BRAK-Magazin Ausgabe 1/2025

BRAK MAGAZIN 1/2025 18 DAI AKTUELL Wie geht es weiter, nach dem Aus für die Reformen zum Unterhaltsrecht und Kindschaftsrecht Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht Cornelia Herrmann, Bochum Die Diskussionsentwürfe zur Modernisierung des Kindschafts- und Unterhaltsrechts vermitteln den Eindruck, man könne Unterhalt exakt berechnen und Umgangsmodelle an Übernachtungen zählen, wenn man die Justiz nur gehörig gängelt. Das Übergangsproblem, wann muss ein betreuender Elternteil wieder arbeiten, wird nicht gelöst. Stattdessen erfolgt eine Gleichstellung aller betreuender Elternteile unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder waren. Ganz sicher brauchen wir nicht drei unterschiedliche Rechenwege, um je nach Betreuungsmodell den Unterhalt zu ermitteln. Die Einkommensermittlung ist schon kompliziert genug, weil wir uns verzetteln und von einem Nettoverdienst mit vielen individuellen Abzugspositionen ausgehen, statt von einem Bruttoverdienst und pauschalen Abzügen. Das wäre ein Ansatz für Reformen und würde das Unterhaltsrecht vereinfachen. Der Wunsch nach einer wenigstens annähernd paritätischen Mitbetreuung der Kinder im Alltag durch beide Elternteile verändert nicht nur die Rollenverteilung in den Familien, sondern verlangt nach alternativen Betreuungssystemen nach Trennung und Scheidung. Die Rechtsprechung hat auf den gesellschaftlichen Wandel reagiert. So haben BGH und BVerfG entschieden, dass nach geltendem Recht die Betreuung in jeder Form – nicht nur als Residenzmodell, sondern auch als atypisches Wechselmodell oder paritätisches Wechselmodell – geregelt werden kann. Auf die damit einhergehenden Anforderungen im Unterhaltsrecht hat der BGH (Beschl. v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13) vor mehr als zehn Jahren reagiert. Die wirtschaftliche Belastung des mitbetreuenden Elternteils aus Fahrtkosten und Wohnkosten einerseits und die ersparten Aufwendungen des betreuenden Elternteils für Essen und Energiekosten andererseits können zu einer Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen führen. Wobei, so der BGH, die Düsseldorfer Tabelle nur Hilfsmittel für die Unterhaltsbemessung sei und das mit ihrer Hilfe gewonnene Ergebnis durch den Tatrichter auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen sei. Beim Kindesunterhalt gibt es Veränderungen in der Rechtsprechung des BGH, die sich auch auf den Ehegattenunterhalt auswirken. Waren es erst sanfte Hinweise, so vertritt der BGH (Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20) jetzt mit Nachdruck, aber nicht unumstritten, dass es beim Unterhalt der Kinder gem. § 1610 BGB, unabhängig von der Betreuungsform, auf die Lebensstellung beider Eltern ankommt. Bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts ist von den Einkünften beider Eltern der Kindesunterhaltsbedarf abzusetzen. Dabei kann der Unterhaltspflichtige Unterhalt in Höhe des Zahlbetrags nach seiner Leistungsfähigkeit abziehen und der Unterhaltsberechtigte einen Betrag, den der BGH als „Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt“ bezeichnet. Ermittelt wird dieser als Differenz aus dem nach dem Gesamteinkommen der Eltern berechneten Unterhaltsbedarf, abzüglich des hälftigen Kindergeldes und des von dem Barunterhaltspflichtigen gezahlten Kindesunterhalts. Die Unterhaltsberechnung beim Wechselmodell hat sich etabliert. Bei erweitertem Umgang im atypischen Wechselmodell wird der Unterhalt reduziert. Wir können also weitermachen wie bisher mit einer Rechtsprechung, die gesellschaftliche Veränderungen wahrnimmt und ihre Berechnungen auf Angemessenheit und Ausgewogenheit überprüft. ATYPISCHES UND PARITÄTISCHES WECHSELMODEL – KINDESUNTERHALT UND EHEGATTENUNTERHALT IN DER NEUEN RECHTSPRECHUNG DES BGH (09246126) Referentin: Cornelia Herrmann, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht, Bochum Live-Stream via DAI eLearning Center, 15.4.2025, 13:30–19:00 Uhr, 5,0 Zeitstunden – mit Bescheinigung nach § 15 FAO Informationen und Anmeldungen: Deutsches Anwaltsinstitut e. V. Tel.: 0234 97064-0; Fax: 0234 703507 E-Mail: info@anwaltsinstitut.de www.anwaltsinstitut.de

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