BRAK MAGAZIN 4/2024 14 TRANSPARENTE STUNDENHONORARE – GEHT DAS NOCH? Ein Urteil des EuGH sorgt für Unsicherheit, wie Anwältinnen und Anwälte wirksame Stundensätze mit ihren Mandanten vereinbaren können. Die Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern haben zur Einhaltung der Transparenzanforderungen des EuGH Thesen für die anwaltliche Praxis aufgestellt. Rechtsanwalt und Notar Dr. Wulf Albach, Darmstadt / Rechtsanwältin Jennifer Witte, Berlin* Nachdem sich die Gebührenreferentinnen und -referenten bereits bei ihrer 82. Tagung am 29.4.2023 in Dortmund eingehend mit dem Urteil des EuGH vom 12.1.2023 in der Rechtssache C-395/21 zum Transparenzgebot bei einer Zeitaufwandsklausel befasst hatten, war es erneut Thema bei ihrer 84. Tagung am 6.4.2024 in Stuttgart (s. auch die Anm. von Kunze, BRAK-Mitt. 2023, 173; Hinne, BRAKMitt. 2023,153 und BRAK-Mitt. 2024, 141). Grund dafür sind die problematischen Entwicklungen für die Anwaltschaft in der Praxis. Denn einige Rechtsschutzversicherungen nehmen Anwältinnen und Anwälte in Regress mit der Begründung, ihre geschlossene Vergütungsvereinbarung sei aufgrund des EuGH-Urteils wegen mangelnder Transparenz unwirksam. DAS EUGH-URTEIL IN ALLER KÜRZE Der zugrundeliegende Fall spielt in Litauen. Ein litauischer Anwalt hatte mit einem Verbraucher einen Stundensatz von 100 Euro vereinbart. Die Vergütungsvereinbarung enthielt weder eine Schätzung über die entstehenden Kosten noch Regelungen über eine regelmäßige Abrechnung. Nach Auffassung des EuGH war diese verwendete Klausel i.S.v. Art. 4 II der Richtlinie 93/13/EWG nicht transparent, da sie nicht klar und verständlich sei. Denn dem Verbraucher müssten vor Vertragsschluss die Informationen erteilt werden, die ihn in die Lage versetzten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen. Dies war laut EuGH hier nicht der Fall, wobei aber nach europäischem Recht allein die Intransparenz einer Klausel nur ein Umstand ist, der zu deren Missbräuchlichkeit (also Unwirksamkeit) führen kann. Letzteres sei unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu prüfen, wobei jedoch das nationale Recht ein höheres Schutzniveau vorsehen könne. Dies ist nach litauischem Recht der Fall: Dort sind Klauseln, die dem Transparenzerfordernis nicht genügen, allein deshalb unwirksam, sodass der Anwalt keine Vergütung erhielt. ERSTE NATIONALE RECHTSPRECHUNG Das OLG Köln, Teilurteil vom 12.4.2023 – 11 U 218/19, hält es im Hinblick auf das EuGH-Urteil für ausreichend, in der Vergütungsvereinbarung eine Kostenuntergrenze in Form der gesetzlichen RVG-Gebühren als Mindesthöhe vorzugeben. Die gesetzlichen Gebühren böten Verbrauchern eine grobe Orientierung für die Größenordnung der Gesamtkosten. Daher sei eine Klausel, die als Untergrenze die gesetzliche Vergütung vorsehe, nicht nach § 307 I 2, III BGB als intransparent zu beurteilen. Das OLG Bamberg griff in seinem Urteil vom 15.6.2023 – 12 U 89/22 ebenfalls die Rechtsprechung des EuGH auf und unterstrich, dass nach § 307 I 2 i.V.m. § 310 III Nr. 3 BGB bei der Frage eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot bei Verbraucherverträgen, die einer Inhaltskontrolle unterzogen werden, alle maßgeblichen Gesamtumstände bei Vertragsschluss zu berücksichtigen seien. Insofern müsse eine Gesamtwertung vorgenommen werden, in die auch besondere Kenntnisse und Fähigkeiten des Vertragspartners einzubeziehen seien, die das Gericht im konkreten Fall anFoto: jaturonoofer/shutterstock.com * Wulf Albach ist Vorsitzender der Tagung der Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern und Mitglied im Ausschuss Rechtsanwaltsvergütung der BRAK. Jennifer Witte ist Referentin der BRAK-Geschäftsführung u.a. für Gebührenrecht.
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