BRAK MAGAZIN 4/2024 18 ANWALTLICHER FEHLER ALLEIN BRINGT NOCH KEINEN SCHADENSERSATZ Exemplarisches aus der Schlichtungsstelle – Folge 12 Schlichterin Uta Fölster, Berlin Mein Anwalt macht einen Fehler und trotzdem soll ich keinen Schadensersatz bekommen – wie kann das sein?! Die Antwort der Schlichtungsstelle darauf verärgerte einen Softwareentwickler. DER STREITFALL Er hatte ein Notebook für rund 4.300 Euro gekauft. Mehrere Monate nach dem Kauf reklamierte er Hitze- und Lautstärkeprobleme und wollte das Gerät gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben. Sein Rechtsanwalt erhob Klage, die das AG zunächst durch Versäumnisurteil zurückwies. Trotz Einspruchs des Klägers wurde das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hieß es u.a.: Der Sachverständige konnte im Rahmen einer Untersuchung des Geräts beim Kläger keine Mängel feststellen. Der Behauptung des Klägers, er habe dem Sachverständigen versehentlich nicht mitgeteilt, einen „Turbo Boost Switcher“ installiert zu haben, schenkte das Gericht keinen Glauben. Gegen dieses Urteil legte der Anwalt Berufung ein – allerdings beim falschen Gericht. Die Rechtsmittelfrist wurde mithin nicht eingehalten. Wegen dieses Fehlers verlangt der Kläger von seinem Anwalt Schadensersatz in Höhe von 75 % des Kaufpreises und hat deshalb die Schlichtungsstelle angerufen. SCHLICHTUNG – KOSTENFREI UND LÖSUNGSORIENTIERT Die Schlichtungsstelle hat in einem ausführlich begründeten Vorschlag dargelegt, weshalb das Verlangen unbegründet ist: Es steht zwar fest, dass die Berufung zu spät eingelegt wurde. Diese Pflichtverletzung des Anwalts hat jedoch bei dem Antragsteller nicht zu einem Schaden geführt. Denn es müsste auch feststehen, dass er den (anteiligen) Kaufpreis ohne die Pflichtverletzung erhalten hätte. Die Klage wurde jedoch in erster Instanz wegen des für den Antragsteller ungünstigen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Dass die nächste Instanz zu einem günstigeren Ergebnis gekommen wäre, erscheint jedenfalls zweifelhaft. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO nur dann veranlasst, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellung begründen. Hierfür sah die Schlichtungsstelle keine Anhaltspunkte. Das in der ersten Instanz eingeholte Gutachten lässt keinen Raum für unterschiedliche Wertungen, da der Sachverständige keinerlei Mängel am Notebook feststellen konnte. Der Mandant hätte dem Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung die konkreten Probleme des Geräts zeigen können. Auf die von ihm selbst installierte Software zur Reduzierung der Lüftungsprobleme hätte er den Sachverständigen hinweisen und diese ggf. deinstallieren oder deaktivieren können und müssen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass in der zweiten Instanz noch ein Vergleich möglich gewesen wäre, wonach dem Antragsteller 75 % des Kaufpreises erstattet und das Notebook bei ihm hätte verbleiben können. Denn der Gegner hatte bereits in der ersten Instanz einen Vergleichsvorschlag des Gerichts mit geringerer Zahlung und Verbleiben des Notebooks beim Käufer abgelehnt. Das Berufungsverfahren hätte mithin, selbst wenn es bei rechtzeitiger Berufungseinlegung durchgeführt worden wäre, keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Den Vorschlag der Schlichtungsstelle, an der Schadensersatzforderung nicht festzuhalten, hat der Antragsteller für eine „Frechheit“ gehalten. Eine solche, nicht gerade höfliche Reaktion zeigt, wie schwer es ist einzusehen, dass ein anwaltlicher Fehler nicht ohne Weiteres Schadensersatzansprüche auslöst. Foto: Shawn Hempel/shutterstock.com Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft vermittelt unbürokratisch und schnell bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Mandant:innen und Rechtsanwält:innen, d.h. bei Gebühren – und/oder Schadensersatzforderungen. Wie es in dem ausschließlich schriftlichen Verfahren gelingen kann, auf der Grundlage des Gesetzes einvernehmliche Lösungen zu erzielen, stellt die Schlichterin in jedem Heft seit Anfang 2022 anhand kurzer Beispiele aus der Praxis dar.
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0