BRAK-Magazin Ausgabe 4/2024

BRAK MAGAZIN 4/2024 16 10 FRAGEN ZUM VERMITTLUNGSVERFAHREN DURCH DEN KAMMERVORSTAND Rechtsanwältin Ulrike Paul, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Stuttgart Die Vorstände der Rechtsanwaltskammern sind für die konsensuale Streitbeilegung zum einen zwischen ihren Mitgliedern, zum andern zwischen Mitgliedern und deren Auftraggebern zuständig. Nach § 73 I, II Nr. 2 BRAO ist der Vorstand für die Vermittlung von Streitigkeiten unter den Mitgliedern – einschließlich der Befugnis, Schlichtungsvorschläge zu unterbreiten – zuständig. Nach § 73 I, II Nr. 3 BRAO gilt dasselbe bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und deren Auftraggebern. Diese Alternative hat durch die Einrichtung der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft an Bedeutung verloren. 1. WAS IST EINE VERMITTLUNG NACH § 73 BRAO? Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer wird auf Antrag und nicht von Amts wegen tätig. Es genügt der Antrag einer Seite, um gegenüber der anderen Seite die Möglichkeiten einer Vermittlung zu erfragen. Dabei gibt es keine Formerfordernisse, es muss nur eine Seite den Wunsch äußern, die Kammer als Vermittlerin einzuschalten. Für beide Seiten ist die Teilnahme an einem Vermittlungsversuch des Vorstands freiwillig. Wenn daher eine Seite eine Vermittlung ablehnt, ist diese bereits gescheitert. Weitere Zulässigkeitserfordernisse gibt es nicht. 2. WER IST VERMITTLER? Durch die Einordnung in § 73 BRAO ist Vermittler grundsätzlich der Vorstand der Rechtsanwaltskammer. Dieser wird in seinem Geschäftsverteilungsplan die zuständigen Mitglieder für Vermittlungen festlegen. Und zwar zum einen für die Vermittlung zwischen Rechtsanwälten, zum anderen für die Vermittlungen zwischen Rechtsanwälten und deren Auftraggebern. 3. WELCHE VERFAHRENSARTEN GIBT ES? Es gibt die Vermittlungsverfahren zwischen Anwälten und die Vermittlungsverfahren zwischen Anwälten und deren Auftraggeber. Voraussetzungen für beide Verfahren ist ein Antrag. Bei Vermittlungsverfahren zwischen Anwälten gilt, dass diese nur stattfinden, wenn beide Seiten mit der Durchführung des Vermittlungsverfahrens einverstanden sind. Bei Streitigkeiten zwischen Anwälten und ihren Mandanten gilt, dass ein Vermittlungsverfahren gegen den Anwalt auch ohne die Zustimmung des Anwalts eingeleitet wird. Allerdings ist der Schlichtungsvorschlag nur dann verbindlich, wenn er von beiden Seiten, also auch von Seiten des Anwalts angenommen wird (vgl. § 73 V BRAO). 4. WIE WIRD DAS VERMITTLUNGSVERFAHREN DURCHGEFÜHRT? Über die Ausgestaltung der Vermittlung entscheidet grundsätzlich der Vermittler. Die Durchführung eines Vermittlungsgesprächs und das persönliche Erscheinen des Antragsgegners soll dann angeordnet werden, wenn der Vermittler nach Prüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommt, dass durch ein Vermittlungsgespräch in Anwesenheit des Anwalts eine Einigung gefördert werden kann. Gemäß § 56 II BRAO hat der Rechtsanwalt im Vermittlungsverfahren der Rechtsanwaltskammer auf Verlangen vor dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer oder einem beauftragten Mitglied des Vorstands zu erscheinen. Erscheint der Anwalt nicht, kann dies berufsrechtlich sanktioniert werden. Der Vermittler ist bei seiner Tätigkeit jedoch weitgehend frei. Er kann alle Möglichkeiten konsensualer Konfliktbeilegung ausschöpfen, insbesondere schriftlich oder telefonisch mit den Parteien verhandeln, Einzelgespräche führen usw. Die Vermittlungsvorschläge sollen die rechtlichen Aspekte berücksichtigen. Sie können aber auch alle anderen Aspekte, die in irgendeiner Form mit der Sache zu tun haben, berücksichtigen. Oft ist es schon ein Erfolg der Vermittlungstätigkeit, wenn die Streitparteien wieder ins Gespräch miteinander kommen, da häufig Streitigkeiten aus Kommunikationsdefiziten zwischen den Parteien resultieren. Bisweilen hilft es schon, wenn der Vermittler dem Antragsteller erläutert, warum der Anwalt so abgerechnet hat. Auch Vermittlungen unter Anwälten sind bisweilen deshalb erfolgversprechend, weil die Parteien über den Vermittler ins Gespräch miteinander kommen und so konsensuale Lösungen erzielt werden Foto: BlueBoeing/shutterstock.com

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