BRAK-Mitteilungen 4/2020
2. MODIFIZIERTE PFLICHTEN Die Absätze 4 und 5 des § 47b BRAO-V enthalten Modi- fikationen betreffend die anwaltliche Schweigepflicht und die Herausgabepflicht von Mandantenunterlagen. a) SCHWEIGEPFLICHT § 47b IV BRAO-V stellt zunächst klar, dass der Insol- venzverwalter einer Schweigepflicht unterfällt. 17 17 So für den anwaltlichen Insolvenzverwalter Henssler, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 43a Rn. 46c; Gasteyer, in Hartung/Scharmer, BORA, 7. Aufl. 2020, § 2 Rn. 48; a.A. Deckenbrock/Fleckner , ZIP 2005, 2290. Das ist schon mit Blick auf dessen weitreichende Auskunftsan- sprüche gegenüber dem Schuldner, gesetzlichen Vertre- tern des Schuldners, Angestellten des Schuldners etc. geboten oder auch im Hinblick auf Betriebsgeheimnisse oder persönliche Geheimnisse, die dem Insolvenzver- walter regelmäßig zuteilwerden. Die Verschwiegen- heitspflicht und das daraus resultierende Verschwie- genheitsrecht unterstützen und ermöglichen eine ver- trauensvolle Zusammenarbeit zwischen Verwalter und Verfahrensbeteiligten im Interesse des Insolvenzzwecks. Sie bewahren den Verwalter auch vor zivilrechtlicher Zeugeneinvernahme, in deren Rahmen er über ihm zu- teil gewordene Geheimnisse aussagen soll, was auch dem Verfahrenszweck zuwiderlaufen kann. Mit Blick auf die Aufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58 InsO), die Überwachungsfunktion des Gläubigeraus- schusses (§ 69 InsO) und die Auskunftsansprüche der Gläubigerversammlung (§ 79 I InsO) kann die Ver- schwiegenheitspflicht aber nicht absolut gelten. § 47b IV BRAO-V nimmt daher das Insolvenzgericht und die Verfahrensbeteiligten von der Verschwiegenheitspflicht des Insolvenzverwalters aus. Ferner wird die Preisgabe von Informationen häufig auch sonst im Interesse einer ordnungsgemäßen Abwicklung des Insolvenzverfahrens geboten sein, etwa im Rahmen eines Investorenprozes- ses oder sogar in Pressemitteilungen, etwa um Gläubi- ger anzusprechen, die anderweitig nicht bekannt und nicht erreicht werden können oder um Interessenten für eine Betriebsübernahme zu erreichen. Deshalb greift die Norm auch diese Konstellationen als Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht auf. Um hier für den Insol- venzverwalter hinreichend Rechtssicherheit zu schaffen, stellt der Normvorschlag darauf ab, dass es für die Rechtmäßigkeit der Preisgabe ausreichend ist, dass die- se im Abwicklungsinteresse geboten „erscheint“. b) HERAUSGABE VON UNTERLAGEN Für das anwaltliche Mandat regelt § 50 II BRAO, dass der Rechtsanwalt Dokumente, die er aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, seinem Auftraggeber auf Verlangen he- rauszugeben hat. Diese Regelung geht für das Insol- venzverfahren fehl, weil das Gesetz in § 80 InsO dem Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungs- befugnis über das zur Masse gehörende Vermögen überträgt; dazu gehören gem. § 36 II Nr. 1 InsO auch die Geschäftsbücher des Schuldners. § 47b V BRAO-V modifiziert daher die Regelung in § 50 II 1 BRAO dahingehend, dass der Insolvenzverwalter die vom Schuldner erhaltenen Dokumente nach rechts- kräftigem Abschluss des Insolvenzverfahrens auf des- sen Verlangen herauszugeben hat. Gleichzeitig wird hierdurch klargestellt, dass § 50 BRAO im Übrigen auch für den Insolvenzverwalter gilt. Er muss also gem. § 50 I BRAO durch das Führen von Handakten, die auch elektronisch geführt werden können (§ 50 IV BRAO), ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung seiner Verwaltungen geben können und er hat die Handakten für die Dauer von sechs Jahren nach Abschluss des Verfahrens aufzubewahren. Nach § 50 II 3 BRAO kann der Insolvenzverwalter den Schuldner auffordern, überlassene Unterlagen wieder zurückzunehmen, anderenfalls der Insolvenzverwalter – wegen § 80 InsO erst nach Abschluss des Verfahrens – nur sechs Monate zu deren Aufbewahrung verpflichtet ist. Insbesondere in Fällen, in denen das Insolvenzver- fahren gar nicht zur Eröffnung gelangt, kann der vorläu- fige Insolvenzverwalter somit die Abholung der Unterla- gen fordern. IV. DISZIPLINARMASSNAHMEN Ungeachtet diesbezüglicher Reformüberlegungen 18 18 Vgl. etwa Kilian , AnwBl. 2015, 278 ff.; Geiersberger , AnwBl. 2015, 327 f. ver- fügt die Anwaltschaft über ein effektives und bewährtes System zur Überwachung und Ahndung anwaltlicher Berufspflichtverletzungen. 1. BESCHWERDE- UND ANWALTSGERICHTLICHES VERFAHREN Das beginnt bereits damit, dass die Gerichte und Ge- richtsvollzieher nach Nr. XXIII MiZi 19 19 Neufassung der Anordnung über die Mitteilungen in Zivilsachen vom 29.4.1998 i.d.F. v. 23.11.2018. den Rechtsan- waltskammern Mitteilungen über Forderungsklagen ge- gen Kammermitglieder, Feststellungsklagen wegen Amtspflichtverletzungen, in Vollstreckungssachen etc. machen, soweit das zur „Prüfung und Ergreifung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Rücknahme oder dem Widerruf einer Zulassung bzw. Erlaubnis, Un- tersagung oder der Einleitung eines rüge- oder berufs- gerichtlichen Verfahrens“ veranlasst ist. Entsprechende Mitteilungspflichten der Gerichte und Staatsanwaltschaften bestehen ferner gemäß Nr. 23 MiStra 20 20 Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen v. 29.3.2019. in Strafsachen. Demnach müssen den Kam- mern u.a. der Erlass und der Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls gegen Anwälte, die Erhebung der öffentlichen Klage, die Urteile sowie in besonderen Fällen schon die Einleitung und der Ausgang des Straf- ermittlungsverfahrens mitgeteilt werden, etwa bei Ver- dacht auf pflichtwidrige Verwendung von Mandanten- geldern, Parteiverrat, Betrug oder Urkundenfälschung. Auf Grundlage dieser und weiterer Erkenntnisquellen, BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 AUFSÄTZE 178
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