praxisrelevante Querschnittsfragen sowie die konkreten Bewertungsanlässe in allen relevanten Rechtsgebieten. Auch verfahrensrechtliche Aspekte und internationale Bezüge werden behandelt. Die Neuauflage enthält neue Kapitel zur Unternehmensbewertung im Staatshaftungsrecht und bei Start Ups sowie zu Bagatellgrenzen bei der Abfindungsbemessung. Sie erläutert die durch das MoPeG neu gefasste Bewertungsvorschrift für Personengesellschaften und GmbH, ist um einen Abschnitt zur Restrukturierung erweitert worden und verarbeitet eine Vielzahl neuerer Entscheidungen. Informationen, Leseprobe und Bestellung: otto-schmidt.de Mit MoPeG, Bewertung von Start-Ups und im Staatshaftungsrecht

IMPRESSUM Bundesrechtsanwaltskammer – Körperschaft des öffentlichen Rechts, Littenstraße 9, 10179 Berlin Redaktion: Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (verantwortlich) Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln (ausführliches Impressum unter www.brak.de/zeitschriften) EDITORIAL BEDENKLICHE SCHRUMPFUNGEN Weniger Jura-Absolvent:innen und weniger (niedergelassene) Anwält:innen reißen absehbar eine Lücke. Für den Zugang zum Recht wird das zum Problem. Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Auf den ersten Blick sieht sie ganz gut aus, die aktuelle Mitgliederstatistik der BRAK: Im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten die Rechtsanwaltskammern knapp 2 % mehr Mitglieder. Doch dahinter offenbart sich eine höchst bedenkliche Entwicklung für die klassische anwaltliche Versorgung und den Zugang zum Recht. Zuerst sollte man sich klarmachen, dass die jetzige Entwicklung sich vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Zahl potenzieller neuer Anwältinnen und Anwälte abspielt. Die Zahl an erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen beider juristischer Examina ist in den vergangenen Jahren gesunken. Auch die Erstsemester-Zahlen in Jura gehen zurück. Aktuelle Untersuchungen lassen erkennen, dass das nicht an mangelndem Interesse an juristischen Studienfächern an sich liegt. Alternative juristische Abschlüsse werden immer beliebter, etwa Informationsrecht oder Wirtschaftsrecht. Diese praxisorientierteren Abschlüsse an Hochschulen für angewandte Wissenschaft haben sich bei den Unternehmen etabliert, es braucht eben für vieles juristisches Know-How, aber keine zwei (Staats-)Examina. Und zum anderen wirken die unbestreitbaren Schwächen der volljuristischen Ausbildung abschreckend – nicht umsonst würde laut einer aktuellen Befragung nur ein Drittel der Absolventen das Jurastudium weiterempfehlen. Die Justizministerkonferenz sieht gleichwohl – und völlig unverständlich für viele – keinen grundlegenden Reformbedarf. Das „Hamburger Protokoll“ will dem etwas entgegensetzen; darüber berichtet Kristina Trierweiler in diesem Heft. Dass für alle volljuristischen Berufe immer weniger Nachwuchs kommen wird, ist also absehbar. Ebenso absehbar gehen viele Berufsträger der„Boomer-Jahrgänge“ in Anwaltschaft und Justiz in den nächsten Jahren in Rente. Damit ist eine Lücke vorprogrammiert. Doch die (immer weniger) Jurist:innen mit zwei Examina wollen nicht automatisch Anwältin oder Anwalt werden. Im Konkurrenzkampf um den juristischen Nachwuchs muss sich der Anwaltsberuf also als attraktive Option behaupten. Der Mitgliederzuwachs der Rechtsanwaltskammern (dazu im Detail Jennifer Witte, BRAK-Mitt. 2024, 122) darf darüber nicht hinwegtäuschen. Denn ein genauerer Blick zeigt: Den größten Anteil daran haben die seit dem 1.8.2022 zulassungspflichtigen Berufsausübungsgesellschaften und ihre nicht-anwaltlichen Organmitglieder. Um letztere dürfte sich die Statistik ohnehin wieder bereinigen, weil der Gesetzgeber doppelte Kammermitgliedschaften nicht-­ anwaltlicher Organmitglieder nunmehr unterbinden will. Die Zahl der Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte stieg zwar insgesamt geringfügig (+0,36 %). Doch dieser Anstieg verteilt sich lediglich auf neun Kammern (die übrigen verzeichnen Rückgänge) und liegt vor allem am deutlichen Zuwachs an Syndikus- und Doppelzulassungen. Diese sind besonders bei Frauen beliebt (knapp 60 % der reinen Syndizi sind weiblich), deren Anteil an der Anwaltschaft ebenfalls weiter auf nun rund 37 % gestiegen ist. Bei der klassischen Anwaltszulassung hingegen setzt sich der Abwärtstrend mit –0,8 % fort. Am stärksten trifft das die ostdeutschen Kammern. Ist dies noch ein Verlagerungseffekt nach Einführung der Syndikuszulassung oder manifestieren sich hier der Trend zum gesicherten Anstellungsverhältnis und schwindendes Interesse am klassischen Anwaltsberuf? Das bliebe näher zu untersuchen. Klar ist, dass sich die skizzierten Entwicklungen auf den Rechtsstaat auswirken werden. Wo weniger Anwält:innen sind, ist auch weniger Zugang zum Recht und erleben weniger Menschen unseren Rechtsstaat ganz greifbar. Dem gegenzusteuern und mehr junge Menschen nicht nur für den Anwaltsberuf, sondern auch für eigene unternehmerische Verantwortung in einer Kanzlei zu interessieren, geht uns alle an. Foto: Oliver Hurst

BRAK MAGAZIN 3/2024 4 EIN BLICK IN DEN MASCHINENRAUM So funktioniert die BRAK-Hauptversammlung Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Die Kammern lehnen den Vorschlag einer anlasslosen Kontrolle anwaltlicher Sammelanderkonten einhellig und strikt ab. So heißt es in einem Bericht aus der BRAK-Hauptversammlung in Warnemünde Ende April. Doch wie kommt es eigentlich dazu, dass die Hauptversammlung so etwas zu einem aktuellen Gesetzesvorhaben verlautbaren lassen kann? Für die meisten Anwältinnen und Anwälte ist „die BRAK“ etwas recht abstraktes und „BRAK-Hauptversammlung“ klingt wenig greifbar. Klar kann man sich als Juristin oder Jurist ungefähr etwas unter einer Hauptversammlung vorstellen – aber mit der anwaltlichen Selbstverwaltung hat man schließlich im Alltag kaum zu tun. Was passiert also wirklich in einer BRAK-HV? ERSTE ANNÄHERUNG Beginnen wir, wie Juristen klassischerweise beginnen: mit einer Begriffsklärung. Nach § 187 BRAO fasst die BRAK ihre Beschlüsse regelmäßig auf Versammlungen ihrer Mitglieder – den Hauptversammlungen (oder kurz: HVen). Die Hauptversammlung kommt in der Regel zweimal jährlich zusammen, so sieht es die Satzung der BRAK (§ 8 I) vor. Damit ist vorgezeichnet, dass der Hauptversammlung die wesentliche Willens- und Meinungsbildung der BRAK vorbehalten ist, zu Fragen, die die Gesamtheit der Rechtsanwaltskammern und der Anwaltschaft berühren. Die HV setzt also die Richtlinien der Berufspolitik und beschließt über grundlegende Fragen wie z.B. Beiträge und den Haushalt. Und sie wählt das Präsidium. Das Alltagsgeschäft erledigt das BRAK-Präsidium. Es setzt die Beschlüsse der HV um (die sich übrigens bereits im Herbst 2023 mit großer Mehrheit gegen anlasslose Kontrollen von Sammelanderkonten durch die Kammern aussprach) und wird dabei von der Geschäftsführung und den Fachausschüssen der BRAK unterstützt. Diese bereiten für das Präsidium Gutachten und Stellungnahmen insbesondere zu Gesetzgebungsvorhaben vor. WER IST DIE HV? Die BRAK ist der Zusammenschluss der Rechtsanwaltskammern (§ 175 I BRAO), sie bildet also deren Dachorganisation und vertritt sie gegenüber Behörden und Organisationen. Das spiegelt sich im Katalog ihrer gesetzlichen Aufgaben in § 177 BRAO. Historisch gab es erstmals in der Weimarer Zeit eine Reichs-Rechtsanwaltskammer als kammerübergreifende Institution. Sie wurde 1935 unter den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und zu einer hierarchischen, der NS-Politik verpflichteten Organisation umgebaut. Zu deren Rolle hat die BRAK eine rechtshistorische Studie in Auftrag gegeben, die im Herbst 2024 vorgestellt werden wird. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes kooperierten die Kammern zunächst in der „Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet“, die als GbR organisiert war. Erst im Jahr 1959, mit dem Inkrafttreten der BRAO, wurde die Bundesrechtsanwaltskammer eingesetzt, die bewusst als Bindeglied zwischen ihren Mitgliedern – den Rechtsanwaltskammern – konzipiert ist und deren Entscheidungsträger und Entscheidungen demokratisch legitimiert sind. Die Frage, wer die HV ist, lässt sich also ganz kurz beantworten: die Kammern. WER GIBT DER KAMMER IHRE STIMME? Damit die Kammern in der BRAK-HV abstimmen können, müssen sie sich erst einmal selbst eine Meinung zu den Themen bilden, die auf der Tagesordnung stehen. Um im eingangs erwähnten Beispiel zu bleiben: Über den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen, in dem auch die anlasslose Kontrolle von Sammelanderkonten durch die Kammern in § 73a BRAO-E enthalten war, haben die Kammern in ihren Vorständen diskutiert. Über das Gesetzesvorhaben wurden sie durch die BRAK informiert, die im Rahmen der Verbändebeteiligung durch das BundesjustizministeFoto: Smart Design/shutterstock.com

BRAK MAGAZIN 3/2024 5 rium eingebunden wurde und die Stimmen der Kammern dazu später in einer Stellungnahme bündelte. Dem Vernehmen nach schlug § 73a BRAO-E hohe Wellen in den Kammern – schließlich sind sie keine Geldwäsche-Ermittlungsbehörden und anlasslose Kontrollen der Sammelanderkonten würden einen immensen Zusatzaufwand bedeuten, der personell vor allem für kleinere Kammern kaum zu stemmen ist. Und ganz konkret hieße § 73a BRAO-E, dass man – ohne ein geldwäscheverdächtiges Geschäft als Anlass – als von den Kolleginnen und Kollegen gewähltes Mitglied eines Kammervorstands bei eben diesen in der Kanzlei stehen und deren Konten und Akten durchforsten müsste. Letztlich stimmt der Kammervorstand über seine Position zu der jeweiligen Frage ab. Die so gefundene Position der Kammer vertritt ihre Präsidentin oder ihr Präsident in der Hauptversammlung (§ 188 I BRAO). Eine Vertretung durch ein anderes Vorstandsmitglied ist dabei möglich. Bei kontroversen Fragen kam es auch schon vor, dass ein Präsident (oder seine Vertretung) in der HV vorträgt, sein Vorstand habe mehrheitlich XY beschlossen, er persönlich sehe das aber anders. Bei der anlasslosen Kontrolle von Sammelanderkonten war die Ablehnung jedoch völlig einhellig. Die Präsidentinnen und Präsidenten werden in der HV üblicherweise durch ein Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung ihrer Kammer unterstützt, damit die Kammer in allen inhaltlichen Fragen möglichst gut sprechfähig ist. Zu manchen Themen erläutert also z.B. die Hauptgeschäftsführerin einer Kammer deren inhaltliche Position in der HV. Abstimmen darf sie natürlich nicht, das ist Präsident(inn)ensache. DIE STIMMEN IN DER HV Wie viele Stimmen eine Kammer in der Hauptversammlung hat, hängt von der Zahl ihrer Mitglieder ab. § 190 I BRAO regelt, wie die Stimmen genau gewichtet werden. Als kleinste Kammer hat die Rechtsanwaltskammer beim BGH danach eine Stimme, die Rechtsanwaltskammer München mit ihren über 24.000 Mitgliedern hat neun Stimmen, die übrigen Kammern bewegen sich irgendwo dazwischen. Das bedeutet aber nicht, dass z.B. die Präsidentin der Kammer Stuttgart bei einer Abstimmung fünfmal die Hand hebt. Ein elektronisches Wahlsystem rechnet die Abstimmungsergebnisse entsprechend der Stimmgewichtung aus. Dass größere Kammern mehr Stimmen haben, war nicht immer so. Das Stimmrecht in der HV wurde zum 1.8.2022 im Rahmen der „großen BRAO-­ Reform“ umfassend reformiert. Zuvor hatte jede Kammer genau eine Stimme. Im Gesetzgebungsverfahren – und auch in der BRAK-HV – wurde diese Änderung teils hitzig diskutiert. Inzwischen haben sich die gewichteten Abstimmungen in der Praxis eingespielt. WO IST DIE HV? Die Frage, wo die BRAK-HV stattfindet, lässt sich typisch juristisch beantworten: Kommt drauf an. § 8 II der BRAK-Satzung erlaubt, die Sitzungen auch an einem anderen Ort als am Sitz der BRAK abzuhalten. Es ist gute Tradition, dass die Kammern reihum die Hauptversammlungen ausrichten. So verteilen sich Kosten und organisatorischer Aufwand. Denn so eine Sitzung, an der neben zwei bis drei Personen aus jeder Kammer auch das BRAK-Präsidium sowie zu dessen Unterstützung auch Mitglieder der Geschäftsführung teilnehmen, will natürlich auch räumlich untergebracht, beschallt und mit Kaffee versorgt werden. Für die Geschäftsstellen der ausrichtenden Kammern bedeutet das jede Menge Arbeit. Welche Kammern die nächsten HVen ausrichten, wird deshalb mit langem Vorlauf geplant. Für die Frühjahrs-HV 2024 war die Kammer Mecklenburg-Vorpommern an der Reihe und lud nach Warnemünde – übrigens noch ein Vorteil der rollierenden Organisation: Jeder muss mal länger, mal kürzer anreisen. Außerhalb der halbjährlichen Hauptversammlungen gibt es anlassbezogen mindestens zweimal jährlich sog. Präsidentenkonferenzen, an denen nur die Kammerpräsidentinnen und -präsidenten teilnehmen. Auf deren Tagesordnungen finden sich meist nur wenige Punkte, die nicht bis zur nächsten regulären HV warten können. Diese „abgespeckten HVen“ finden regelmäßig in den Räumen der BRAK in Berlin statt. SCHALTZENTRALE Hinter einer BRAK-HV steckt einiges an Vorbereitung. Die Tagesordnung stellt das BRAK-Präsidium zusammen. Die Themen dafür werden im Vorfeld in Präsidiumssitzungen besprochen; dazu bedarf es, je nach Thema, inhaltlicher Vorarbeit durch die Fachausschüsse und die Geschäftsführung. Auch die Rechtsanwaltskammern können Punkte für die Tagesordnung vorschlagen. In unserem Sammelanderkonten-Beispiel waren etwa die BRAK-Ausschüsse BRAO und Geldwäscheprävention im Vorfeld involviert, ebenso die zuständigen Präsidiumsmitglieder André Haug (Berufsrecht) und Leonora Holling (Geldwäscheprävention). Die inhaltlichen Fäden laufen bei den zuständigen Geschäftsführungsmitgliedern Christian Dahns (Berufsrecht), Christian Bluhm (Geldwäscheprävention) und Astrid Gamisch (europäische Anti-Geldwäsche-Politik) zusammen. Sie koordinieren u.a. die Abfassung der Stellungnahme zu dem Gesetzesvorhaben und organisieren, wer die BRAK als Exper-

BRAK MAGAZIN 3/2024 6 tin oder Experte in der vom Bundestags-Rechtsausschuss angesetzten Anhörung vertritt – in diesem Fall: BRAK-Vizepräsident André Haug. Mit der Einladung zur HV, die mindestens drei Wochen vor der Sitzung erfolgen muss (§ 189 III BRAO), wird auch die Tagesordnung versendet – schließlich müssen die Kammern sich vorbereiten und ihre Positionen abstimmen können. Und zu guter Letzt muss natürlich die Durchführung der Sitzung an sich vorbereitet werden, also der Sitzungssaal, die Berichte (z.B. aus der Anhörung im Rechtsausschuss zwei Tage vor der HV), Vorträge und Präsentationen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten, das Abstimmungstool und der Dinge mehr. Hier kommt wieder die BRAK-Geschäftsführung ins Spiel. Sie sorgt für einen reibungslosen Ablauf der Sitzung und für ihre Nachbereitung. MITTENDRIN IM GESCHEHEN Szenenwechsel: Es ist der 26.4.2024, morgens, in einem großen Tagungshotel in Warnemünde. Bereits am Vorabend sind die meisten Kammerpräsidentinnen und -präsidenten mit ihren begleitenden Vorstands- oder Geschäftsführungsmitgliedern angereist. Vor der Sitzung das übliche Gewusel: Leute begrüßen, Sitzplatz suchen, noch schnell einen Kaffee holen… Und dann geht es los. BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels tritt ans Mikrofon, das Stimmengewirr im Saal verstummt. Nach den üblichen Sitzungsformalia berichtet er über die jüngsten berufspolitischen Aktivitäten der BRAK und das aktuelle gesetzgeberische Geschehen. Dabei ging es u.a. um die Resilienz unseres Rechtsstaats, um Überlegungen des Bundesjustizministeriums, die möglicherweise in weitere Änderungen der BRAO münden könnten, und um das beim EuGH anhängige Vorlageverfahren zum Fremdbesitzverbot. Auf der Tagesordnung standen (wie bei jeder Frühjahrs-HV) der Haushalt und (wie meist) ein Bericht zum aktuellen Stand von elektronischem Rechtsverkehr und beA. Über den Entwurf für das Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen und vor allem die geplanten anlasslosen Kontrollen von Sammelanderkonten wurde heftig diskutiert. Intensiv fiel auch die Debatte zum Thema Rechtsanwaltsfachangestellte aus. BRAK-Vizepräsidentin Sabine Fuhrmann eröffnete mit einer Bestandsaufnahme zur ReFa-Ausbildung. Am Ende waren die Kammern sich einig, dass sie sich enger vernetzen und austauschen müssen, um dem zunehmenden Fachkräftemangel gemeinsam entgegenzuwirken. Und dass dazu auch Anwältinnen und Anwälte mit anpacken müssen. NACHKLAPP Die in Warnemünde von der HV ins Leben gerufene Rechtsanwaltskammer-Arbeitsgemeinschaft zur ReFa-Ausbildung hat sich inzwischen, koordiniert durch die BRAK, zweimal (virtuell) getroffen und hat bereits einige Punkte identifiziert, an denen die Kammern gemeinsam arbeiten wollen. Nach Protesten durch BRAK und Kammern und Kritik von Expertinnen und Experten in der Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses wurde der geplante § 73a BRAO aus dem Regierungsentwurf gestrichen. Der Bundestag beschloss das Gesetz zur Regelung virtueller und hybrider Kammerversammlungen Anfang Juli ohne diese Regelung. Das heißt freilich nicht, dass eine anlasslose Überprüfung von Sammelanderkonten durch die Kammern damit endgültig vom Tisch ist; sie könnte im Herbst im Rahmen eines anderen Gesetzgebungsverfahrens wieder auftauchen. Damit wird sich dann die nächste Hauptversammlung zu befassen haben. Foto: Dontree_M/shutterstock.com

Die Jahresarbeitstagungen geben einen fundierten Überblick im jeweiligen Gebiet. Prominente Vertreterinnen und Vertreter aus Anwaltschaft, Gerichtsbarkeit und Wissenschaft erörtern die aktuell diskutierten Fragenkomplexe der Praxis vor dem Hintergrund sich ständig wandelnder Rechtsprechung und Gesetzgebung. . Jahresarbeitstagung Erbrecht ƒ„.– ƒ†.‡ˆ.ƒ‡ƒ‰ · Live-Stream/Berlin (Nr. ”‰‰”‰•) ”‡ Zeitstunden – § ”• FAO Kostenbeitrag: œˆ•,– € (USt.-befreit) Paketpreis: ˆ¡•,– € (USt.-befreit) mit dem „Fortbildungsplus zur ”œ. Jahresarbeitstagung Erbrecht“ (ƒœ.‡ˆ.ƒ‡ƒ‰) . Jahresarbeitstagung Bau- und Architektenrecht ””.– ”ƒ.”‡.ƒ‡ƒ‰ · Live-Stream/Berlin (Nr. ”œ‰”†”) ”‡ Zeitstunden – § ”• FAO Kostenbeitrag: œ„•,– € (USt.-befreit) Paketpreis: †ˆ•,– € (USt.-befreit) mit dem Fortbildungsplus „Aktuelles Baurecht spezial ƒ‡ƒ‰“ (”‡.”‡.ƒ‡ƒ‰) . Jahresarbeitstagung Praxis des Internationalen Steuerrechts ‡‰.– ‡•.””.ƒ‡ƒ‰ · Live-Stream/Frankfurt am Main (Nr. ‡•‰ƒ„ƒ) ”‰ Zeitstunden – § ”• FAO Kostenbeitrag: †ˆ•,– € (USt.-befreit) . Jahresarbeitstagung Arbeitsrecht ‡†.– ‡ˆ.””.ƒ‡ƒ‰ · Live-Stream/Köln (Nr. ‡”‰‰†‰) ”‡ Zeitstunden – § ”• FAO Kostenbeitrag: •„•,– € (USt.-befreit) Paketpreis: †ƒ•,– € (USt.-befreit) mit dem „Fortbildungsplus zur ¡œ. Jahresarbeitstagung Arbeitsrecht“ (‡„.””.ƒ‡ƒ‰) . Jahresarbeitstagung Miet- und Wohnungseigentumsrecht ƒƒ.– ƒ¡.””.ƒ‡ƒ‰ · Live-Stream/Bochum (Nr. ”„‰ƒƒ‡) ”‡ Zeitstunden – § ”• FAO Kostenbeitrag: •ƒ•,– € (USt.-befreit) Paketpreis: œ„•,– € (USt.-befreit) mit dem Fortbildungsplus „Update Mietrecht“ (ƒ”.””.ƒ‡ƒ‰) . Jahresarbeitstagung Gewerblicher Rechtsschutz ‡œ.– ‡„.”ƒ.ƒ‡ƒ‰ · Live-Stream/Hamburg (Nr. ƒ‡‰”‡†) ”‡,• Zeitstunden – § ”• FAO Kostenbeitrag: œˆ•,– €* (USt.-befreit) Paketpreis: †ˆ•,– € (USt.-befreit) mit dem „Fortbildungsplus zur ƒƒ. Jahresarbeitstagung Gewerblicher Rechtsschutz“ (‡•.”ƒ.ƒ‡ƒ‰) Alle Angebote und Anmeldung auf www.anwaltsinstitut.de Jahresarbeitstagungen ƒ. Halbjahr ƒ‡ƒ‰ Jetzt die Teilnahme vor Ort oder den Live-Stream buchen! Diese Fortbildungen finden jeweils als Hybrid-Veranstaltungen statt. Nehmen Sie online im DAI eLearning Center oder vor Ort teil. Auch online können Sie die Veranstaltungen für die Pflichtfortbildung nach § ”• Abs. ƒ FAO nutzen. Natürlich haben Sie als Online-Teilnehmer/in ebenso die Möglichkeit, Ihre Fragen an die Referenten zu stellen. Unser/e Moderator/ in vor Ort im Saal wird Sie in einem Textchat durch die Veranstaltung begleiten und Ihre Fragen in die Veranstaltung einbringen. Während der Vorträge verfolgen Sie in Ihrem Browser die Referenten im Video, die Präsentationsfolien sowie die Interaktion im Chat. +++ Live-Stream und Präsenz +++ Sie haben die Wahl +++ Live-Stream und Präsenz +++ *Ermäßigter Kostenbeitrag für die Mitglieder der kooperierenden Rechtsanwaltskammer.

BRAK MAGAZIN 3/2024 8 HÖRT IHR NICHT DIE ZEICHEN DER ZEIT? Die Juristenausbildung muss reformiert werden! Rechtsanwältin Kristina Trierweiler, LL.M., BRAK, Berlin Nicht erst seit Veröffentlichung der Ergebnisse der groß angelegten Umfrage der Initiative iur.reform im Frühjahr 2023 ist bekannt, dass die große Mehrheit der Befragten mit dem Jurastudium unzufrieden ist. Wie in NJW-aktuell 23/2024 kürzlich zu lesen war, würden es ca. 60 % der Studienanfänger nicht bis zu einem bestandenen ersten Examen schaffen. Angesichts des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels muss dieser Entwicklung endlich entgegengesteuert werden. Das juristische Studium und der Vorbereitungsdienst müssen zweifelsfrei höchsten Qualitätsanforderungen genügen. Sie müssen aber auch attraktiv und zukunftsorientiert ausgestaltet sein, um beständig in hinreichender Zahl qualifizierten Nachwuchs für die reglementierten juristischen Berufe auszubilden. Sehr erfreulich ist daher der Vorstoß, der mit dem sog. Hamburger Protokoll zur Reform der ersten (juristischen) Prüfung unternommen wurde. Im Dezember 2023 lud die Bucerius Law School in Hamburg Professoren und Studierende von verschiedenen juristischen Fakultäten zu einer Arbeitssitzung ein. Ergebnis dieser Sitzung ist das Hamburger Protokoll, in dem vier Kernforderungen zur Reform der ersten juristischen Prüfung formuliert wurden. VIER KERNFORDERUNGEN FÜR EIN BESSERES STUDIUM Das Hamburger Protokoll plädiert für die Verlagerung bestimmter Stoffgebiete aus der staatlichen Pflichtfachprüfung in das Studium. Das verringert die Belastung der Studenten und ermöglicht eine praxisnähere Ausbildung. Der Bachelor of Laws (LL.B.) sollte in den Staatsexamensstudiengang integriert werden, damit er eine attraktive Ergänzung und eine flexiblere Ausbildung für angehende Juristinnen und Juristen bietet. Ferner sollen niedrigschwellige Ansprechstellen Konflikte in Prüfungssituationen vermeiden und eine Sensibilität für die Belange der Prüflinge entwickeln. Schließlich soll eine langfristige Überprüfung und Evaluation der Ausbildungsziele und -inhalte die Qualitätssicherung gewährleisten und eine kontinuierliche Verbesserung ermöglichen. Weitere Reformansätze umfassen die Stärkung von Grundlagen- und Methodenkompetenz, die Überlegung zur Einführung verdeckter Zweitkorrekturen und eine diversere Besetzung der Prüfungskommissionen. IM GESPRÄCH MIT DER ANWALTSCHAFT Auf Einladung des Präsidenten der Bucerius Law School, Prof. Dr. Michael Grünberger, und des Studiendekans der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg, Prof. Dr. Dr. Milan Kuhli, diskutierten am 29.5.2024 für die BRAK Dr. Thomas Kuhn, Christian Pope (BRAK-Ausschuss Juristenausbildung) und Kristina Trierweiler sowie Sophie Dahmen für die Initiative iur.reform über das Hamburger Protokoll und mögliche Verbesserungen in der juristischen Ausbildung. Uneingeschränkt bestand Einigkeit, dass nur Staatsprüfungen eine einheitliche Qualität sichern. Daneben müssen jedoch Strukturen geschaffen werden, die langfristig dafür sorgen, dass sich auch in der Zukunft viele junge Menschen für die Rechtswissenschaft und die Vielfalt juristischer Berufsfelder interessieren und begeistern lassen. JUSTIZMINISTERKONFERENZ Auch die Justizministerinnen und -minister von Bund und Ländern haben sich auf ihrer Frühjahrskonferenz mit der Nachwuchsgewinnung in der Justiz und der Zukunft der volljuristischen Ausbildung befasst. Trotz begleitender studentischer Proteste wurde wieder einmal lediglich festgestellt, dass sich die volljuristische Ausbildung bewährt habe und insgesamt gut geeignet sei, das notwendige Fachwissen und die wesentlichen Kompetenzen zu vermitteln, die für eine Tätigkeit in den volljuristischen Berufen erforderlich sind. Grundlegender Reformbedarf bestehe nicht. Hört die Zeichen der Zeit! Im Bereich der Ausbildung der Rechtsanwaltsfachangestellten hat man schon genug Zeit verschlafen – dieser Fehler sollte nicht beim juristischen Nachwuchs wiederholt werden! Foto: Bucerius Law School Liv-Bjane Heiser (Bucerius Law School), Jonathan Schramm (Bucerius Law School), Dr. Thomas Kuhn (BRAK), Kristina Trierweiler (BRAK), Prof. Dr. Michael Grünberger (Bucerius Law School), Christian Pope (BRAK), Sophie Dahmen (iur.reform), Alexandra Malcha (Bucerius Law School).

BRAK MAGAZIN 3/2024 9 MIT HANS LITTEN VOM ACTIONBOUND ZUR BERUFSBERATUNG Rechtsanwältin Kristina Trierweiler, LL.M., BRAK, Berlin Es hat sich zu einer schönen Tradition entwickelt, dass die Schülerinnen und Schüler der 11. Klassen der Hans-Litten-Schule jährlich im Rahmen einer multimedialen Schnitzeljagd auch bei der Bundesrechtsanwaltskammer Station machen. Die Berliner Schule ist ein kaufmännisches Oberstufenzentrum mit der Ausrichtung auf Recht und Wirtschaft. Neben sämtlichen Schulabschlüssen kann dort auch Wissen aus den Bereichen Wirtschaft, Recht und Rechnungswesen erworben werden. Unter anderem werden auch Rechtsanwalts- und/oder Notarfachangestellte ausgebildet. GESCHICHTSTRÄCHTIGE ORTE DAMALS UND HEUTE Die Schule hat sich ihrem Namensgeber und dessen moralischem Erbe verpflichtet. Da liegt es nahe, dass der Sitz der BRAK im Hans-Litten-Haus in der Littenstraße zu einer festen Institution für die Schülergruppen geworden ist. Bei der Schnitzeljagd entdecken sie per Smartphone geschichtsträchtige Orte, die mit dem Leben von Hans Litten verwoben und teilweise durch Stolpersteine kenntlich gemacht sind, wie etwa der Ort seiner damaligen Kanzlei, seiner Wohnung oder Gerichtsgebäuden. Die Stadterkundung läuft mit der App von Actionbound. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich an den Schauplätzen teamweise mit Tätern und Verfolgten auseinandersetzen und Fragen beantworten. Auch wenn Hans Litten vor mehr als 80 Jahren sein Leben lassen musste, ist seine Geschichte nach wie vor von brutaler Aktualität. Angesichts des weltweit erstarkenden Drucks auf rechtsstaatliche Strukturen, Demokratie und Menschlichkeit führt Littens Biographie den Schülerinnen und Schülern deutlich vor Augen, wie wichtig es ist, den Kampf aufzunehmen. Schnell gelangten wir zu der Erkenntnis, dass ein Rechtsstaat ohne Rechtsberufe nicht sein kann und wie essenziell es ist, dass es Anwältinnen und Anwälte gibt, die die Rechte der Bürger vertreten und verteidigen. Das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Anwaltsberuf und am Jura-Studium war groß. Die zahlreichen Fragen zur Länge des Studiums, zu den Abschlüssen Bachelor und Staatsprüfung, zur alten Mär, dass Jura doch so trocken sei, und zu den zahlreichen Rechtsgebieten zeigten, dass bislang nur wenig über unseren Beruf bekannt war. Es machte Spaß, die Begeisterung der jungen Menschen zu wecken, Ängste zu nehmen und Lust auf Praktika zu verbreiten. So wurde Hans Litten zum Initiator für eine umfangreiche Berufsberatung. STOLPERSTEIN FÜR LITTENS ANWALTSSEKRETÄRIN MARGOT FÜRST Wir sprachen auch über den Mangelberuf Rechtsanwaltsfachangestellte. Für eine ganz besondere unter ihnen wurde am 4.7.2024 ein Stolperstein in der Zolastr. 1 in Berlin verlegt: Margot Fürst. Sie war die Anwaltssekretärin und enge Unterstützerin Littens. Das Programm zur Feier anlässlich der Stolpersteinverlegung gestalteten die Schülerinnen und Schülern der Hans-Litten-Schule. Bei der Stolpersteinverlegung am 4.7.2024 Schülerinnen und Schüler der Hans-Litten-Schule zu Besuch bei der BRAK Sollten auch Sie einmal die Actionbound-­ Kieztour – vielleicht im Rahmen eines Betriebsausfluges – erleben wollen, nehmen Sie gern Kontakt mit dem Leiter der Evangelischen Jugendbildungsstätte Haus Kreisau Berlin, Herrn Wolfram von Heidenfeld (w.vonheidenfeld@evba.de), auf. Hans Litten war ein deutscher Rechtsanwalt und Strafverteidiger. Er vertrat Opfer nationalsozialistischer Angriffe und verteidigte kommunistische Angeklagte. Durch seine Prozessführung gelang es ihm, die Planmäßigkeit der NS-Gewalt aufzuzeigen. 1931 befragte er im sog. Edenpalast-Prozess Hitler als Zeugen vor Gericht und trieb ihn dabei so in die Enge, dass er sich dessen persönliche Feindschaft zuzog. Er wurde 1933 verhaftet. 1938 nahm er sich nach jahrelanger Folter in verschiedenen Konzentrationslagern im KZ Dachau mit 34 Jahren das Leben.

BEA – DAS BESONDERE ELEKTRONISCHE ANWALTSPOSTFACH Weitere Digitalisierung der Justiz Wie künftig Medienbrüche vermieden werden sollen und was sich sonst im elektronischen Rechtsverkehr ändert Rechtsanwältinnen Julia von Seltmann und Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Am 16.7.2024 wurde das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl 2024 I Nr. 234). Es trat im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung in Kraft. Mit dem Gesetz soll die Digitalisierung in den Zivil- und Fachgerichtsbarkeiten vorangetrieben werden. Zwei für die Anwaltschaft wesentliche Änderungen bei der Einreichung elektronischer Dokumente und weitere praktisch wichtige Neuregelungen werden im folgenden Beitrag beleuchtet. Schriftformgebundene Anträge und Erklärungen Mehr Digitalisierung soll ausweislich der Gesetzesbegründung u.a. dadurch erreicht werden, dass Schriftformerfordernisse zur Vermeidung von Medienbrüchen ersetzt werden. Formerleichterungen sieht das Gesetz insb. für die Übermittlung schriftformgebundener Anträge und Erklärungen sowie für in elektronischen Schriftsätzen enthaltene Willenserklärungen vor. Anwältinnen und Anwälte müssen häufig Anträge oder Erklärungen ihrer Mandantschaft sowie Dritter übermitteln, die der Schriftform unterliegen. Gleichzeitig sind sie verpflichtet, Schriftsätze ausschließlich als elektronische Dokumente einzureichen. Da Privatpersonen in der Regel nicht über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen, standen Prozessbevollmächtigte vor dem Dilemma, diese Erklärungen in Papierform zu übermitteln, während der Schriftsatz nebst Anlagen als elektronische Dokumente eingereicht werden mussten. § 130a III ZPO sieht nunmehr vor, dass Anwältinnen und Anwälte die von Naturalbeteiligten oder Dritten in Papierform unterzeichneten Anträge oder Erklärungen als Scan elektronisch übermitteln und dadurch die Schriftform wahren können. Entsprechende Regelungen enthalten die übrigen Verfahrensordnungen. Das Ersetzen der Schriftform durch die elektronische Übermittlung von Scans ist ein wichtiger Schritt hin zu einem medienbruchfreien elektronischen Rechtsverkehr. Leider bleibt nach dem Gesetz und seiner Begründung unklar, für welche Anträge und Erklärungen die Neuregelungen konkret gelten. In der Begründung wird als einziges Beispiel der Insolvenzantrag genannt, so dass hier Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung bestehen dürfte. Formfiktion für Willenserklärungen § 130e ZPO – und gleichlautend die anderen Verfahrensordnungen – sieht eine Formfiktion für in elektronischen Schriftsätzen enthaltene Willenserklärungen vor. Dadurch sollen die wirksame Abgabe und der wirksame Zugang von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des materiellen Rechts, die in bei Gericht elektronisch eingereichten Schriftsätzen enthalten sind, erleichtert werden. Empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der gesetzlich oder rechtsgeschäftlich bestimmten materiell-rechtlichen Schriftform oder elektronischen Form bedürfen, gelten nach dieser Neuregelung als zugegangen, wenn sie in einem Schriftsatz als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder formlos mitgeteilt werden. Auch dies ist eine wesentliche Erleichterung bei der Einreichung elektronischer Dokumente durch Anwältinnen und Anwälte. Wirksamkeit einseitiger Rechtsgeschäfte durch Bevollmächtigte Problematisch und zu beachten ist auch nach der Gesetzesänderung weiterhin, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft, das Bevollmächtigte – also auch

BEA – DAS BESONDERE ELEKTRONISCHE ANWALTSPOSTFACH Anwältinnen und Anwälte – einem anderen gegenüber vornehmen, gem. § 174 S. 1 BGB unwirksam ist, wenn die oder der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und die Empfängerin oder der Empfänger das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Die BRAK hatte daher gefordert, zur Vermeidung von Medienbrüchen statt der Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original vorzusehen, dass eine Vollmacht auch als Scan elektronisch übermittelt werden kann. Dieser Vorschlag fand leider keinen Einzug in das Gesetz. Vollmachtsurkunden dürften weiterhin im Original vorzulegen sein, um die Folgen des § 174 S. 1 BGB zu vermeiden. Hybride Aktenführung Ab dem 1.1.2026 sind Gerichte verpflichtet, Akten elektronisch zu führen. Die elektronische Akte wird derzeit an Gerichten in Bund und Ländern pilotiert. Von einer flächendeckenden Einführung ist die Justiz jedoch noch ein Stück entfernt; zudem ist die Digitalisierung papierner Altaktenbestände sehr aufwändig. Um die Umstellung zu erleichtern, wird in allen Verfahrensordnungen die Möglichkeit eingeführt, Akten hybrid zu führen. Dies gilt für geheimhaltungsbedürftige Aktenbestandteile sowie für Akten, die vor 2026 in Papier oder elektronisch begonnen wurden; sie können z.B. nach einem Zuständigkeitswechsel anders weitergeführt werden. Bis zu einer einheitlichen elektronischen Aktenführung und entsprechend auch -einsicht dauert es also noch. Übermittlung elektronischer Akten Elektronische Behördenakten werden bislang sehr uneinheitlich übermittelt, wenn sie in gerichtliche Verfahren eingeführt werden; das macht die Handhabung für Justiz und Anwaltschaft schwierig. Eine in allen Verfahrensordnungen eingeführte Verordnungsermächtigung ebnet nun den Weg für einheitliche technische Standards zur Übermittlung solcher Akten. Der im Mai vorgelegte Diskussionsentwurf für eine Behördenaktenübermittlungsverordnung sieht im Kern vor, dass die Behörden elektronische Akten als PDF auf dem sicheren Übermittlungsweg an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach übermitteln. Die BRAK hält die Umsetzungsfrist für zu knapp bemessen und regt an, stattdessen oder ergänzend das ohnehin bereits vorhandene Akteneinsichtsportal der Justiz zu nutzen. Änderungen im Strafprozessrecht Das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz beinhaltet auch wichtige Änderungen im Strafprozessrecht. Danach müssen Anwältinnen und Anwälte künftig u.a. Rechtsmittel wie Berufung, Revision und Einspruch und deren Begründung bzw. Rücknahme und weitere prozessuale Erklärungen als elektronische Dokumente einreichen. Diese Änderungen in § 32d StPO treten jedoch erst zum 1.1.2026 in Kraft. Strafanträge müssen seit dem 17.7.2024 nicht mehr schriftlich gestellt werden; ihre Protokollierung oder sonstige Dokumentation reicht nach § 158 StPO nunmehr aus. Auch die Unterschriftserfordernisse für Betroffene bei bestimmten Ermittlungsmaßnahmen (§§ 81f ff StPO) entfallen bei entsprechender Dokumentation durch die Strafverfolgungsbehörden. Formerleichterung für anwaltliche Vergütungsberechnungen Ebenfalls zum 17.7.2024 geändert wurde § 10 I 1 RVG. Danach müssen anwaltliche Gebührenberechnungen nicht mehr in Schriftform dem Mandanten mitgeteilt werden. Es genügt, dass die Anwältin bzw. der Anwalt die Mitteilung der Vergütungsberechnung in Textform an den Mandanten veranlasst. Die Formerleichterung entspricht einem Wunsch aus Anwaltschaft und Mandantschaft nach einer möglichst einfachen und barrierefreien elektronischen Übermittlung der anwaltlichen Berechnung. Die Formerleichterung kollidiert jedoch mit der durch das Wachstumschancengesetz eingeführten verpflichtenden elektronischen Rechnung im B2B-Bereich (§ 14 UStG), die strukturierte Datensätze und qualifizierte elektronische Signaturen erfordert. Hierauf hatte die BRAK in beiden Gesetzgebungsverfahren hingewiesen. Anpassungen im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht Im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht werden die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation ebenfalls erweitert. Insbesondere können nunmehr Forderungen elektronisch angemeldet und Zustellungen elektronisch vorgenommen werden. Zudem müssen Insolvenzverwalter nach § 5 InsO in allen Insolvenzverfahren ein elektronisches Gläubigerinformationssystem unterhalten, in dem u.a. alle gerichtlichen Entscheidungen und Berichte abrufbar sind. Diese Regelungen gelten für seit dem 17.7.20204 eröffnete Insolvenzverfahren. Fazit Die beschriebenen Änderungen bringen begrüßenswerte Impulse für die Weiterentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie reichen indes nicht aus. Wünschenswert wäre es, den beschrittenen Weg konsequent weiterzugehen und Medienbrüche wo möglich und mit Augenmaß abzuschaffen.

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BRAK MAGAZIN 3/2024 13 ALS ANWÄLT:IN AUF LINKEDIN MIT INHALTEN ÜBERZEUGEN Rechtsanwältin Dr. Anja Schäfer, Karrierementorin für Juristinnen, Berlin Ihr LinkedIn-Profil ist ein statisches Element im dynamischen LinkedIn-System. Es ist eine gute und wichtige Basis für Ihre Sichtbarkeit als Anwältin bzw. Anwalt und zugleich nur der erste Schritt. Als Expertin bzw. Experte werden Sie auf dieser Plattform jedoch nur wahrgenommen und bekannt, wenn Sie über Ihr Profil hinaus aktiv werden. Denn ohne eigene Inhalte werden Sie von anderen Nutzer:innen nur gefunden, wenn diese nach einem bestimmten Stichwort suchen oder Ihre Kommentare in den Beiträgen anderer verfolgen. Erfahren Sie im Folgenden, wie Sie in Ihrem LinkedIn-Netzwerk und darüber hinaus durch eigene Inhalte sichtbar und bekannt werden, indem Sie das Know-how anderer publik machen oder Ihre ganz persönliche Perspektive zu einem konkreten Thema einbringen. INHALTE ANDERER KURATIEREN Eine erste und einfache Möglichkeit, Inhalte für Ihr Netzwerk zu erstellen, ist das Kuratieren von Inhalten Dritter. Sie verfolgen regelmäßig Formate, die sich mit Ihren Rechts- oder Sachgebieten beschäftigen? Sie lesen Fachzeitschriften oder Online-Magazine, hören juristische Podcasts oder halten sich über andere Kanäle auf dem Laufenden? Beginnen Sie damit, dies mit mehr Aufmerksamkeit sowie mit Fokus auf die Personen zu tun, die Sie auf LinkedIn erreichen wollen. Hat Sie ein Artikel besonders angesprochen oder ein neues Urteil einen erheblichen Einfluss auf Ihre juristische Arbeit, behalten Sie dies nicht für sich. Die Chancen sind groß, dass es die Menschen aus Ihrem (nicht nur) digitalen Netzwerk auch interessiert. Die Inhalte anderer zu kuratieren, bedeutet auf LinkedIn jedoch nicht, diese einfach nur „zu teilen“. Viel zielführender für Ihre Sichtbarkeit als Expert:in ist es, einen eigenen Beitrag zu verfassen und darin zu erläutern, warum gerade der jeweilige Fachtext Ihre Aufmerksamkeit erhalten hat oder wie sich das jeweilige Urteil in der Praxis auswirken wird. Indem Sie relevante Beiträge zusammenfassen, die Kernbotschaften herausarbeiten, eine andere Perspektive einnehmen, Meinungen anderer aufgreifen oder einen konkreten Handlungsbedarf formulieren, machen Sie Ihr Netzwerk mit den wichtigen Inhalten bzw. relevanten Quellen bekannt. Zudem zeigen Sie auch, dass Sie sich in Ihrem Themenfeld oder in einer bestimmten Branche gut auskennen. EIGENE INHALTE ERSTELLEN Sie wollen sich als Expert:in in Ihrem Rechts- bzw. Fachgebiet positionieren und als solche:r sichtbar, anerkannt und bekannt werden? Dann sollten Sie mehr tun, als nur die Inhalte anderer zu teilen. Formulieren Sie Ihre persönliche Meinung und setzen Sie wichtige Impulse durch eigene Beiträge. Mit eigenem Content haben Sie die Möglichkeit, Ihre originäre Perspektive zugänglich zu machen und Ihr Know-how und Ihre Persönlichkeit zu zeigen. Wenn Sie ausgewählte rechtliche Aspekte aufgreifen und diese mit Ihrem persönlichen Blick auf das jeweilige Thema verbinden, entsteht ein einzigartiger Beitrag. Posten Sie diesen mit Hashtags und taggen Sie relevante Personen, um noch mehr Sichtbarkeit zu erreichen. Viele Einsteiger:innen haben das Gefühl, dass Ihnen die Beitragsideen fehlen. Diese Einstellung ist jedoch eine Sackgasse. Schließlich sind Sie eine Expertin / ein Experte auf Ihrem Rechtsgebiet! Machen Sie es sich einfach: Sammeln Sie Beitragsideen, indem Sie Themen aus Ihrem Anwaltsalltag aufgreifen oder Fragen Ihrer Mandant:innen beantworten. Geben Sie einen konkreten Einblick in Ihre Arbeit, indem Sie erfolgreich abgeschlossene Fälle vorstellen oder persönliche Erkenntnisse zum jeweiligen Verfahren erläutern. Denn das, was die Menschen in Ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld interessiert, ist häufig auch für Ihr digitales Netzwerk relevant. Vielleicht wartet dieses darauf, dass endlich jemand ein bestimmtes Thema aufgreift oder dessen Relevanz für die Branche beleuchtet. Vielleicht sind Sie es, aber dafür müssen Sie darüber schreiben. Foto: miniartkur/shutterstock.com

BRAK MAGAZIN 3/2024 14 10 FRAGEN ZUM VERBRAUCHERSTREITBEILEGUNGSGESETZ Ass. iur. Felix Braun, Leiter der Universalschlichtungsstelle des Bundes, Kehl am Rhein Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) spielt für Anwältinnen und Anwälte in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Zum einen bei der Beratung von Unternehmen zur Erfüllung der Informationspflichten aus §§ 36, 37 VSBG. Zum anderen können Anwälte ihre Mandanten bei Verbraucherstreitigkeiten mit oft niedrigen Streitwerten auf dieses Angebot aufmerksam machen oder diese sogar im Verfahren vertreten. 1. UM WAS FÜR EIN VERFAHREN HANDELT ES SICH GENAU? Das VSBG legt keine bestimmte Verfahrensart fest, auch wenn die nach diesem Gesetz arbeitenden Stellen „Verbraucherschlichtungsstellen“ heißen. Explizit wird in § 18 VSBG klargestellt, dass ebenfalls eine reine Mediation nach dem Mediationsgesetz erfolgen kann. Dennoch liegt der Schwerpunkt eindeutig auf Schlichtung, wenn man die insgesamt 28 Stellen betrachtet. Sie hat Tradition, gab es bereits vor dem VSBG einige namhafte Branchenschlichtungsstellen, wie etwa den Versicherungsombudsmann, die Schlichtung für Reise & Verkehr, die Schlichtungsstelle Energie und die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Eine Verbraucherschlichtungsstelle darf aber bei einer Schlichtung auch einzelne mediative Elemente verwenden. Dies kann sinnvoll sein, da es nicht immer nur um finanzielle Ansprüche geht. Etwa bei langjährigen Kundenbeziehungen oder bei Dauerschuldverhältnissen, die fortgeführt werden sollen, ist die Ergründung des Interesses beider Parteien elementar. Am Ende steht dann aber – anders als bei Mediation – ein Schlichtungsvorschlag, der jedenfalls auch die rechtliche Lage und die sich daraus ergebenden Folgen erläutert. 2. WOFÜR SIND DIE VERBRAUCHERSCHLICHTUNGSSTELLEN ZUSTÄNDIG? Verbraucherschlichtungsstellen muss es für quasi jede Art von Streitigkeit geben, die aus Verbraucherverträgen nach § 310 III BGB entstehen kann. Ebenso zu Streitigkeiten, zu welchen nach wirksamer Anmeldung zum Klageregister in einem rechtskräftigen Urteil über eine Musterfeststellungsklage nach § 613 I 1 ZPO oder einem Vergleich nach § 611 I ZPO bindende Feststellungen getroffen wurden. Vorrangig zuständig sind branchenspezifische Verbraucherschlichtungsstellen; die Universalschlichtungsstelle ist subsidiäre Auffangschlichtungsstelle. Dieser Auffangbereich ist aber recht groß und umfasst etwa den gesamten Online-Handel. 3. DIE UNIVERSALSCHLICHTUNGSSTELLE HAT AUCH LOTSENFUNKTION. WAS BEDEUTET DAS? Die Zuständigkeiten der branchenspezifischen Verbraucherschlichtungsstellen sind teils offensichtlich, teils aber auch sehr detailreich. Daher lotst die Universalschlichtungsstelle im Falle der eigenen Unzuständigkeit zur tatsächlich zuständigen Stelle weiter, was ihre gesetzliche Aufgabe ist – und ein Beitrag zu niederschwelligem Zugang zum Recht. 4. WELCHE QUALITÄTSKRITERIEN MUSS EINE VERBRAUCHERSCHLICHTUNGSSTELLE ERFÜLLEN? EU-weit sind Standards vorgeschrieben, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, Transparenz, Fachwissen, Effektivität, Fairness und leichte Zugänglichkeit garantieren. Diese Kriterien hat das VSBG weiter konkretisiert, wie man u.a. an den Vorschriften für Streitmittler (§§ 6 ff. VSBG) und zum Schlichtungsvorschlag (§ 19 VSBG) sieht. Die Standards gelten jedoch nur für Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne des VSBG und nicht für sonstige Schlichtungsstellen. Das Bundesamt für Justiz ist für die Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle zuständig und führt eine Liste. 5. WAS IST EIN STREITMITTLER? Nur Streitmittler dürfen Schlichtungsvorschläge unterbreiten. Daher ist essenziell, dass sie Gewähr Foto: BOKEH STOCK/shutterstock.com

BRAK MAGAZIN 3/2024 15 für eine unparteiische Streitbeilegung bieten. Sie unterliegen keinerlei Weisungen und werden für mindestens drei Jahre bestellt. Eine vorherige berufliche Tätigkeit in den letzten drei Jahren, die die Neutralität beeinträchtigen könnte – sei es auf Unternehmer- oder Verbraucherseite –, schließt eine Bestellung aus. Sie müssen über Fach- und Rechtskenntnisse insbesondere im Verbraucherrecht verfügen; nur mit zweitem juristischem Staatsexamen oder als zertifizierte Mediatorin bzw. zertifizierter Mediator kann man Streitmittler werden. 6. WELCHE WEITEREN VORTEILE GIBT ES? Verbraucherstreitbeilegung ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn eine gerichtliche Auseinandersetzung gescheut wird, etwa wegen des sog. rationalen Desinteresses (Aufwand vs. Risiken des Gerichtsverfahrens im Verhältnis zum relativ niedrigen Streitwert). Die Streitigkeit würde also einfach versanden, was aber zumindest für eine der Parteien, oft sogar für beide, unbefriedigend ist. Hier hilft die Niedrigschwelligkeit des wenig formalen Schlichtungsverfahrens. 7. SIND TERMINE UND FRISTEN ZU BEACHTEN? Wenn es sich um echte Mediationen handelt – derzeit die absolute Ausnahme – muss ein Termin gefunden werden. Schlichtung ist aber der Regelfall und findet meist schriftlich statt, wobei Textform die Regel ist. In dem Verfahren werden Fristen für Stellungnahmen gesetzt und auch für die Annahme des Schlichtungsvorschlags. Selbstverständlich ist eine Einigung auf dieser Basis aber auch noch nach Verstreichen dieser Frist möglich. Eine besondere Frist gilt bei der Universalschlichtungsstelle: § 30 VI 2 VSBG. Hier wird die gebührenauslösende Teilnahmebereitschaft des Unternehmers fingiert, wenn er zwar keine Bereitschaft erklärt hat, aber die Teilnahme nicht innerhalb von drei Wochen nach Übermittlung des Antrags ablehnt. 8. WIE VERTRAULICH IST DAS VERFAHREN? Die Verbraucherschlichtungsstelle ist nach § 22 VSBG zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Parteien selbst trifft diese Pflicht nicht; zusätzliche Verschwiegenheitsabreden sind aber denkbar. 9. WELCHE AUSWIRKUNGEN HAT EINE ANTRAGSTELLUNG AUF DIE VERJÄHRUNG? Hier gilt das bereits von der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft Gesagte (s. Fölster/Jeroch, BRAK-­ Magazin 1–2/2024, 16) für alle Verbraucherschlichtungsstellen. Vor allem: Auf ausreichende Individualisierung und Konkretisierung des Antrags achten und darauf, ob bereits im Vorfeld vom Antragsgegner signalisiert wurde, dass er nicht bei einem Verfahren mitmachen werde. Hieran kann die Hemmung scheitern. Zwar ist ein Antrag ohne Anwältin oder Anwalt möglich; kommt es dabei aber auf die Hemmung an, kann eine rechtliche Beratung zur Antragstellung – wenn nicht gar eine Vertretung – sehr sinnvoll sein. Diese Beratung wird nicht von den neutralen Verbraucherschlichtungsstellen geleistet. Beratung ist hier Sache einer Anwältin/eines Anwalts oder der Verbraucherzentralen. 10. STEHT DIE VERBRAUCHERSTREITBEILEGUNG IN KONKURRENZ ZU GERICHT UND ANWALTSCHAFT? Nein, es ist eine Ergänzung, die aus mehreren Gründen Sinn macht. Bei typischerweise geringen Streitwerten kommen diese Streitigkeiten wegen des erwähnten rationalen Desinteresses häufig nicht vor Gericht. Ohne Verbraucherschlichtungsstellen würde hier also oft gar nichts passieren. Wie man aber an der Rechtsprechung zum Verbraucherrecht sieht, gibt es dennoch ausreichend Fälle, die gerichtlich entschieden werden. Das ist gut so, denn so gibt es richterliche Rechtsfortbildung, die wiederum in Schlichtungsvorschläge Eingang findet. Es braucht also beides. Die meisten Verbraucherschlichtungsstellen lehnen eine Schlichtung sogar ab, wenn eine grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Bewertung der Streitigkeit erheblich ist, nicht geklärt ist. Es kann durchaus Sinn für Anwältinnen und Anwälte machen, Verbraucher erst zu einer Verbraucherschlichtungsstelle zu schicken oder den Antrag dort für sie zu stellen. Denn verbraucherseitig ist der Antrag kostenlos. Kommt es nicht zu einer Lösung, steht das einer späteren Vertretung vor Gericht freilich nicht entgegen. Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte sind Lotsen dafür, wie man einen Konflikt bestmöglich im Mandanteninteresse lösen kann. In der Reihe „10 Fragen…“ stellt der Ausschuss Außergerichtliche Streitbeilegung der BRAK die wichtigsten Methoden der außergerichtlichen Streitbeilegung kurz und kompakt vor. Die Reihe startete in BRAK-Magazin 5/2023, dort erläutert Cramer die anwaltliche Lotsenfunktion.

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