BRAK MAGAZIN 3/2024 18 DAI AKTUELL Atypisches und paritätisches Wechselmodell – Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt in der neuen Rechtsprechung des BGH Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht Cornelia Herrmann, Bochum Noch nie seit Einführung der Düsseldorfer Tabelle im Jahr 1962 war die Rechtsprechung zum Unterhalt so uneinheitlich. Da nehmen die Leitlinien der Oberlandesgerichte die Rechtsprechung des BGH v. 29.9.2021 (XII ZB 474/20 = zur Anrechnung von „Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt“) überwiegend nicht in ihre Leitlinien auf. Der Bundesjustizminister verkündet am 25.8.2023 in seinen Eckpunktepapieren zum Unterhalt: „Auf das asymmetrische Betreuungsrecht ist das geltende Unterhaltsrecht hingegen unzureichend eingestellt.“ Dennoch: Die dogmatischen Strukturen des Unterhaltsrechts erlauben, den Unterhalt bei einem asymmetrischen Wechselmodell zu bestimmen. Der Richter muss nicht rechnen, sondern nur einschätzen, welche Aufwendungen der überwiegend betreuende Elternteil einspart, und den Unterhalt entsprechend herabsetzen. Schon am 12.3.2014 (XII ZB 234/13) hat der BGH so entschieden. Die Düsseldorfer Tabelle und diverse Berechnungsprogramme vermitteln, dass man Unterhalt exakt berechnen kann. Man kann ihn aber nicht berechnen, sondern nur „einschätzen“. Denn schon die Eingruppierung in die richtige Einkommensgruppe ist nicht exakt möglich, weil geldwerte Vorteile, z.B. für Wohnen und Dienstfahrzeuge, geschätzt werden müssen. Auch die von der Rechtsprechung entwickelte Herauf- oder Herabstufung der Einkommensgruppen bei mehr oder weniger vielen Unterhaltsberechtigten erlauben keine exakte Eingruppierung. Hinzu kommt, dass die Düsseldorfer Tabelle mit jetzt 15 Einkommensgruppen, die ab Stufe 10 nicht mehr linear steigen, bei Umstufung zu ganz willkürlichen Ergebnissen kommt. Wie einfach wäre es, wenn man den Unterhalt ohne Wenn und Aber als Prozentsatz des Mindestunterhalts bestimmt und davon nur, im Fall der Betreuung im Wechselmodell, durch einen Abschlag in Prozent vom jeweiligen Unterhalt Rechnung tragen würde. Das Unterhaltsrecht wäre wieder kalkulierbar. Unsere Mandanten bekämen die Auskunft „Je nach Betreuungsmodell musst du Unterhalt zahlen: 1.000 Euro im Residenzmodell; bei Mitbetreuung 77 % und im Wechselmodell 50 % davon; der andere Elternteil muss gemessen an seinem Einkommen 33 % oder 50 % zahlen.“ Das könnte dann hin und her überwiesen oder mit Hilfe einer kleinen Gesetzesänderung verrechnet werden. Nachdem BGH und BVerfG schon entschieden haben, dass orientiert am Wohl des Kindes und bei geltender Rechtslage eine Betreuung von Kindern im Wechselmodell möglich ist, soll nach Vorlage des Eckpunktepapiers zur Reform des Kindschaftsrechts das Wechselmodell erstmalig gesetzlich geregelt werden. Mit Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten, die die Eltern stärken sollen, werden Probleme geschaffen, die wir bisher noch gar nicht kannten. Aber das Kernproblem – Vermischung von Unterhalt und Umgang und die monetären Motive, die vielfach die Ablehnung oder Forderung des Wechselmodells begründen – wird nicht einmal im Ansatz gesehen. Der BGH folgt mit seiner Entscheidung, den betreuenden Elternteil am Unterhalt zu beteiligen, dem Wandel in der Gesellschaft. Denn wenn beide Ehegatten wissen, dass sie nach ihrem jeweiligen Einkommen zum Unterhalt beitragen müssen und, dass die Betreuung im Wechselmodell mehr Geld kostet als die im Residenzmodell, dann wird es den Eltern auch möglich werden, ein am Kindeswohl orientiertes Betreuungsmodell zu vereinbaren. UNTERHALTS- UND ZUGEWINNBERECHNUNGEN MIT EXCEL EFFEKTIV GESTALTEN: EXCELBERECHNUNGEN ANHAND DER NEUESTEN BGH-RECHTSPRECHUNG (094657) Referenten: Werner Reinken, Vors. Richter am Oberlandesgericht a. D. Cornelia Herrmann, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht Live-Stream via DAI eLearning Center, 13.9.2024, 13:30–19:00 Uhr, 5,0 Zeitstunden – mit Bescheinigung nach § 15 FAO Informationen und Anmeldungen: Deutsches Anwaltsinstitut e. V. Tel.: 0234 97064-0; Fax: 0234 703507 E-Mail: info@anwaltsinstitut.de www.anwaltsinstitut.de
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