BRAK MAGAZIN 1/2025 14 10 FRAGEN ZUM VERFAHREN VOR GÜTESTELLEN Dr. Peter Röthemeyer, Wennigsen Gütestellen bieten außergerichtliche konsensuale Streitbeilegungsverfahren an und sollen die staatliche Justiz entlasten. Das Zivilprozessrecht bezieht sich seit 1924 auf „durch die Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestellen“. Für solche Gütestellen gelten besondere Regelungen (Privilegien) zur Vollstreckbarkeit, Verjährungshemmung und Kosten/Gebühren (§ 794 I Nr. 1 ZPO, § 204 I Nr. 4 BGB, § 91 III ZPO, § 17 Nr. 7 RVG). Ferner sind Länder befugt, für bestimmte Streitigkeiten den Zugang zur staatlichen Justiz von dem Versuch einer Einigung bei einer Gütestelle abhängig zu machen (§ 15a EGZPO). 1. WELCHE ARTEN VON GÜTESTELLEN GIBT ES? Die von den Ländern eingerichteten Stellen stehen in einer langen Tradition, die mit der Entwicklung des kommunalen Schiedsamtswesens 1827 in Preußen begann. Bis heute bestehen in den meisten Bundesländern (außer Baden-Württemberg, Bayern und Bremen) kommunale Stellen, die als Sühnestellen für Strafrechtsfälle und als Gütestellen für zivilrechtliche Streitigkeiten arbeiten. In Hamburg ist die Öffentliche Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle (ÖRA) zuständig. Bei den anerkannten Gütestellen handelt es sich um privatrechtliche Einrichtungen, die zumeist von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten betrieben werden. Die meisten Bundesländer erkennen Gütestellen an, inzwischen durchgehend auf gesetzlicher Basis. Die Länder sind nicht verpflichtet, gesetzliche Regelungen zu Anerkennung zu schaffen (BGH, Beschl. v. 29.5.2013 – IV AR(VZ) 3/12, ZKM 2013, 131). Für Verfahren bei nicht eingerichteten oder anerkannten, also „sonstigen“ (vgl. § 15a III EGZPO) Gütestellen gelten die Regelungen (Privilegien) der ZPO eingeschränkt. 2. WAS IST DER OBLIGATORISCHE EINIGUNGSVERSUCH? § 15a EGZPO befugt die Länder, für bestimmte Streitigkeiten den Zugang zur staatlichen Justiz von dem Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung abhängig zu machen. Dies ist derzeit in Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein für das Nachbarschaftsrecht und für Klagen wegen Ehrverletzungen umgesetzt, in vier der genannten Länder auch für Streitigkeiten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. In Bayern ist die obligatorische Schlichtung der Notar- und Rechtsanwaltschaft anvertraut, die anderen genannten Länder greifen auf das unter 1. beschriebene kommunale System zurück. Klagen, die trotz landesrechtlicher Vorgabe ohne vorheriges Gütestellenverfahren erhoben werden, sind unzulässig und ohne Möglichkeit der Nachholung des Verfahrens abzuweisen (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437). 3. WER SIND DIE STREITMITTELNDEN PERSONEN? Die oben genannten Bundesgesetze sprechen von „Gütestellen“, ohne Anforderungen an die handelnden Personen zu stellen oder diese auch nur näher zu bezeichnen. Das Landesrecht verwendet im Bereich der eingerichteten Gütestellen zumeist den Begriff der „Schiedsperson“ (Schiedsfrauen und -männer), in Sachsen den der „Friedensrichterin/des Friedensrichters“ und in Hamburg den der/des „Vorsitzenden“. Die fachlichen Anforderungen sind zumeist niedrigschwellig, insb. wird mit Ausnahme von Hamburg keine juristische Ausbildung verlangt. Demgegenüber verlangen die Landesgesetze für die anerkannte Gütestelle überwiegend eine juristische Qualifikation. Foto: PowerUp/shutterstock.com
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