BRAK-Magazin Ausgabe 3/2024

BRAK MAGAZIN 3/2024 16 AUS DEM JURISTISCHEN DICKICHT DER PROSPEKTHAFTUNG Exemplarisches aus der Schlichtungsstelle – Folge 11 Schlichterin Uta Fölster, Berlin DER STREITFALL Nicht nur für Anleger ist die Rechtsprechung des BGH zur sog. Prospekthaftung eine Herausforderung. Die Frage, ob die spezialgesetzliche Haftung (Verkaufsprospektgesetz und Börsengesetz) die weitere Prospekthaftung nach dem BGB ausschließt, beantworten der II. und XI. Zivilsenat unterschiedlich. Mit Fragen aus diesem Rechtsgebiet hatte sich im Rahmen eines Schadensersatzverfahrens auch die Schlichtungsstelle zu befassen. Die Antragstellerin, vertreten durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, verklagte im Februar 2018 beim LG drei Gründungsgesellschafter eines Kapitalanlagefonds auf Schadensersatz wegen Prospekthaftung. Das LG setzte das Verfahren wegen eines Musterklageverfahrens vor dem OLG im Mai 2018 aus. In diesem Musterklageverfahren entschied das OLG, dass die Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinne grundsätzlich in Anspruch genommen werden könnten. Im Rechtsbeschwerdeverfahren verneinte jedoch der XI. Zivilsenat des BGH eine solche Haftung. Die Antragstellerin nahm daraufhin ihre Klage zurück. Ihr wurden als Beigeladene Kosten aus dem Rechtsbeschwerdeverfahren i.H.v. rund 460 Euro auferlegt. Sie fordert von der Anwalts-GmbH Schadensersatz in dieser Höhe, weil ihre Anwälte sie falsch beraten hätten. Man habe sie nicht ausreichend über die Risiken der Prospekthaftung aufgeklärt und eine aussichtslose Klage erhoben. SCHLICHTUNG – KOSTENFREI UND LÖSUNGSORIENTIERT Mit ausführlicher Begründung wird dargelegt, dass die Anwalts-GmbH vertragliche Aufklärungspflichten nicht verletzt hat. Das gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass sie die Mandantin vor Klagerhebung im Februar 2018 nicht auf die Risiken der Prospekthaftung hingewiesen hat. Soweit ersichtlich, war es zu diesem Zeitpunkt noch ständige BGH-Rechtsprechung, dass die spezialgesetzlichen Regelungen eine Haftung nach BGB nicht ausschliessen. So hat es der II. Senat sogar noch 2022 entschieden, wie auch im vorliegenden Musterklageverfahren das zuständige OLG im Februar 2020. Der XI. BGH-Zivilsenat hat seine hiervon abweichende Auffassung erstmals im Oktober 2018 dargelegt, also nach der Klageerhebung im hiesigen Streit im Februar 2018. Auch der Hinweis der Antragstellerin auf eine Entscheidung eines anderen OLG von Januar 2016 hilft nicht weiter. Dieser Beschluss befasst sich nicht mit der Anspruchskonkurrenz „spezialgesetzliche Prospekthaftung“ und „Prospekthaftung im weiteren Sinn“. Eine Haftung der Anwalts-GmbH kommt auch nicht insoweit in Betracht, als sie es unterlassen hat, ihre Mandantin während des laufenden Verfahrens über die beschriebenen Risiken aufzuklären. Letztere verlangt ausdrücklich „nur“ Schadensersatz für die von ihr als Beigeladene im Musterfeststellungsverfahren (§ 9 I Nr. 3, III KapMuG) zu tragenden Kosten i.H.v. rund 460 Euro. Nach § 26 II 1 KapMuG hat sie diese (anteiligen) Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Klagerücknahme binnen eines Monats ab Zustellung des landgerichtlichen Aussetzungsbeschlusses (§ 24 II 1 KapMuG; also im Juni/Juli 2018) hätte der Mandantin zwar diese Kosten erspart, aber da im Juni/Juli 2018 die Auffassung des XI. BGH-Zivilsenats noch nicht bekannt war, bestand für die Anwälte zu diesem Zeitpunkt keine Aufklärungspflicht. Die Anwalts-GmbH hat dem Vorschlag der Schlichtungsstelle, die Antragstellerin möge an ihrer Forderung nicht länger festhalten, erwartungsgemäß zugestimmt. Die Antragstellerin hat ihn abgelehnt. Foto: Shawn Hempel/shutterstock.com Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft vermittelt unbürokratisch und schnell bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Mandant:innen und Rechtsanwält:innen, d.h. bei Gebühren – und/oder Schadensersatzforderungen. Wie es in dem ausschließlich schriftlichen Verfahren gelingen kann, auf der Grundlage des Gesetzes einvernehmliche Lösungen zu erzielen, stellt die Schlichterin in jedem Heft seit Anfang 2022 anhand kurzer Beispiele aus der Praxis dar.

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