BRAK-Mitteilungen 4/2020

die Entwicklung neuer Berufsbilder erlaubt – gebietet im vorliegenden Fall eine ebenso eng am Schutzzweck ausgerichtete Interpretation des Begriffs der Rechts- dienstleistung i.S.d. § 2 I RDG, s. BT-Drs. 16/3655, Ge- setzesentwurf, S. 35 (Hervorhebungen nur hier): 6. Neuausrichtung des Begriffs der Rechtsdienstleis- Beschränkung auf Fälle echter Rechts- anwendung tung Angesichts der immer wei- ter zunehmenden Verrecht- lichung des alltäglichen Le- bens und der ständigen Entwicklung neuer Dienstleistungsberufe muss der Ver- botsbereich des Gesetzes auf Fälle echter Rechtsan- wendung beschränkt werden . a) Legaldefinition der Rechtsdienstleistung als besonde- re Rechtsprüfung Die dargelegten verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben gebieten es, Einschränkungen der Berufsfrei- heit nur dort vorzunehmen, wo der Kernbereich des Rechts betroffen ist. Dieser Vorgabe kommt der Gesetz- entwurf nach, indem er zunächst den Begriff „Rechts- dienstleistung“ in § 2 I RDG in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte und seither in ständiger Rechtsprechung vorgenommene einschrän- kende Auslegung des Art. 1 § 1 I 1 RBerG neu definiert: Rechtsdienstleistungen sind danach nur Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine besonde- re Prüfung der Rechtslage erfordern. Die Legaldefinition des Begriffs „Rechtsdienstleistung“ in § 2 I RDG enthält gegenüber dem vom Bundesge- richtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelten Be- griff der „Rechtsbesorgung“ (vgl. zuletzt BGH, I ZR 213/ 01 v. 11.11.2004, NJW 2005, 969 – „Testamentsvoll- strecker“) eine wesentliche Einschränkung: Nicht jede „Tätigkeit, die darauf gerichtet und geeignet ist, konkre- te fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten“, ist deshalb auch bereits Rechtsdienstleistung. Erforderlich ist viel- mehr, dass die Rechtsberatung oder Rechtsbesorgung eine besondere Prüfung der Rechtslage im Sinn eines juristischen Subsumtionsvorgangs voraussetzt. Werden rechtliche Vorgänge nach der maßgeblichen Verkehrs- anschauung ohne eine individuelle rechtliche Prüfung abgewickelt – etwa in allen Fällen des schlichten Vertre- terhandelns – oder ist die rechtliche Beurteilung einer Frage auch für juristische Laien so leicht und eindeutig, dass es einer besonderen juristischen Prüfung nicht be- darf, so liegt keine Rechtsdienstleistung vor . Aufgrund dieser Definition fallen allgemeine Rechts- auskünfte oder rechtsbesorgende Bagatelltätigkeiten sowie jede Geschäftsbesorgung, die keine besondere rechtliche Prüfung erfordert, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Verbotsgesetzes (vgl. im Einzelnen Begründung zu Art. 1 § 2 I). Diese Tätigkei- ten sind keine „Rechtsberatung im rechtstechnischen Sinn“ (BVerfG, 1 BvR 1807/98 v. 15.1.2004, NJW 2004, 672 – „Mahnmann“) und damit stets erlaubnis- frei zulässig. b) Der BGH hat in der o.a. „wenigermiete.de “- Entschei- dung die vorliegende Frage – softwarebasierter Doku- mentengenerator als Rechtsdienstleistung – zwar nicht behandelt, sondern sich mit dem Sonderfall der Inkasso- dienstleistung auseinandergesetzt. Die Frage, ob es sich bei dem softwarebasierten Mietpreisrechner um eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 I RDG handelt, hat der BGH ausdrücklich dahinstehen lassen, weil vom Vorlie- gen einer Rechtsdienstleistung bereits nach § 2 II RDG auszugehen sei. Er hat allerdings ergänzend angemerkt (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 Rn. 148): „Je- denfalls ist die Annahme des Berufungsgerichts, bei dem Mietpreisrechner der Kl. handele es sich um eine Rechts- dienstleistung nach § 2 I RDG, weil dieser nicht ein blo- ßes „Rechenwerk“ darstelle, sondern eine „Subsumtion“ der jeweiligen Wohnung unter die Rasterfelder des Miet- spiegels und der Orientierungshilfe und damit eine Rechtsanwendung erfordere, eher fernliegend.“ Das Be- rufungsgericht hatte insoweit ausgeführt, dass bereits die von der Kl. angebotene Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand ihres „Mietpreisrechners“ sich als eine unerlaubte, nicht von ihrer Registrierung als In- kassodienstleisterin umfasste Rechtsdienstleistung dar- stelle. Die Vergleichsmietenermittlung sei als Rechts- dienstleistung zu qualifizieren, weil die Einordnung in den Berliner Mietspiegel zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete auch eine Subsumtion der Besonderhei- ten der streitgegenständlichen Wohnung und deren Merkmale unter die jeweiligen Rasterfelder des Miet- spiegels und der Orientierungshilfe erfordere. Insofern handele es sich nicht nur um einen schlichten Datenab- gleich oder ein bloßes Rechenwerk, sondern um eine Rechtsberatung (s. BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 Rn. 15). Das obiter dictum des BGH zeichnet die Lösung des vorliegenden Falles ansatzweise vor, auch wenn der Mietpreisrechner dem vorliegenden Dokumentengene- rator bezüglich des Umfangs der Dateneingabe, der dabei geleisteten Hilfen und der Individualität des Er- gebnisses nicht vergleichbar sein mag. Dass der Miet- preisrechner ein unverbindliches Ergebnis auswirft, ist kein entscheidender Unterschied zum Rechtsdokumen- tengenerator. Auch dieser erstellt keine rechtsverbind- lichen Dokumente. c) Die Einzelbegründung zu § 2 I RDG spricht ebenfalls Keine weite Ausle- gung des Begriffs Rechtsdienstleistung gegen die vom LG vorge- nommene weite Auslegung des Begriffs der Rechts- dienstleistung: BT-Drs. 16/ 3655, Gesetzesentwurf, S. 46 ff. (Hervorhebungen nur hier): Zu § 2 (Begriff der Rechtsdienstleistung) Zu Absatz 1 Ein immer wieder zu Auslegungsschwierigkeiten führen- des Problem des RBerG ist dessen Begriffsvielfalt (Rechtsberatung, Rechtsbesorgung, Rechtsbetreuung, Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten etc.). Das RDG verwendet nunmehr nur noch den einheitlichen Begriff der Rechtsdienstleistung, unter den sowohl die reine BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 225

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