BRAK-Magazin Ausgabe 3/2024

BRAK MAGAZIN 3/2024 17 KLEINE SCHRITTE Der Frauenanteil in der Anwaltschaft wächst. Doch verschwinden damit auch die Einkommensunterschiede? Ein Blick in die STAR-Untersuchung 2023. Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin Der Frauenanteil in der Anwaltschaft ist auf 37,097 % gestiegen, so die Mitgliederstatistik der BRAK zum 1.1.2024. „Wir sind gewachsen!“ freut sich eine Kasseler Kollegin auf LinkedIn, und konstatiert: „Es sind kleine Schritte, aber wir bewegen uns.“ Kleine Schritte sind es tatsächlich, in den vergangenen zehn Jahren wuchs die absolute Zahl der Anwältinnen regelmäßig um etwa 1 bis 1,5 %. Die meisten von ihnen werden (auch) Syndikusanwältinnen – und hier gibt es die größten geschlechtsbezogenen Einkommensunterschiede. DIE AKTUELLEN ZAHLEN Der Equal Pay Day, der in diesem Jahr am 6. März lag, markiert symbolisch den Tag, bis zu dem Frauen bei gleichem Gehalt faktisch umsonst gearbeitet hätten. Männer verdienten im Jahr 2023 rund 18 % mehr als Frauen für dieselben Tätigkeiten; dieser Wert ist seit 2018 recht konstant. Bereinigt um Faktoren wie Führungsverantwortung und Arbeitszeit lag der sog. Gender Pay Gap bei rund 6 %. Deutschland ist damit weiterhin eines der europäischen Schlusslichter. Auf Basis der STAR-Untersuchung 2023 beträgt der Gender Pay Gap zwischen Vollzeit arbeitenden angestellten Anwältinnen und Anwälten 23,3 %. Der „Anwalts-Equal Pay Day“ war also rechnerisch erst am 25. März. NICHT-SELBSTSTÄNDIGE Im bundesweiten Mittel verdienten angestellte (Vollzeit-)Anwälte im Jahr 2023 rund 97.000 Euro, Anwältinnen jedoch nur ca. 70.000 Euro brutto jährlich. Zum Teil dürfte dies daran liegen, dass VollzeitAnwältinnen im Schnitt 40,8 Stunden arbeiten, ihre männlichen Kollegen 45,8 Stunden (Grund vermutlich: Familie und Haushalt). Weitere Faktoren sind von Anwältinnen häufiger gewählte kleinere Kanzleigrößen und „frauentypische“, weniger lukrative Fachgebiete, für die STAR jeweils geringere Umsätze und Überschüsse belegt. Insgesamt zeichnet sich hier im Vergleich zu den Vorjahren eine vorsichtige Annäherung ab. Eine deutliche Differenz besteht bei Anwältinnen und Anwälten in freier Mitarbeit: Sie verdienten im Schnitt rund 33.000 bzw. 60.000 Euro jährlich. Die größte Differenz zeigt sich – weiterhin – bei in Vollzeit tätigen Syndici: Während Syndikusanwälte im Schnitt 130.000 Euro brutto jährlich verdienten, erhielten ihre Kolleginnen nur rund 89.000 Euro. Dies liegt z.T. daran, dass weibliche Syndici häufiger in kleineren Unternehmen tätig sind, die tendenziell weniger zahlen. SELBSTSTÄNDIGE Bei den selbstständigen Anwält:innen ist die Differenz bei persönlichen Honorarumsätzen und -überschüssen in den vergangenen zehn Jahren stetig etwas angewachsen. Die erzielten Überschüsse pro Mandat illustrieren dies. Am geringsten fallen sie bei in Einzelkanzleien und Bürogemeinschaften Tätigen aus (1.374 Euro vs. 2.147 Euro bei lokalen und 2.874 Euro bei überörtlichen Sozietäten) – und gerade in diesen Kanzleiformen arbeiten überdurchschnittlich viele Frauen. Zudem ist, wie bei den Angestellten, eine Wechselwirkung zwischen Kanzleigröße und gewählten Fachgebieten bzw. Spezialisierungen zu beobachten. Die STAR-Ergebnisse zum Umgang mit Honorarvereinbarungen und zur Höhe vereinbarter Stundensätze lassen erahnen, woran das (auch) liegt: Anwältinnen rechnen häufiger nach den (oft niedrigeren) RVG-Sätzen ab, nur 59 % erzielen Umsätze aus Honorarvereinbarungen (70 % der Anwälte), in Ostdeutschland sogar nur 47 %, und vereinbaren dabei im Schnitt um rund 45 Euro geringere Stundensätze als Anwälte. Pauschalhonorare, ebenfalls oft lukrativer als RVG-Sätze, werden zu ca. 85 % von Anwälten und nur zu 14 % von Anwältinnen vereinbart. KLEINE SCHRITTE Einkommensunterschiede werden sich bei selbstständigen Anwältinnen und Anwälten vor allem durch deren strategische Entscheidungen ändern können. Mehr und größere Schritte braucht es auch für Angestellte und Syndici: Wenn die Anwaltschaft dem auch ihr drohenden Fachkräftemangel hier etwas entgegensetzen will, muss sie gerade für Anwältinnen – auch finanziell – attraktiver werden. Foto: Ink Drop/shutterstock.com

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