BRAK-Mitteilungen 4/2020

nach § 86 VVG auf seinen Rechtsschutzversicherer über. Der Mandant kann nicht gegen Ansprüche sei- nes Versicherers auf Auskehrung nicht verbrauchter Gerichtskosten die Aufrechnung mit etwaigen An- sprüchen auf Deckung anderer Rechtsverfolgungs- kosten, auf die sich die Deckungszusage des Versi- cherers ausdrücklich nicht bezog, aufrechnen. LG Bremen, Urt. v. 6.3.2020 – 4 S 227/18, VersR 2020, 902 Die Klägerin nimmt als Rechtsschutzversicherer des Mandanten die beklagte Anwaltskanzlei auf Auskeh- rung von der Justizkasse erstatteter, nicht verbrauchter Gerichtskosten in Anspruch. Die Kanzlei rechnete ge- genüber der Klägerin ab, wobei sie die auszukehrende Gerichtskosten-Erstattung mit offenen Honoraransprü- chen für die vorgerichtliche Vertretung des Mandanten und für die Korrespondenz mit der Klägerin verrechne- ten. Hierfür hatte die Klägerin keine Kostendeckung er- teilt. Das AG wies die Klage schon wegen fehlender Pas- sivlegitimation der Anwälte ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das LG der Klage statt. Die Klägerin habe gegen die Kanzlei einen Auskehrungs- anspruch aus übergegangenem Recht des Mandanten nach §§ 675, 667 BGB. Der Anspruch gehe aufgrund einer cessio legis nach § 86 VVG bereits mit Entstehung der Kosten auf den Rechtsschutzversicherer über. Dieser Anspruch sei nicht durch die von der Kanzlei namens des Mandanten erklärte Aufrechnung erloschen. Insofern fehle es bereits an der Gleichartigkeit der Ansprüche. Bei dem Anspruch auf Auszahlung der nicht verbrauchten Gerichtskosten handle es sich um einen Zahlungsan- spruch, während ein etwaiger Anspruch des Mandanten bzgl. der offenen Honorarforderungen der Beklagten le- diglich einen Freistellungsanspruch darstelle. Auch fehle es an der Reziprozität der Ansprüche. Die Klägerin habe einen auf sie übergegangenen Anspruch gegen die Kanzlei. Ein etwaiger Freistellungsanspruch gegen die Klägerin wegen der weiteren Anwaltskosten stehe nicht der Kanzlei, sondern dem Mandanten zu. Die Anwälte hätten jedenfalls keinen direkten Anspruch gegen die Klägerin, mit dem sie aufrechnen könnten. Außerdem verstoße die Aufrechnung wegen der von der Klägerin erklärten Zweckbindung der von ihr geleiste- ten Zahlungen für die Führung des ursprünglichen Rechtsstreits, während die Klägerin die außergericht- liche Interessenwahrnehmung durch die Beklagten ex- plizit von der Deckungszusage ausgeschlossen habe, gegen Treu und Glauben. Das LG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeu- tung zu. Die Revision ist beim BGH anhängig unter IX ZR 76/20. Die Entscheidung steht jedoch in Überein- stimmung mit anderen Entscheidungen und der Litera- tur. 4 4 OLG Frankfurt a.M., JurBüro 2013, 654; OLG Düsseldorf, VersR 2008, 1347; OLG Köln, NJW 1973, 905; OLG Saarbrücken, VersR 2007, 1554; s. auch Harbauer , ARB 9. Aufl., Einl. Rn. 97; van Bühren/Plote, ARB, 3. Aufl., Anh. I Rn. 14 ff.; Tietgens, r+s 2005, 489 (497). (hg) FRISTEN AKTUELLES ZUM BEA WOHL NOCH KEIN ZWANG ZUR BEA-NUTZUNG Es erscheint zweifelhaft, ob ein Rechtsanwalt, der sich für den Versand per Telefax entschieden hat, bei technischen Problemen kurz vor Fristablauf einen Übermittlungsversuch über das besondere elektronische Anwaltspostfach unternehmen muss. (obiter dictum) BGH, Beschl. v. 28.4.2020 – X ZR 60/19, NJW 2020, 2194 Der eigentliche Leitsatz des BGH lautet: Ein Patentan- walt, der kurz vor Ablauf der dafür maßgeblichen Frist feststellt, dass die Telefax-Übermittlung einer Beru- fungsbegründung in einem Patentnichtigkeitsverfahren wegen nicht von ihm zu vertretender technischer Pro- bleme voraussichtlich scheitern wird, ist nicht verpflich- tet, nach einem Rechtsanwalt zu suchen, der den Ver- sand für ihn über das besondere elektronische Anwalts- postfach (beA) vornehmen kann. Für Rechtsanwälte interessanter ist jedoch das obiter dictum. Der Senat hat die Gelegenheit genutzt, zur akti- ven Nutzungspflicht für Rechtsanwälte seine Meinung zu äußern, die eben dahin geht, die Pflicht derzeit noch abzulehnen, und zwar ausdrücklich gegen den Be- schluss des OLG Dresden. 5 5 OLG Dresden, Beschl. v 18.11.2019 – 4 U 2188/19, m. krit. Bespr. von Grams , BRAK-Mitt. 2020, 29. Der Senat dürfte den meis- ten Anwälten damit aus der Seele sprechen. (ju) WICHTIG: DURCHSUCHBARE PDF 1. Ein elektronisches Dokument muss nach § 130a II ZPO, § 2 I 1 ERVV in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF an das Gericht übermittelt werden. Die Durchsuchbarkeit bezieht sich auf eine texter- kannte Form und dient der Weiterbearbeitung im Gericht. Alle für die Darstellung des Dokuments not- wendigen Inhalte müssen in der PDF-Datei enthal- ten sein. 2. Die gerichtliche Hinweispflicht nach § 130a VI 1 ZPO gilt ebenso wie die Korrekturmöglichkeit nach § 130a VI 2 ZPO nur für Formatfehler. 3. Nur elektronische Dokumente, die die Formvor- schriften des § 130a III und IV ZPO einhalten, kön- nen die Zustellungsfiktion des § 130a VI 2 ZPO be- wirken. 4. Eine mehrfache Hinweispflicht sieht § 130a VI 1 ZPO nicht vor. Es besteht nur eine einmalige Mög- lichkeit der ordnungsgemäßen Nachreichung. (Ori- entierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG) BAG, Beschl. v. 12.3.2020 – 6 AZM 1/20, NJW 2020, 1694 Der Klägervertreter hatte fristgemäß über das beA beim BAG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 199

RkJQdWJsaXNoZXIy MTE1Mzg3