BRAK-Mitteilungen 4/2020

dung für andere Zwecke oder die verspätete Weiterlei- tung an den Mandanten für diesen einen Vermögens- nachteil begründet hätte. Dies ist aber, wie aufgezeigt, nicht rechtsfehlerfrei belegt. [20] c) Die Verurteilung der Angeklagten kann daher keinen Bestand haben. Die Sache bedarf neuer Ver- handlung und Entscheidung. [21] 3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: [22] Ein Vermögensnachteil tritt nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung nicht ein, wenn die Tathandlung selbst zugleich einen den Verlust aufwiegenden Vermö- genszuwachs begründet. Hat der Täter einen Geldan- spruch gegen das von ihm verwaltete Vermögen, so fehlt es an einem Schaden, wenn er über das Vermögen in entsprechender Höhe zu eigenen Gunsten verfügt. Honoraransprüche eines Rechtsanwalts können im Zu- sammenhang mit der zweckwidrigen Verwendung von Mandantengeldern grundsätzlich einen Nachteil aus- schließen, wenn die Verwendung der Mandantengelder nicht mit dem Vorsatz rechtswidriger Bereicherung er- folgt, sondern dem Zweck dient, bestehende Honorar- ansprüche zu befriedigen (vgl. Senat, Beschl. v. 24.7. 2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277 m.w.N.). [23] Unbeschadet der Frage, ob es hierzu in jedem Fall der Einforderung einer nach § 8 RVG fälligen Forderung durch ausdrückliche Berechnung nach § 10 RVG bedarf (vgl. Senat, Beschl. v. 24.7.2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277, der bei der dort zugrundeliegenden Fall- konstellation hierzu keine Stellung zu nehmen brauchte) oder ob eine Honorarforderung auch ohne ausdrück- liche Abrechnung einen werthaltigen und zur Kompen- sation geeigneten Anspruch beinhaltet (so BGH, Beschl. v. 5.7.2011 – 3 StR 444/10, StV 2011, 733 f. zur Kom- pensation von Honoraransprüchen nach VOB/B beim Fehlen einer prüffähigen Abrechnung; ebenso: Schmidt , NStZ 2013, 498, 501 f.), ist in Fällen der vorliegenden Art Voraussetzung einer nachteilsausgleichenden Kom- pensation, dass ein Vermögenszuwachs auf Seiten des Treugebers zu verzeichnen ist, weil er durch die Un- treuehandlung von einer Verbindlichkeit befreit wird. Dafür ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Hono- Vermögenszuwachs muss vorliegen raranspruch entstanden ist, der Höhe nach feststeht und beziffert werden kann (vgl. insoweit auch Schmidt , NStZ 2013, 498, 501 f.). Ansonsten fehlt es schon an einer möglicherweise in Betracht kommenden Aufrech- nungslage (vgl. Senat, Beschl. v. 24.7.2014 – 2 StR 221/ 14, NStZ 2015, 277 m.w.N.). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn sich der Rechtsanwalt nicht in unmittel- barem Zusammenhang mit der Nichtauskehrung der dem Mandanten zustehenden Gelder, sondern irgend- wann zu einem späteren Zeitpunkt darauf beruft, ihm hätten dem Auszahlungsbetrag entsprechende Gelder als Honorar für erbrachte Leistungen zugestanden. In diesem Fall fehlt es an der erforderlichen Verknüpfung von Honorarforderung und Einbehalt des Fremdgelds. HINWEISE DER REDAKTION: Untreue kann ein Rechtsanwalt durch aktives Tun oder durch Unterlassen begehen. Verwirklicht der Rechtsanwalt den Tatbestand ausschließlich da- durch, dass er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, ist hier- auf die Strafmilderungsvorschrift des § 13 II StGB an- wendbar, denn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier in einem Unterlassen (vgl. BGH, BRAK-Mitt. 2015, 184). UNZULÄSSIGE VORBEUGENDE FESTSTELLUNGSKLAGE – „PROTESTROBE“ BORA § 20 * Fehlt es an einem ausdrücklich bekundeten Willen einer Rechtsanwaltskammer, einen ihr nicht ange- hörenden Rechtsanwalt wettbewerbsrechtlich in An- spruch zu nehmen, ist eine vorbeugende Feststel- lungsklage unzulässig. AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.6.2020 – 1 AGH 31/19 AUS DEM TATBESTAND: I. Der klagende Rechtsanwalt, der bis zum 2.5.2017 Mitglied der beklagten RAK war und seitdem Mitglied der RAK G ist, hat mit Schriftsatz v. 3.8.2019 Klage zum AG Hamm mit den unten stehenden Anträ- gen erhoben. Mit Schriftsatz v. 14.8.2019 teilte der Kl. mit, dass er sich bei der Auswahl des angerufenen Ge- richts im Erklärungsirrtum befunden habe. Er beantra- ge daher, den Rechtsstreit an den „Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen beim Oberlandesge- richt Hamm“ zu verweisen. Hilfsweise fechte er seine Er- klärung v. 3.8.2018 wegen Erklärungsirrtums an, mit der Maßgabe den Streit zum AGH Nordrhein-Westfalen zu verweisen. Er stehe zu der Bekl. in einem öffentlich- rechtlichen Wettbewerbsverhältnis sowie in einem be- rufsrechtlichen Aufsichtsverhältnis, so dass die Zustän- digkeit des AGH gegeben sei. Mit Schriftsatz v. 21.8.2019 legte der Kl. ergänzend Erinnerung gegen die Vorschussanforderung v. 13.8.2019 ein. Mit Beschluss v. 22.8.2019 kündigte das AG Hamm an, wegen des Verweisungsantrags das Verfahren mit ge- sonderter Verfügung, da noch nicht rechtshängig, form- los an den „Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein- Westfalen beim Oberlandesgericht Hamm“ abzugeben. Mit Beschluss v. 22.8.2019 erklärte sich das AG Hamm für unzuständig und gab den Rechtsstreit auf Antrag des Kl. formlos an den von ihm benannten „Anwaltsge- richtshof für das Land Nordrhein-Westfalen beim Ober- landesgericht Hamm“ ab. Zur Begründung führte es aus, dass das angerufene Gericht unter keinem recht- lichen Gesichtspunkt zuständig sei. Der Kl. wolle unbe- schadet seiner Anfechtung die Klage tatsächlich nicht BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 213

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