BRAK-Mitteilungen 4/2020

den, das Fremdkapital dürfe nicht mehr als 25 % des Stammkapitals betragen. Diese an der Sperrminorität nach § 53 II GmbHG 88 88 BeckOK-GmbHG/ Trölitzsch , 43. Ed. 1.5.2020, § 53 GmbHG Rn. 16. bzw. § 179 II AktG 89 89 BeckOGK/ Holzborn , Stand: 15.1.2020, § 179 AktG Rn. 16. orientierte Höhe vermag nur eine Satzungsänderung zu verhin- dern, 90 90 Kritisch zur Übertragbarkeit der Sperrminorität auf Personengesellschaften auch Römermann , NZG 2018, 1041, 1046 und Westermann , NZG 2019, 1, 3. nicht jedoch den Einfluss der Kapitalinvestoren auf das operative Geschäft des Vorstands zu verrin- gern. Privat Equity diktiert mit den Ertragswartungen entweder eine bestimmte Ausrichtung der Gesellschaft, oder, wenn nicht, ist die Finanzinvestition für die Gesell- schaft von vornherein unbedeutend. Sehr deutlich wurde dies in den letzten Wochen bei der Commerzbank AG. Der amerikanische Investor Cerbe- rus hält zwar nur 5 % der Commerzbank-Anteile, der von ihm ausgeübte Druck war aber ausreichend, damit sowohl der Vorstandsvorsitzende als auch der Auf- sichtsratsvorsitzende ihren Rücktritt erklärten. 91 91 FAZ v. 6.7. 2020, 21. Die Lo- gik des Kapitalmarkts kann sich, wie dieses Beispiel überdeutlich zeigt, auch jenseits von Sperrminoritäten durchsetzen. Das interessenmonistische Modell des Shareholder-An- satzes sei auch deshalb gegenüber dem Stakeholder- Ansatz zu bevorzugen, weil hierdurch der Unterneh- menserfolg nach klar messbaren Kriterien beurteilt wer- den kann. Im Gegensatz hierzu würde ein Stakeholder- Ansatz über klare und messbare Zielbestimmungen ver- fügen und damit diskretionäre Handlungsspielräume des Managements eröffnen. 92 92 BeckOGK/ Fleischer , § 76 AktG Rn. 34. Noch ist unklar, ob dem Shareholder-Ansatz in jedem Fall das Übergewicht zu- kommen muss. 93 93 Dauner-Lieb , in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl. 2019, § 76 AktG Rn. 10 und ander- seits Wiesner , in Münchener Hdb. des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 4. Aufl. 2015, § 19 Rn. 22. Grundsätzlich findet aber in der ge- sellschaftsrechtlichen Literatur eine Neujustierung zu einem vom Kapitalmarkt geprägten Ansatz statt. 94 94 Tröger , in Duve/Ruppert, Rechtswissenschaft in der Berliner Republik, 2018, 664 ff. Auch dürfte der Unterschied zwischen den beiden An- sätzen in der Praxis nicht allzu groß sein. 95 95 BeckOGK/ Fleischer , § 76 AktG Rn. 36 ff. So lassen sich in einem bestimmten Rahmen nach beiden Ansät- zen Spenden und Sponsoring mit den aktienrechtlichen Verpflichtungen des Vorstands vereinbaren. Der Vor- stand darf die Akzeptanz der Aktiengesellschaft durch solche Maßnahmen erhöhen. 96 96 Hölters/ Weber , AktG, 3. Aufl. 2017, § 76 AktG Rn. 31; BeckOGK/ Fleischer , § 76 AktG Rn. 52. Gewinnstreben und Freigiebigkeit schließen sich nicht aus. 97 97 BGH, NJW 2002, 1585, 1586. Nicht jede Maßnahme muss sich auch bilanziell einem Unterneh- mensgewinn zuordnen lassen. Die Grenze zu dem, was dem Vorstand einer Aktiengesellschaft erlaubt ist, dürf- te jedoch überschritten sein, wenn Spenden und Spon- soring von vornherein nicht auf den wirtschaftlichen Er- folg des Unternehmens bezogen sind. Die Steigerung von Reputation und Akzeptanz ist kein Selbstzweck, sondern hat dem unternehmerischen Ziel der Gewinn- steigerung zu dienen. 98 98 Hölters/ Weber , AktG, § 76 AktG Rn. 31. Prägnant formuliert Kort : „Ethik muss sich lohnen“. 99 99 Kort , NZG 2012, 926, 929. Für das anwaltliche Berufsrecht folgt daraus: Spätes- tens, wenn man Fremdkapital 100 100 In der berufsrechtlichen Terminologie, aktienrechtlich gesprochen: Eigenkapital. zulässt, 101 101 Wie bei Henssler , AnwBl. Online 2018, 564, 578. würde wohl § 76 AktG einem Quersubventionierungsmandat der Rechtsanwalts-AG auch rechtlich entgegenstehen. Si- cherlich wäre es möglich – soweit berufsrechtlich zuläs- sig 102 102 Vgl. dazu Dux , AnwBl. 2011, 90, 93 f. –, Pro Bono-Mandate anzunehmen und zu bear- beiten. Pro Bono-Mandate sind im Grunde nichts Ande- res als anwaltliches Sponsoring. Man pflegt sein Image, insb. am Bewerbermarkt des juristischen Nachwuchses. Völlig anders hingegen beurteilt sich die Frage, ob die Rechtsanwalts-AG ein Mandat annehmen darf, welches weder direkt noch indirekt zu einer Gewinnsteigerung beiträgt. 33,9 % der Verfahren vor den Amtsgerichten (von 884.593 erledigten Verfahren) haben einen Streit- wert bis zu 600 Euro. 103 103 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 2.1. 2018, 26. Die überwiegende Mehrheit ist durch einen Rechtsanwalt vertreten. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass sich diese Mandate für kei- nen Rechtsanwalt kostendeckend führen lassen, also quersubventioniert werden müssen. Bei den allermeis- ten dieser Fälle am Amtsgericht ist nicht zu erwarten, dass sie einen Beitrag zur Gewinnung wirtschaftlich at- traktiver Mandanten auch nur im Ansatz leisten kön- nen. Mit dankenswerter Klarheit beschreibt Markus Hartung die Entscheidungsparameter von Mandanten in Großkanzleien, bei denen strategische und wirt- schaftliche Überlegungen immer im Vordergrund der Mandatsannahme stehen. 104 104 Hartung , NJW 2020, 1772, 1774. Regelmäßig würden inter- nationale Großsozietäten nicht für Verbraucher und Pri- vatpersonen arbeiten. Der Interessenkonflikt würde so- wohl von der Großkanzlei als auch von den jeweiligen Mandanten nicht mandats-, sondern mandantenbezo- gen verstanden. Gegen DAX 30 geht man nicht vor, un- abhängig von der aktuellen Mandatsbeziehung. Nicht nur Fremdkapital würde diese Effekte verstärken, sondern auch der DAV-Entwurf/ Henssler -Vorschlag, der alle vereinbaren Berufe für sozietätsfähig erklärt. Einem auf Effizienzsteigerung programmierten Unternehmens- berater wird kaum vermittelbar sein, dass es auch Auf- gabe einer Rechtsanwaltskanzlei ist, den streitwert- unabhängigen Zugang zum Recht zu vermitteln. Hierzu ist der kulturelle Gap zwischen einem auf den streit- wertunabhängigen Zugang zum Recht vermittelnden Organ der Rechtspflege und einem der Effizienz- und Gewinnmaximierung verpflichteten Unternehmensbera- ter zu groß. Der Strukturfehler der Horn-Entscheidung war, dass das BVerfG im Grunde nur die Frage ausführ- lich diskutierte, wie die drei verkammerten Berufe Rechtsanwalt, Arzt und Apotheker der Verschwiegen- heit verpflichtet sind. Nicht untersucht wurde demge- genüber die Frage, wie in den drei unterschiedlichen Be- WOLF/GERKING, REFORM DES ANWALTLICHEN GESELLSCHAFTSRECHTS BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 AUFSÄTZE 192

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