BRAK-Mitteilungen 4/2020

Nachweis eine Aufstellung der Fortbildungsnachweise seit 2011, der „Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheides“ sei. Auch erkennt sie keinen Vertrauenstat- bestand in dem Schreiben ihres Geschäftsführers an den Kl. v. 14.6.2019, er habe lediglich die „Hoffnung ge- äußert, dass der Kl. seine Fortbildungspflicht erfüllen“ werde. AUS DEN GRÜNDEN: Die Entscheidung kann ohne weitere mündliche Ver- handlung ergehen, nachdem die Parteien ihr Einver- ständnis hierzu gegeben haben (§ 101 II VwGO). I. Die rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage des Kl. ist zulässig. Gegen den Bescheid der Bekl. ist ohne Durch- führung eines Vorverfahrens (§ 68 VwGO, § 110 JustG NRW) Anfechtungsklage zulässig (§ 42 VwGO, §§ 112 I 1, 112c I BRAO). Der AGH für das Land Nordrhein- Westfalen ist für die Klage zuständig (§ 112a BRAO). II. Die Klage ist auch begründet. Gemäß § 43c IV 2 BRAO kann die Erlaubnis zum Führen einer Fachan- waltsbezeichnung von dem Vorstand der Rechtsan- waltskammer mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn eine in der Berufsordnung vorgeschriebe- ne Fortbildung unterlassen wird. 1. Formelle Bedenken gegen die Widerrufsentscheidung bestehen nicht. In seiner Sitzung am 13.11.2019 hat der zuständige Vorstand der Bekl. (§ 25 I FAO) nach vorheriger Anhörung des Kl. (§ 25 III FAO) über den Wi- derruf entschieden. Der streitgegenständliche Wider- rufsbescheid ist entsprechend § 25 III 2 FAO mit Grün- den versehen dem Kl. zugestellt worden. 2. Auch liegen die Widerrufsvoraussetzungen des § 43c IV 2 BRAO vor. Der Kl. hat die ihm gem. § 15 FAO oblie- gende Fortbildungsverpflichtung nicht erfüllt. Gemäß § 15 FAO muss der Rechtsanwalt, der eine Fachan- waltsbezeichnung führt, kalenderjährlich auf diesem Gebiet mindestens 15 Zeitstunden (bis 2014 10 Zeit- stunden) an, der Aus- oder Fortbildung dienenden Ver- anstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen. Diese Fortbildungsverpflichtung ist in jedem Kalender- jahr für das laufende Kalenderjahr zu erfüllen. Nach Ablauf des jeweiligen Jahres steht fest, ob der Rechts- anwalt seiner Fortbildungsverpflichtung im erforder- lichen Umfang nachgekommen ist. Ist dies nicht der Fall, kann sich der Rechtsanwalt in dem laufenden Ka- lenderjahr nicht mehr fortbilden. Damit steht die Verlet- zung der Fortbildungspflicht als Tatbestandsvorausset- zung für die Befugnis der Rechtsanwaltskammer, den Widerruf auszusprechen unumkehrbar fest. Eine die Verletzung der Fortbildungspflicht rückwirkende Nach- holung der Fortbildung kommt deshalb grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 5.5.2014 – AnwZ (Brfg) 76/13; AGH NRW, Urt. v. 8.12.2017 – 1 AGH 41/ 17). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Ablauf des Kalen- derjahres und nicht etwa der Zeitpunkt der behörd- lichen Entscheidung oder der letzten mündlichen Ver- handlung. Eine die Verletzung der Fortbildungspflicht rückwirkend heilende „Nachholung“ der Fortbildung im Folgejahr kommt deshalb grundsätzlich nicht in Be- tracht. 3. Gleichwohl war der Widerruf im Ergebnis rechtswid- rig und verletzt den Kl. in seinen Rechten und ist daher aufzuheben. a) Die Bekl. kann den Widerruf nicht auf unterlassene Fortbildungsnachweise der Jahre vor 2018 stützen. Ge- mäß § 25 II FAO kann der Widerruf nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Vorstandes der RAK von den ihn rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Die Vorschrift des § 25 II FAO ist den in § 48 IV 1, auch i.V.m. § 49 II 2, III 2 VwVfG enthaltenen Regelungen zur Rücknahme und zum Widerruf von Verwaltungsakten entlehnt. Es handelt es sich bei der Jahresfrist um eine Entscheidungsfrist; sie beginnt erst zu laufen, wenn der Behörde sämtliche – auch für die Ermessenausübung – relevanten Tatsachen bekannt sind, mithin Entschei- dungsreife eingetreten ist (vgl. BVerwGE 118, 174, 179] = NVwZ 2004, 113; BVerwG, NVwZ 2002, 485 m.w.N.). Auch eine notwendige Anhörung muss grund- sätzlich bereits erfolgt sein (BVerwG, Beschl. v. 15.12.2004 – 7 B 80.04, BeckRS 2005, 22050 m.w.N.; Sachs , in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 229). Allerdings kann auch die Einräumung einer Frist zur Nachholung einer versäumten Fortbildung den Fristbeginn hinausschieben (so BGH, Urt. v. 8.4.2013 – AnwZ (Brfg) 16/12). Die Anhörungsschreiben, mit denen seit 2012 auf Fort- bildungsdefizite in dem jeweils vorangehenden Jahr hingewiesen wurde, wurden im Auftrag des Vorstandes der RAK, teilweise von seinem Präsidenten unterzeich- net. Es ist daher davon auszugehen, dass der Vorstand der Bekl. Kenntnis von den einen Widerruf rechtferti- genden Tatsachen hatte und gleichwohl vom Widerruf abgesehen hat. Die Jahresfrist für einen Widerruf aufgrund unterbliebe- ner Fortbildungen für die Jahre vor 2018 war im Zeit- punkt des Widerrufsbescheids v. 14.11.2019 verstri- chen. Erstmals mit Schreiben v. 1.3.2018 hörte die Bekl. den Kl. zu einem beabsichtigten Widerruf wegen 14 fehlender Fortbildungsstunden im Jahr 2017 an. Man- gels Reaktion des Kl. wurde ihm die Anhörung noch- mals mit Schreiben v. 20.4.2018 zugestellt. Mit Schrei- ben v. 13.6.2018 wurde dem Kl. eine Frist zur Nachho- lung des Fortbildungsnachweises bis zum 4.7.2018 ge- setzt. Der Kl. konnte zwei Zeitstunden mit einem am 16.5.2018 belegten Seminar nachweisen. Auf die er- neute Aufforderung der Bekl., bis zum 25.7.2018 mitzu- teilen, wie er die fehlenden zwölf Fortbildungsstunden nachzuweisen gedenke, teilte der Kl. der Bekl. mit E- Mailschreiben v. 4.7.2018 mit, welche Fortbildungsver- anstaltungen er bis zum Oktober 2018 zu besuchen be- absichtige. Darauf bat ihn die Bekl. mit E-Mailschreiben v. 5.7.2018, ihr die Buchungsbestätigungen und Teil- nahmebescheinigungen vorzulegen und mitzuteilen, wie er das sich abzeichnende Defizit für 2018 (12 Stun- den) abdecken wolle. Der Kl. legte der Bekl. bis zum En- de des Jahres 2018 Fortbildungsbescheinigungen vor, FACHANWALTSCHAFTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 219

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