BRAK MAGAZIN 1/2025 12 ERFOLGREICHE SCHLICHTUNG IN SACHEN „DIESELSKANDAL“ Exemplarisches aus der Schlichtungsstelle – Folge 14 ehemalige Schlichterin Uta Fölster, Berlin Eher selten kommt es vor, dass die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (SdR) einen Schadensersatzanpruch gegen eine Anwältin oder einen Anwalt für begründet erachtet und dann auch noch beide Parteien dem Schlichtungsvorschlag zustimmen. Das Verfahren aus dem Komplex „Dieselskandal“ gehört zu diesen seltenen Fällen. DER STREITFALL Die Käuferin eines „Diesel-Audis“ hatte 2018 selbst einen Anspruch zum Register einer Musterfeststellungsklage (MFK) angemeldet. Als die Gegenseite einen Vergleich anbot, beauftragte sie eine Rechtsanwalts-GmbH (RA-GmbH). Diese erhob schließlich Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Pkw. Das LG gab der Klägerin überwiegend recht, legte ihr allerdings wegen erfolglos eingeklagter vorgerichtlicher Anwaltskosten 30 % der Kosten auf. Auf die Berufung der Gegenseite unterlag die Käuferin beim OLG. Die Gegenseite hatte die in erster Instanz zurückgenommene Einrede der Verjährung wieder erhoben. Diese hielt das OLG für begründet. Zur Anmeldung zum Musterverfahren hatte die RA-GmbH in zweiter Instanz nichts vorgetragen. Die Käuferin sieht darin eine schuldhafte Pflichtverletzung und verlangt Schadensersatz. SCHLICHTUNG – KOSTENFREI UND LÖSUNGSORIENTIERT Der rechtliche Kern des Verfahrens war die Frage, ob der Pflichtverstoß – der unterlassene Vortrag beim OLG – tatsächlich einen Schaden bei der Verkäuferin verursacht hat. Waren die Angaben der Verkäuferin bei der MFK-Anmeldung ausreichend individualisiert, um den Anspruch einem konkreten Rechtsverhältnis zuordnen zu können? Unstreitig fehlten die Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) und das amtliche Kennzeichen. Wäre das OLG bei ordnungsgemäßem Vortrag von einem unverjährten Anspruch ausgegangen? Mit überzeugender, ausführlicher Begründung legt die SdR dar, dass und weshalb jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, diese Fragen mit „ja“ zu beantworten: Zwar seien die Oberlandesgerichte in ähnlichen Verfahren bei der Würdigung der Einzelfallumstände zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Außerdem habe das Urteil des BGH von Juli 2022 noch nicht vorgelegen, wonach in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob zur Individualisierung des Anspruchs die FIN erforderlich sei. Sie sei zumindest nicht in jedem Fall geboten. Davon ausgehend nimmt der Schlichtungsvorschlag, zugunsten der Käuferin eine Quote von 60 : 40 an. Bis auf das Fehlen von FIN und Kennzeichen waren die übrigen Angaben im MFK-Verfahren recht präzise. Es spricht also einiges dafür, dass das OLG eine ausreichende Individualisierung angenommen hätte. Im Übrigen enthält das OLG- Urteil keine Hinweise darauf, dass die Klage aus anderen Gründen abgewiesen worden wäre. Das Unterlassen notwendigen Sachvortrags war auch schuldhaft. Zumindest war im Berufungsverfahren die OLG-Rechtsprechung bekannt, wonach an die Verjährungshemmung einer MFK-Anmeldung strenge Anforderungen zu stellen sind. Die RA-GmbH hätte also allen Anlass gehabt, dazu vorzutragen. Sodann berechnet die SdR im Detail den vollen Schadensbetrag und berücksichtigt insoweit auch ausgeurteilte Verzugszinsen, Rechtsstreitkosten sowie Gebührenansprüche der RA-GmbH. Der einvernehmlich angenommene Vorschlag lautet, dass die RA-GmbH ihrer Mandantin 6.679,46 Euro zahlt. Und auch das fällt unter die Rubrik „selten“: Es hat uns gefreut, dass die Antragstellerin sich sehr für den ausführlichen Schlichtungsvorschlag bedankt und angekündigt hat, einen Teil des Geldes der Freiwilligen Feuerwehr spenden zu wollen. Foto: Shawn Hempel/shutterstock.com Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft vermittelt unbürokratisch und schnell bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Mandant:innen und Rechtsanwält:innen, d.h. bei Gebühren – und/oder Schadensersatzforderungen. Wie es in dem ausschließlich schriftlichen Verfahren gelingen kann, auf der Grundlage des Gesetzes einvernehmliche Lösungen zu erzielen, stellt die Schlichterin in jedem Heft seit Anfang 2022 anhand kurzer Beispiele aus der Praxis dar.
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