BRAK-Magazin Ausgabe 1/2025

BRAK MAGAZIN 1/2025 9 der BRAK veröffentlichten Untersuchung zu Ausbildungsabbrüchen spiegeln, müsse man ernst nehmen. Was man dagegen tun kann? Kuhlens Ansatz ist es, die Azubis in die Kanzleiabläufe einzubinden und ihnen feste Ansprechpersonen zur Seite zu stellen. Sie hält für wichtig, dass man den Azubis beim Einordnen dessen hilft, was zu Beginn der Ausbildung passiert, und dass man ihre Kommunikationsfähigkeit stärkt und ihr Interesse an dem weckt, womit sich die Kanzlei beschäftigt. Außerdem seien die Fachkräfte ein Teil des Teams – deshalb müsse man von Beginn an auf Augenhöhe mit ihnen interagieren. Um Mitarbeitende zu binden, ist aus Kuhlens Sicht das Gehalt ohnehin oft nicht konkurrenzfähig. Immens wichtig seien dagegen ein gutes Arbeitsklima und wertschätzender Umgang, gemeinsamer Sport in der Kanzlei und generell die Haltung „ich sehe dich und will mit dir gemeinsam wachsen“. Das umfasst – leider nicht immer selbstverständlich – respektvollen Umgang und nette Kleinigkeiten wie das Achten auf Geburtstage oder dass die Azubis beim Kanzlei-Lunch nicht selbst zahlen müssen. Kuhlen thematisierte außerdem, wie man an passende Azubis kommt und was man dem miesen Anwalts-Image entgegensetzen kann. Netzwerken und begeistert über die eigene Arbeit reden, ist hier der Ansatz, der für sie gut funktioniert. VOGELPERSPEKTIVE SUPERVISION Abschließend nahm der Mediator und Supervisor Franz-Josef Rochel die Gemengelage von Personen unter die Lupe, die in einer Kanzlei zusammenwirken. Dabei nahm er vor allem Anwältinnen und Anwälte als Ausbildende und Chefs in die Pflicht: Sie sollten reflektieren, was sie mit ihren Leuten machen und wodurch ihr eigenes Handeln beeinflusst ist. Denn es komme nicht so sehr darauf an, was der Anwalt oder die Anwältin sagt, sondern wie er oder sie sich verhält. Ein selbstreflektierender Blick zeigt, dass man als Anwalt oder Anwältin vor allem mit Negativem zu tun hat: Gegner, Konflikte, Probleme, Erwartungen, Leistungsdruck. Weil wir darauf spezialisiert sind, Lösungen für andere zu erarbeiten, machen wir sie in gewisser Weise zum Objekt unserer beruflichen Bewertung. Diese Haltung kann im Umgang mit Kollegen und Mitarbeitenden mitunter schwierig sein, denn „das Negative setzt sich fest“, erklärte Rochel, und man übertrage häufig unbewusst den eigenen Stress auf andere in der Kanzlei – auch auf die Azubis. Supervision sieht Rochel hier als möglichen Lösungsweg. Sie nimmt quasi die Vogelperspektive über Interaktionen ein und hilft zu verstehen, was passiert ist; zu erkennen, was man ändern muss; und schließlich anders zu handeln – also anders mit Kollegen, ReFas und Azubis umzugehen. Im Kern bedeutet das, alle Personen in der Kanzlei ungeachtet ihrer unterschiedlichen beruflichen Stellung als Team zu sehen, in dem alle wichtige Teile sind. Wertschätzung ist dabei der wesentliche Gesichtspunkt. Mitarbeitende und Azubis müssen sich als gleichberechtigte Subjekte wahrgenommen fühlen, z.B. indem ihnen der Chef mal ein paar Minuten den Rücken freihält, wenn sie gerade Stress haben. Wichtigster Baustein, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden, ist für Rochel ein besseres Image bei den Mitarbeitenden – man müsse zeigen, dass „Anwälte nicht nur Kotzbrocken“ sind. Und das erfordert eben als ersten Schritt Selbstreflexion, bei der Supervision helfen kann. VIEL STOFF FÜR DISKUSSIONEN Alle vier Vorträge gaben den Anwesenden eine Menge Stoff zum Nachdenken, viele interessante Fragen und Gedanken wurde in die anschließende Diskussion eingebracht: Wie man Theorie und Praxis in der Berufsschule besser verzahnen kann. Ob man Kanzleiwechsel verpflichtend machen soll, damit Azubis einen breiteren Einblick bekommen, ähnlich wie im Referendariat. Wie regelmäßiges gemeinsames Essen des Kanzleiteams und offene Fragen an ReFas und Azubis helfen können. Wieso es eine gute Idee ist, ReFas an Erstberatungen mit Mandanten teilnehmen zu lassen. Warum Dankesagen gut fürs Selbstwertgefühl und die Bindung von Mitarbeitenden ist. Auch nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung diskutierten die Anwesenden darüber noch lange in lockerer Runde weiter. LITERATUR ZUR SITUATION VON REFAS: Vortrag von Jasmin Troitsch im Volltext Interview mit Jasmin Troitsch im Tagesspiegel Genitheim, BRAK-Mitt. 2025, 5: Jobzufriedenheit von ReFas und Azubis Theus/Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 212: Ausbildungsabbrüche und ihre Gründe Genitheim/Herl, BRAK-Mitt. 2023, 281: Probleme in der ReFa-Ausbildung

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