BRAK-Mitteilungen 4/2020

verschuldensquoten abhängen kann, stets der Fall. Des- halb sind insoweit nur allgemeine Auskünfte darüber, dass die Erstattungsfähigkeit des Schadens von der Haftungslage abhängt und aufgrund Mitverschuldens oder der von dem Fahrzeug des unfallbeteiligten Kun- den ausgehenden Betriebsgefahr eingeschränkt sein kann, zulässig. Solche allgemeinen Auskünfte stellen be- reits nach geltendem Recht keine Rechtsberatung nach Art. 1 § 1 RBerG dar und sind auch künftig keine Rechtsdienstleistung nach § 2 I. Eine rechtliche Beurteilung der Schuldfrage, eine Abwä- gung der Verursachungsanteile oder gar die Anwen- dung der Grundsätze des Anscheinsbeweises auf sei- nen Unfallsachverhalt wird der Unfallgeschädigte von dem Kfz-Meister, Sachverständigen oder Mietwagenun- ternehmer dagegen nicht erwarten; erst recht wird sich dieser zu solchen Fragen nicht verbindlich äußern oder gar mit der gegnerischen Partei über die Verschuldens- frage streiten. Die Prüfung der Haftungsanteile beim Verkehrsunfall ist rechtlich komplex und gehört daher ganz eindeutig zu den Rechtsdienstleistungen, die den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe vorbehalten sind und bleiben. Die Regulierung dem Grunde nach streitiger Schadens- fälle ist deshalb auch niemals eine nach § 5 I zulässige Nebenleistung einer Kfz-Reparatur, der Vermietung eines Ersatzfahrzeugs oder der Erstellung eines Scha- dengutachtens, und zwar schon deshalb nicht, weil die Klärung der Verschuldensfrage für den Unfallgeschä- digten von so essenzieller Bedeutung ist, dass sie stets im Vordergrund steht und niemals nur Nebenleistung ist. Daneben gehört aber die rechtliche Beurteilung von Verkehrsunfällen auch nicht zum Berufsbild des Kfz- Meisters oder Mietwagenunternehmers, und auch der technische Sachverständige ist nicht zur Beantwortung rechtlicher Haftungsfragen berufen, so dass es darüber hinaus an dem erforderlichen Zusammenhang mit der eigentlichen Hauptleistung fehlt. Auch in den Fällen, in denen der Haftungsgrund unstrei- tig ist, etwa weil die Alleinhaftung des Unfallgegners feststeht und von der gegnerischen Versicherung be- reits anerkannt wurde, kann im Verlauf der Schadenre- gulierung eine besondere rechtliche Prüfung erforder- lich werden, etwa wenn es um die Ermittlung und Bezif- ferung eines konkreten Schmerzensgeldanspruchs, eines Erwerbs- oder Haushaltsführungsschadens geht, oder wenn im Sachschadenbereich die Höhe der erstat- tungsfähigen Mietwagenkosten, der Nutzungsausfall- entschädigung oder die Ersatzfähigkeit einer durchge- führten Reparaturmaßnahme streitig wird. In diesem Bereich ist zu differenzieren: Soweit Kfz-Werkstätten, Mietwagenunternehmen oder Sachverständige Hinweise zur Erstattung sonstiger, nicht im Zusammenhang mit ihrer eigentlichen Leistung stehender Schäden, insbesondere zu Personenschäden und Schmerzensgeldansprüchen geben, handelt es sich entweder um allgemein gehaltene Ratschläge , die – wie etwa der Hinweis auf die allgemeine Schadenpau- schale – nicht als Rechtsdienstleistung anzusehen sind, oder – soweit etwa Schmerzensgeldansprüche konkret beziffert oder geltend gemacht werden – um eindeutige Rechtsdienstleistungen, die mangels Zusammenhangs mit der eigentlichen Tätigkeit der Genannten, aber auch aufgrund der besonderen Bedeutung für den Ge- schädigten generell auch nicht als Nebenleistung zuläs- sig sein werden. Soweit ein Kfz-Reparaturbetrieb, ein Mietwagenunter- nehmen oder ein Kraftfahrzeugsachverständiger dem Unfallgeschädigten dagegen Hinweise zur Erstattungs- fähigkeit der durch seine Beauftragung entstandenen Kosten erteilen, handelt es sich um eine nach § 249 BGB zu beurteilende rechtliche Frage, deren Beantwortung – jedenfalls in den Fällen, in denen hierüber Streit entste- hen kann – regelmäßig eine besondere rechtliche Prü- fung im Sinn des § 2 I erfordert. In diesen Fällen wird aber die rechtliche Beratung des Unfallgeschädigten zur vollständigen Erfüllung der vertraglichen Hinweis- und Aufklärungspflichten des Unternehmers gehören und damit nach geltendem Recht wie auch künftig nach § 5 I zulässig sein (vgl. – auch zur Zulässigkeit des Forderung- seinzugs in diesen Fällen – Begründung zu § 5 I). Im Ergebnis liegt damit eine besondere Rechtsprüfung nach der Systematik des RDG nicht etwa erst dann vor, wenn eine Tätigkeit das gesamte Kenntnisspektrum der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts erfordert. Jede spezifische Einzelfrage, deren Beantwortung eine juris- tische Subsumtion und besondere Rechtskenntnisse – wenn auch nur in einem kleinen Teilbereich – erfordert, enthält eine solche Rechtsprüfung, die den Anwen- dungsbereich des RDG eröffnet. Anders als im gelten- den Recht bezieht sich der Prüfungsmaßstab nicht auf eine berufliche Tätigkeit in ihrer gesamten Breite, son- dern auf die einzelne Dienstleistung, die im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit zu erbringen ist. Ob diese Tä- tigkeit, sofern es sich um eine Rechtsdienstleistung han- delt, zulässig ist, entscheidet sich sodann bei der Prü- fung der Erlaubnistatbestände, vor allem also nach § 5, der zentralen Erlaubnisnorm über zulässige Rechts- dienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit. Erst hier soll künftig zu prüfen sein, ob die rechtliche Tätigkeit insgesamt untergeordnet und als Nebenleistung zulässig ist, oder ob sie die Tätigkeit ins- gesamt prägt mit der Folge, dass sie grundsätzlich An- wälten vorbehalten bleibt. Zum Erfordernis der Einzelfallprüfung Das aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- richts und des Bundesgerichtshofs abgeleitete Tatbe- standsmerkmal der Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls dient der verfassungsrechtlich gebotenen Einengung des Begriffs der Rechtsdienstleis- tung (vgl. dazu Allgemeine Begründung, I.1). Eine Rechtsdienstleistung liegt nicht vor, wenn zwar eine ver- tiefte Auseinandersetzung mit rechtlichen Fragestellun- gen stattfindet, diese sich jedoch nicht auf einen kon- kreten Einzelfall bezieht. Allgemeine, an die Öffentlich- keit oder einen interessierten Kreis gerichtete rechtliche Informationen stellen damit keine Rechtsdienstleistung RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 227

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