BRAK-Magazin Ausgabe 1/2025

BRAK MAGAZIN 1/2025 15 4. WELCHES VERFAHREN WIRD ANGEWANDT? Das Gesetz spricht in § 15a EGZPO vom Versuch einer einvernehmlichen Beilegung der Streitigkeit, ohne hier oder in anderen Vorschriften Vorgaben zur anzuwendenden Methodik oder zu Verfahrensgrundsätzen zu machen. Die Landesgesetze enthalten überwiegend nur vage Aussagen zum Kernverfahren. In der Praxis bedienen sich die Streitmittler:innen häufig der Konfliktmoderation oder Schlichtung, in deren Rahmen sie auch Einigungsvorschläge unterbreiten. Mediation wird kaum angeboten, wohl aber bedienen sich viele Streitmittler:innen mediativer Methoden und Instrumente. Die anerkannten Gütestellen verfügen über eine (genehmigungsbedürftige) Verfahrensordnung, in der zumeist Schlichtung und seltener Mediation vorgesehen ist. 5. HEMMT DAS SCHLICHTUNGSVERFAHREN DIE VERJÄHRUNG? Nach § 204 I Nr. 4 lit. a BGB wird die Verjährung sowohl für eingerichtete wie auch für anerkannte Gütestellen gehemmt. Zur Hemmungswirkung kommt es auf die Veranlassung der Bekanntgabe seitens der Gütestelle an, bei schneller Bekanntgabe („demnächst“) tritt die Hemmung bereits mit dem Antragseingang ein. Wegen der unkompliziert und kostengünstig zu erreichenden Verjährungshemmung werden insb. anerkannte Gütestellen nicht selten (nur) für diesen Zweck angerufen. Bei den sonstigen Gütestellen (s.o. 1.) kann die Verjährungshemmung gem. § 204 I Nr. 4 lit. b BGB nur eintreten, wenn das Güteverfahren einvernehmlich geführt wird, wobei im Rahmen der obligatorischen Streitbeilegung (s.o. 2.) das Einvernehmen bei Anrufung bestimmter Institutionen unwiderleglich vermutet wird (§ 15a III 2 EGZPO). 6. SIND SCHLICHTUNGSVERGLEICHE VOLLSTRECKUNGSTITEL? Schlichtungsvergleiche, die vor einer eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen worden sind, sind gem. § 794 I Nr. 1 ZPO Vollstreckungstitel; für die Erteilung der Vollstreckungsklausel ist nach § 797a I ZPO das örtliche Amtsgericht zuständig. Vergleiche, die vor sonstigen Gütestellen (s.o. 1.) abgeschlossen werden, sind dagegen keine Vollstreckungstitel. 7. WELCHE ERFOLGSAUSSICHT BESTEHT BEIM GÜTESTELLENVERFAHREN? Die Verfahren in den 13 Bundesländern mit einem Schiedsamtswesen (s.o. 1.) oder vergleichbaren Einrichtungen endeten in den Jahren 2017 bis 2021 im Mittel zu rund 64,3 % mit einem Vergleich, wenn beide Parteien zur Verhandlung erschienen (Quelle: https://www.bundesjustizamt.de/DE/Service/Justiz​ statistiken/Justizstatistiken_node.html#AnkerDoku​ ment44128). Bundesweite Daten zu den anerkannten und sonstigen Gütestellen liegen nicht vor. 8. WIE TEUER IST DAS VERFAHREN? Die Kosten der eingerichteten Gütestellen sind gering. Für das Schiedsamts-Verfahren werden je nach Bundesland 10–25 Euro erhoben, im Fall eines Vergleichs erhöht sich die Gebühr auf 20–25 Euro. Daneben erlauben die Schiedsamtsgesetze in Fällen besonderer Schwierigkeit unter Abwägung mit den Interessen der Verfahrensbeteiligten eine Erhöhung auf max. zwischen 40 und 75 Euro. Bei der ÖRA in Hamburg (s.o. 1.) richtet sich die Gebühr nach dem Gegenstandswert, beginnend mit 5 Euro für Werte bis 500 Euro. Für die obligatorische Streitbeilegung (s.o. 2.) in Bayern werden 100 Euro erhoben, wenn es zu einem Schlichtungsgespräch kommt. Die Kosten der anerkannten Gütestellen sind in den Verfahrensordnungen unterschiedlich bestimmt; sie orientieren sich häufig am Markt für Mediationsdienstleistungen, sind allerdings teilweise landesrechtlich limitiert. Im Fall des Scheiterns des Güteverfahrens stellen dessen Gebühren gem. § 91 III ZPO, § 15a IV EGZPO Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits dar, werden also im Maße des Obsiegens und Unterliegens getragen. 9. WAS GILT FÜR ANWALTSKOSTEN? Die Parteien können sich zwar in den meisten Gütestellenverfahren nicht vertreten, wohl aber anwaltlich begleiten lassen. Nach § 17 Nr. 7 lit. a und d RVG stellt die Tätigkeit im Güteverfahren eine im Verhältnis zum gerichtlichen Verfahren eigene gebührenrechtliche Angelegenheit dar, die mit einer 1,5 Geschäftsgebühr und ggf. einer 1,5 Einigungsgebühr vergütet wird. Kosten für das Schiedsamtsverfahren begleitende Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können nach herrschender Meinung notwendige Vorbereitungskosten darstellen. 10. WELCHES FAZIT KÖNNTE MAN AUS ANWALTSSICHT ZIEHEN? Gütestellen bieten nicht nur einfachen Zugang zu Verjährungshemmung und Vollstreckbarkeit, sondern auch die kostengünstige Chance, rasch zu einer Einigung zu kommen oder im anderen Fall förderliche Einblicke in die Streitdynamik und die Interessen auch der anderen Seite zu erlangen. Insbesondere die Mediation bei anerkannten Gütestellen kann zur nachhaltigen außergerichtlichen Klärung auch komplexer Problemlagen führen.

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