BRAK-Mitteilungen 4/2020

vor dem AG führen, sondern vor dem AGH. Insoweit sei das Verfahren an diesen abzugeben. Bei noch nicht ein- getretener Rechtshängigkeit habe das AG von der vor- herigen Anhörung des Gegners abgesehen und auch die vorherige Zustellung mangels Einzahlung des Vor- schusses nicht veranlasst. Das AG Hamm hat die Akten mit Verfügung v. 22.8.2019 dem „OLG/Anwaltsge- richtshof“ vorgelegt. Der Kl. macht geltend (so ausdrücklich in seinem Schriftsatz v. 14.8.2019, Bl. 241 GA), er stünde mit der Bekl. nicht in einem privat-rechtlichen, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsverhältnis bzw. in einem Wettbewerbsaufsichtsverhältnis sowie in einem berufsrechtlichen Aufsichtsverhältnis, weil er in deren Aufsichtsbezirk weitere Kanzleien unterhalte. Damit lie- ge eine „öffentlich-rechtliche Streitigkeit“ i.S.d. § 112a I BRAO vor. Durch den Verweisungsbeschluss des Amts- gerichts Hamm sei geklärt, dass der AGH zuständig sei. Der Kl. macht geltend, dass er den Satz, der dem Klage- antrag zu Ziffer 1 zugrunde liege, nicht nur wegen des „Personalproblems“ der Justiz, sondern auch wegen des „Arbeitsdrucks“ gewählt habe. Auf dem Weg zur Gerechtigkeit lägen viele Fußangeln; es sei ein Pfad, der von Schlangen und Wölfen gesäumt sei, und die wahr- scheinlich größte Enttäuschung für einen Anwalt in der Berufsmitte sei die latente Willkür, die jedes Gerichts- verfahren wie eine mal mehr, mal minder präsente Dro- hung stets begleite; der Gesetzgeber könne kodifizieren, was er wolle; passe dies dem Richter nicht, werde er einen Weg drumherum schon finden. Er habe deshalb den im Antrag zu Ziffer 1 genannten Satz daher für die Saalöffentlichkeit gut sichtbar auf seine Robe sticken lassen als Mahnung und Weisheit zugleich. Hilfsweise sei er der Meinung, dass er den dem Klageantrag zu Ziffer 1 zugrundeliegenden Satz auf seinem Sakko tra- gen dürfe. Dies verfolgt er mit dem Hilfsantrag zu Zif- fer 2. Zu dem Antrag zu Ziffer 3 meint der Kl., dass diese An- gaben, die er nicht auf der Robe tragen dürfe, jeden- falls auf seinem Sakko tragen dürfe. Denn Berufsklei- dung sei heute in vielen Berufen mit einem Firmenauf- druck versehen, so etwa bei Stewardessen im Flugzeug, Krankenpflegepersonal oder Gastronomiemitarbeitern. Zu dem Klageantrag zu Ziffer 4 meint der Kl., dass kaum ein Ort besser geeignet sein könne als eine An- waltsrobe für eine politische Aufforderung, die Anstren- gungen für den Klimaschutz zu verstärken. Denn es ge- be immer noch zu viele SUV-fahrende Kolleginnen und vor allem Kollegen, die sich mit ihren urbanen Rennlas- tern von der Kanzlei zum Gericht durch die Innenstädte zwängen, die Luft mit Kohlendioxid, Stickoxiden und Rußpartikeln „verpesteten“ nur um ihre vermeintliche Potenz – viel mehr als eine „Penisvergrößerung“ seien diese im Straßenverkehr nur schwer zu manövrierenden hypermotorisierten Fahrzeuge nicht – auf dem Gerichts- parkplatz zu parken. Der Aufruf sei eine Mahnung auch und gerade an die Saalöffentlichkeit dem Klimaschutz bereits im Kleinen mehr Gewicht zu geben und mehr Beachtung zu schenken. Die „Protestrobe“ solle zu einer „Postwachstumsökonomie“ aufrufen, was ein Gebot der Stunde sei. Zu dem Klageantrag zu Ziffer 5 meint der Kl., dass der Begriff der Robe nirgends legaldefiniert sei, so dass der Bekl. auch kein Unterlassungsanspruch zukomme. Letztlich sei ein Sakko, zumal es wenn schwarz sei, nichts wesentlich anderes als eine Anwaltsrobe. Der Unterschied zu einem Sakko sei, jedenfalls in sitzender Position im Saal, kaum erkennbar. Jedenfalls bestün- den keine solch gewichtigen Unterschiede, dass der Rechtsfindung deswegen „ein Zacken aus der Krone“ fiele. Auch ein schwarzes Sakko könne die Funktion, eine Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivi- tät zu schaffen, ebenso gut erfüllen; deswegen trage man es z.B. auch in der Oper, bei Begräbnissen, bei Hochzeiten, Urkundsverleihungen nach Staatsexami- na. Auch im Übrigen trage man auch sonst schließlich nicht dieselbe Kleidermode wie vor über 300 Jahren; Tradition meine nicht das Halten der Asche, sondern das Bewahren des Feuers. Dass Berufskleidung zur Rechtsfindung nichts beitrage, lasse sich am Beispiel einer Jungrichterin verdeutlichen, die zugleich Mutter sei und von zu Hause arbeite. Diese sitze zu Hause in ihrem „häuslichen Arbeitszimmer“, „noch im Morgen- mantel, ungekämmt, ungeschminkt, am Wohnzimmer- tisch und schreibt auf dem Notebook das Urteil“ (so Schriftsatz v. 3.8.2019, S. 64 = Bl. 65 GA) mit der Folge, dass dann, wenn ihr jemand zusähe, er entsetzt wäre. Überdies seien Anwaltsroben in der Produktion auch eine bislang noch zu wenig erkannte Umweltbelastung, die nicht sein bräuchte, was für die Abwägung nach Art. 20 GG von Bedeutung sei. So habe der Synthetik- stoff der Roben aller Rechtsanwälte in Deutschland eine Größe von 16 Fußballfeldern. Ein Sakko habe ohnehin jeder im Schrank und bräuchte nicht zusätz- lich verschneidert zu werden. Der Kl. beantragt, 1. festzustellen, dass er nicht wettbewerbswidrig han- delt und der Bekl. insoweit keine Unterlassungsansprü- che gegen ihn zukommen, wenn er als Rechtsanwalt bei der Mandatswahrnehmung von einer seiner im Bezirk der Bekl. liegenden weiteren Kanzleien i.S.v. § 27 II BRAO aus für Mandanten vor einem Gericht im Bezirk der Bekl. gelegenen Gericht auftritt und dabei eine An- waltsrobe i.S.v. § 20 BORA trägt, die im rückwärtigen Schulterbereich als Aufstickung eine Meinungsäuße- rung aufweist, wie nachfolgend abgebildetes folgt ein Foto mit der weißen Überschrift auf einer vom Kl. getra- genen schwarzen Robe mit dem Text „irdische Richter sind fehlbar“]; 2. hilfsweise zu 1.) festzustellen, dass der Kl. nicht wett- bewerbswidrig handelt und der Bekl. insoweit keine Un- terlassungsansprüche gegen ihn zukommen, wenn er als Rechtsanwalt bei der Mandatswahrnehmung von einer seiner im Bezirk der Bekl. liegenden weiteren Kanzleien i.S.v. § 27 II BRAO aus für Mandanten vor einem Gericht im Bezirk der Bekl. gelegenen Gericht BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 214

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