BRAK-Mitteilungen 4/2020

Raterteilung im Innenverhältnis als auch die Vertretung des Rechtsuchenden nach außen fällt, sei es durch Ver- handeln mit dem Gegner des Rechtsuchenden, durch das im Wege der Stellvertretung erfolgende Abschlie- ßen von Verträgen oder aber auch durch Verhandlun- gen mit Behörden. Der materielle Anwendungsbereich des Gesetzes wird in Anlehnung an die neue Begrifflichkeit in der Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zurückgeführt auf Fälle „substanzi- eller Rechtsanwendung“ (vgl. Allgemeine Begründung, II.6.a). Hierzu dienen die einzelnen Elemente der Be- griffsdefinition. Zum Erfordernis der „besonderen rechtlichen Prüfung“ Im Mittelpunkt der Begriffsdefinition steht das Erforder- nis der besonderen rechtlichen Prüfung. Eine solche rechtliche Prüfung, die über die bloße Anwendung von Rechtsnormen auf einen Sachverhalt hinausgeht, muss entweder objektiv, nämlich nach der maßgeblichen Ver- kehrsanschauung, oder subjektiv, also aufgrund eines vom Rechtsuchenden zum Ausdruck gebrachten Wun- sches, Bestandteil der Dienstleistung sein. Damit scheiden zunächst alle Lebensvorgänge aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes aus, die ohne jede rechtliche Prüfung auskommen, weil sie nach Inhalt, Formen und Rechtsfolgen jedermann derart vertraut sind, dass sie nicht als „rechtliche“ Lebensvorgänge empfunden werden. Diese Geschäfte werden nicht al- lein dadurch zur Rechtsdienstleistung, dass ein Dritter mit ihrer Durchführung beauftragt wird. Tätigkeiten, die objektiv nicht über die bloß schemati- sche Anwendung des Rechts hinausgehen, also insbe- sondere alle Fälle bloßer Stellvertretung im Rechtsver- kehr, fallen damit künftig nur in den Verbotsbereich des Gesetzes, wenn der Rechtsuchende eine besondere rechtliche Betreuung oder Aufklärung erkennbar erwar- tet. Allein die mit einem solchen Vertreterhandeln un- vermeidlich verbundenen, möglicherweise weit reichen- den rechtlichen Folgen machen die Tätigkeit dagegen nicht zu einer erlaubnispflichten Rechtsberatung (vgl. BVerfG, 1 BvR 780/87 v. 29.10.1997, BVerfGE 97, 12 = NJW 1998, 3481 – „MasterPat“). Dies gilt auch in den „Treuhandfällen“ bei Bauträger- oder sonstigen Anlagemodellen, in denen der Bundes- gerichtshof den über die Erteilung umfassender Voll- machten an einen Treuhänder erfolgenden Erwerb von Anlageobjekten wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz für nichtig hält (grdl. BGH, IX ZR 279/99 v. 28.9.2000, BGHZ 145, 265 = NJW 2001, 70; seither st. Rspr.: BGH, II ZR 109/01 v. 16.12.2002, BGHZ 153, 214 = NJW 2003, 1252; BGH, IV ZR 222/ 02 v. 26.3.2003, BGHZ 154, 283 = NJW 2003, 1594; BGH, XI ZR 289/02 v. 11.6.2003, NJW-RR 2003, 1203; BGH, IV ZR 122/02 v. 29.10.2003, NJW 2004, 841; BGH, V ZR 18/04 v. 8.10.2004, MDR 2005, 259; BGH, XI ZR 402/03 v. 25.10.2005, BB 2006, 234; zuletzt BGH, XI ZR 29/05 v. 25.4.2006, NJW 2006, 1952). Auch hier soll künftig das RDG nur noch zur Anwen- dung gelangen, wenn der Anleger beim Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages erkennbar zum Aus- druck bringt, dass er nicht lediglich die Durchführung des Vertrages durch den Treuhänder, sondern eine be- sondere rechtliche Prüfung, Beratung und Betreuung wünscht. Das ist bei Beteiligungs- und Anlagemodellen, bei denen angesichts der durch Musterverträge fest vorgegebenen Erklärungen und Vertragsklauseln eine individuelle Erledigung von Rechtsangelegenheiten für den Anleger überhaupt nicht in Rede steht, nicht der Fall. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – der in diesen Fällen seine eigenen zur einschränkenden Aus- legung des RBerG entwickelten Grundsätze (vgl. etwa BGH, I ZR 62/96 v. 25.6.1998, NJW 1998, 3563, 3564 – „Titelschutzanzeige“; BGH, I ZR 143/00 v. 13.3.2003, NJW 2003, 3046, 3047 f. – „Erbenermittler“) nicht an- wendet – steht daher der nach § 2 gebotenen Rechts- anwendung nicht im Weg und lässt sich auf das RDG si- cher nicht übertragen (vgl. dazu auch Goette , DStR 2006, 337 f.). An einer Rechtsdienstleistung im Sinn des RDG-Ent- wurfs fehlt es darüber hinaus auch, wenn eine Hand- lung – wie letztlich jeder wirtschaftliche Vorgang – zwar die Kenntnis und Anwendung von Rechtsnormen erfordert, die Subsumtion unter juristische Begriffe und Tatbestände aber auch für juristische Laien so selbst- verständlich ist, dass die Rechtsanwendung kein beson- deres rechtliches Wissen voraussetzt. Erforderlich für die Anwendung des Gesetzes ist somit stets die Not- wendigkeit eines spezifisch juristischen Subsumtions- vorgangs auf Seiten des Dienstleistenden. Dabei dient der im Entwurf verwendete Begriff der „besonderen“ Prüfung der Abgrenzung von einfacher Rechtsanwen- dung, die nicht den Beschränkungen des Gesetzes un- terliegt, zu substanzieller Rechtsprüfung. Er soll verhin- dern, dass letztlich doch wieder jede Tätigkeit, die sich im Auffinden, der Lektüre, der Wiedergabe und der blo- ßen Anwendung von Rechtsnormen erschöpft, als Er- gebnis einer vorausgegangenen „Rechtsprüfung“ und damit als Rechtsdienstleistung eingestuft wird. Nicht Rechtsdienstleistung nach § 2 I ist deshalb etwa die bloße Mitwirkung bei einer Vertragskündigung durch formularmäßige Erklärungen, die nach gelten- dem Recht teilweise als erlaubnispflichtig angesehen wurde. So wird künftig etwa die bloße Kündigung eines Energieversorgungsvertrages und die Vertretung beim Abschluss eines neuen Standardvertrages durch einen Energieberater (vgl. dazu OLG Düsseldorf, 24 U 6/03 v. 15.7.2003, NJW-RR 2004, 489) nicht als Rechtsdienst- leistung im Sinn des RDG anzusehen sein, so dass es in- soweit nicht darauf ankommt, in welchem Umfang Tä- tigkeiten von Energieberatern nach § 5 zulässig sind. Die Grenze von der allgemeinen Dienstleistung zur Rechtsdienstleistung ist auch im Bereich des so genann- ten Schadenmanagements, also der Abwicklung von Verkehrsunfallschäden für den Unfallgeschädigten, stets dort zu ziehen, wo eine besondere rechtliche Prü- fung erforderlich wird. Dies ist, wenn die Unfallschaden- regulierung von der Ermittlung von Haftungs- oder Mit- BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 226

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