BRAK-Mitteilungen 4/2020

men wurde, ist bis zur Aufnahme durch die neue Kam- mer die bisherige Kammer für alle Anträge, also auch den neuen Zulassungsantrag, örtlich zuständig. § 33 III 2 BRAO normiert keine Ausnahme von dieser Regel. Die Vorschrift regelt nur die Zuständigkeit für den Antrag auf Kammerwechsel und erweitert die Zuständigkeit nicht auf alle anderen im Zusammenhang damit ge- stellten Anträge; auch hier ist der Wortlaut eindeutig, weil er nur von „den“ Antrag im Singular spricht. Ein Zulassungsantrag bei der neuen Kammer vor Auf- nahme in die neue Kammer wäre wahrscheinlich sogar unzulässig und es ist fraglich, ob ein solcher Antrag zu der Rückwirkungsfiktion des § 46a IV Nr. 2 BRAO füh- ren würde. Deshalb erscheint es richtig, auch den An- trag auf Zulassung für die neue Tätigkeit im Bezirk der neuen Kammer bei der bisher zuständigen Kammer zu stellen. Je nach dem, wie schnell der Kammerwechsel dann erfolgt, entscheidet entweder noch die alte Kam- mer über die Zulassung oder übernimmt die neue Kam- mer das Verfahren in dem Stadium, in dem es zum Zeit- punkt des Kammerwechsels ist. Ausdrücklich spricht Schmitz aus, dass sich die in das Verfahren neu eintretende Behörde alle Handlungen und Unterlassungen der bisherigen Behörde wie eigene zurechnen lassen muss; das gelte auch für den Lauf von Fristen und sonstige Kenntnisnahmen. 5 5 Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 3 Rn. 41. In der Recht- sprechung findet sich dazu keine eindeutige Aussage. Zwar hat das OVG Hamburg entschieden, dass ein zu- nächst fortgeführtes Verfahren auf die nunmehr zustän- dige Behörde übertragen werden kann 6 6 OVG Hamburg, Beschl. v. 26.6.1998 – 6 SO 16/98. – was impli- ziert, dass das Verfahren in dem Stadium übertragen wird, in dem es sich zum Zeitpunkt der Übertragung be- findet. Es gibt allerdings – im Anschluss an eine Ent- scheidung des BVerwG, dass bei einem Zuständigkeits- wechsel die alte Behörde dafür Sorge tragen muss, dass der neu zuständigen Behörde die Entscheidung of- fensteht 7 7 BVerwG, Urt. v. 10.12.1996 – 1 C 19.94. – eine Entscheidung des OVG Hamburg, wo- nach bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im Widerspruchsverfahren der bereits erlassene Verwal- tungsakt aufgehoben werden muss, um der nunmehr zuständigen Behörde die Durchführung des Verwal- tungsverfahrens zu ermöglichen. 8 8 OVG Hamburg, Urt. v. 16.2.1999, Bf VI 2/97. Diese Entscheidung könnte aber damit zusammenhängen, dass es bei der neu zuständigen Behörde vielleicht keine Widerspruchs- behörde gab und deshalb es keine neue örtlich zustän- dige Widerspruchsbehörde gab, die die Ausgangsent- scheidung hätte aufheben können. Unter den Voraussetzungen von § 32 BRAO, § 3 III VwVfG kann die bisherige Kammer das Verfahren aber auch nach erfolgtem Kammerwechsel zu Ende führen. Denkbar ist in der Praxis auch, dass der Antrag auf Kammerwechsel erst nach Abschluss des Zulassungs- verfahrens gestellt wird. Das hier vorgeschlagene Verfahren hat für den Antrag- steller den Vorteil, dass er seinen Antrag noch vor Be- ginn der Tätigkeit stellen kann und damit seine Mit- gliedschaft in der Kammer gemäß § 46 IV Nr. 2 BRAO rückwirkend mit dem Beginn der Tätigkeit beginnt. Das muss auch gelten, wenn sich die örtliche Zuständigkeit im Verfahren ändert, denn jedenfalls nach der hier ver- tretenen Auffassung übernimmt die aufnehmende Kam- mer das Verfahren in dem Zustand, den es bei der ab- gebenden Kammer hatte. 6. WESENSGLEICHHEIT VON ERSTRECKUNG UND ZULASSUNG Der BGH 9 9 BGH, Urt. v. 30.3.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19 Rn. 35 ff. macht auch deutlich, dass die Erstreckung und die Zulassung wesensgleich sind. Ausdrücklich sa- hen die Richter die Deutsche Rentenversicherung Bund nicht dadurch als beschwert an, dass die Kammer for- mal fehlerhaft eine Erstreckung statt einer Zulassung ausgesprochen hatte. Denn ein Erstreckungsbescheid enthalte hinsichtlich des bisherigen Arbeitsverhältnis- ses nur die Feststellung, dass für diese bisherige Tätig- keit eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt besteht; er enthalte hingegen nicht auch die weitergehende Feststellung, dass bezüglich dieser bisherigen Tätigkeit die Zulassungsvoraussetzungen ebenfalls weiterhin un- verändert gegeben sind (wenngleich dies tatbestand- liche Voraussetzung für den Erlass eines Erstreckungs- bescheids sei). 10 10 Dazu unten unter II.6. Aufgrund dieser Wesensgleichheit kann kein Zweifel da- ran bestehen, dass die in der Vergangenheit erlassenen Erstreckungsbescheide trotz der vom BGH jetzt festge- stellten formalen Rechtswidrigkeit wirksam sind und un- verändert Bestand haben. Außerdem erleichtert die Feststellung der Wesensgleichheit die Handhabung in der Übergangszeit der Umstellung der Verwaltungspra- xis der Kammern: bereits gestellte Erstreckungsanträge können problemlos als Mitteilung des Endes der bisheri- gen Tätigkeit (die deshalb zu widerrufen ist), verbunden mit einem Antrag auf Erteilung einer neuen Zulassung für die neue Tätigkeit ausgelegt werden. 7. KEINE ERSTRECKUNG DER BEFREIUNG VON DER RENTENVERSICHERUNGSPFLICHT Der BGH 11 11 BGH, Urt. v. 30.3.2020 – AnwZ (Brfg) 49/19 Rn. 17. betont, dass die Befreiung von der gesetz- lichen Rentenversicherungspflicht immer nur für eine konkrete Tätigkeit erteilt wird und dass diese – ipso iure – unabhängig vom Fortbestand der Zulassung mit dem Ende dieser konkreten Tätigkeit endet. Der ursprünglich mit dem Gesetz zur Einführung der Syndikusrechtsan- wälte beabsichtigte Gleichlauf von Berufsrecht und So- zialversicherungsrecht wird im Fall der Beendigung einer Tätigkeit verfehlt. Die Antragsteller müssen also – zusätzlich zu der Mit- teilung über das Ende der Tätigkeit und dem Antrag auf BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 AUFSÄTZE 182

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