BRAK-Mitteilungen 4/2020

sequenzen vertragswidrigen Verhaltens aufzeigen. Die Mandatsniederlegung ist zwar grundsätzlich immer möglich; nur bei vertragswidrigem Verhalten des Man- danten bleibt jedoch der Vergütungsanspruch beste- hen. Dem Anwalt wird hier eine gewisse Leidensfähig- keit auferlegt. Das ist seiner Rolle wohl auch angemes- sen. Wann ein Fehlverhalten des Mandanten die Gren- zen überschreitet, ist dann eine Frage des Einzelfalls, die man – wie hier – so oder so bewerten kann. Um dem Mandanten angesichts dieser Unsicherheiten die Folgen seines Tuns zu verdeutlichen, wäre eine Andro- hung der Kündigung hilfreich, wie es das LG Bremen verlangt. Ob eine formale Fristsetzung mit Androhung der Mandatsniederlegung erforderlich ist, kann man diskutieren. Oft muss dem Mandanten auch schon aus den Umständen klar sein, dass er durch sein Verhalten das Vertrauensverhältnis zerrüttet hat. Da diese Frage jedoch „nach der Recherche der Kammer“ in der Recht- sprechung uneinheitlich gesehen wird und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, wurde die Revision zu- gelassen. (ju) Zum Thema Vertrauensverhältnis ergänzend noch ein aktueller BGH-Beschluss: ERSCHÜTTERTES VERTRAUENSVERHÄLTNIS 1. (...) 2. Das Vertrauensverhältnis zwischen einem Be- schuldigten und seinem Pflichtverteidiger wird nicht allein dadurch nachhaltig und endgültig erschüt- tert, dass sich der Beschuldigte in Abkehr von der bisherigen Verteidigungsstrategie dazu entschließt, ein Geständnis abzulegen. BGH, Beschl. v. 5.3.2020 – StB 6/10, NJW 2020, 1534 = NStZ 2020, 434 VERTRETUNG GEGEN INSOLVENZSCHULDNER 1. Ein Rechtsanwalt haftet dem Grunde nach auf die Zahlung von Schadensersatz aus anwaltlicher Pflichtverletzung, wenn er titulierte Forderungen sei- nes Mandanten gegen einen Insolvenzschuldner nicht mit dem Attribut „aus vorsätzlicher unerlaub- ter Handlung stammend“ zur Insolvenztabelle an- meldet und die Forderungen zumindest teilweise werthaltig waren. 2. Eine titulierte Forderung, die bei der Tabellenan- meldung nicht mit dem Attribut „aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung“ versehen war, kann ab Ertei- lung der Restschuldbefreiung nicht mehr zwangs- weise durchgesetzt werden. LG Aachen, Urt. v.15.11.2019 – 8 O 70/19, ZIP 2020, 1141 – n.rkr. Kein Einzelfall: Der Anwalt hat für seinen Mandanten Ti- tel gegen einen Dritten erwirkt und vollstreckt daraus erfolglos. Der Schuldner beantragt das Verbraucher- insolvenzverfahren, woraufhin die titulierten Forderun- gen zur Tabelle angemeldet werden. Dabei wird aber nicht beachtet, dass die Forderungen „aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung“ entstanden sind. Dieses Attri- but wäre bei der Insolvenzanmeldung mit anzugeben, will man verhindern, dass nach der Wohlverhaltensperi- ode Restschuldbefreiung erteilt wird, so dass die Forde- rung dann endgültig nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg vollstreckt werden kann. Konkret ging es hier um recht weit zurückliegende Vor- gänge. Die Forderung stammte aus einem privaten Darlehensvertrag, der 2002 abgeschlossen und dessen Rückzahlungsanspruch schon 2003 tituliert wurde. So- dann wurden Ansprüche des Schuldners gegen das Ver- sorgungswerk der Architektenkammer gepfändet und von dieser auch anerkannt. Es folgte eine weitere Forde- rungspfändung. Mit Beschluss vom 1.10.2004 eröffnete das AG die Insolvenz, nach Aufforderung durch den In- solvenzverwalter meldete der nun beklagte Anwalt mit Schreiben vom 21.10.2004 die Forderung an, ohne den Zusatz „aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung“ anzu- geben. Etwas später verlangte der Insolvenzverwalter die bereits beigetriebene gepfändete Forderung wegen der „Rückschlagsperre“ des § 88 InsO zurück. 2012 wurde die Restschuldbefreiung erteilt. Danach wurden wiederum Forderungen gepfändet, woraufhin nun der Schuldner erfolgreich Vollstreckungsabwehrklage er- hob. Nach Ansicht des LG Mönchengladbach habe die Restschuldbefreiung den Schuldner von seinen Verbind- lichkeiten befreit, da die Forderung nicht als deliktische angemeldet worden sei. Mit seinem Zahlungsantrag konnte der Kläger im Haft- pflichtprozess beim LG Aachen richtigerweise schon deshalb nicht durchdringen, weil selbst dann, wenn man hier in Bezug auf die fehlerhafte Anmeldung beim Insolvenzverwalter eine Pflichtverletzung unterstellt, nicht klar ist, dass in diesem Fall nach Restschuldbefrei- ung im Ergebnis erfolgreich hätte vollstreckt werden können. Also kann überhaupt nur ein Feststellungsan- trag Erfolg haben. Dieser lautete hier, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, „binnen 30 Jahren Schadensersatz zu leisten soweit nachgewiesen ist, dass und in welcher Höhe der titulierte Anspruch aus den Titeln aus 2003, die näher bezeichnet wurden, rea- lisierbar gewesen wäre“. Dazu stellte das LG Aachen zunächst fest, dass es sich tatsächlich um eine vorsätzliche unerlaubte Handlung gehandelt habe. Gerade bei solchen Rechtsgeschäften in zeitlicher Nähe des Insolvenzantrags muss man De- likte wie Eingehungsbetrug im Blick haben und entspre- chend bei der Anmeldung berücksichtigen. Im Haft- pflichtprozess trägt grundsätzlich der Kläger die Be- weislast dafür, dass eine Vorsatztat vorlag. Wenn fest- gestellt ist, dass eine vollständige Anmeldung mit dem entsprechenden Attribut die Vollstreckbarkeit nach Restschuldbefreiung hätte offenhalten können, muss der Kläger zusätzlich beweisen, dass diese inzwischen auch erfolgreich gewesen wäre. Wenn nicht, kann grundsätzlich ein Feststellungsurteil ergehen. 2 2 OLG Hamm, Urt. v. 17.10.2006 – 28 U 68/06. Aller- dings muss im Feststellungsbegehren mindestens auch AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 197

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