BRAK-Mitteilungen 4/2020

den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor den oft weitreichenden Folgen unqualifizierten Rechtsrats zu schützen, § 1 I RDG (s. auch BT-Drs. 16/3655, S. 30). Der von der Bekl. angebotene Rechtsdokumente-Gene- Keine Gefahr durch Rechtsdokumente- Generator rator begründet keine Ge- fahr, vor der das RDG schützen will. Die Ansicht, dass ein um- fassender Schutz vor un- qualifizierten Rechtsdienstleistungen nur möglich sei, wenn automatisierte Verfahren ebenso wie klassische Beratungsleistungen der genauen Überwachung durch ausreichend qualifizierte Personen unterstellt sind (z.B. Büttel , juris-PR-ITR 25/2019 Anm. 6), überzeugt nicht. Eine Gefährdung des Rechtsverkehrs und/oder der Rechtsordnung als solcher ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Warum das Verbot von Dokumenten- generatoren zu einem verbesserten Schutz der Rechts- suchenden führen soll, bleibt unklar. Der Anwender kann mit dem Programm EDV-gestützt selbst Verträge etc. erstellen. Vertragsgestaltung pp. mag im Einzelfall eine Königsdisziplin der anwaltlichen Beratung sein, gleichwohl dürfen alle Rechtsdokumente, die über A ge- neriert werden könne, ohne die Einschaltung eines Rechtsanwalts frei erstellt werden, auch unter Verwen- dung von Hilfsmitteln wie Vorstücke oder Formular- handbücher. Für die Verbraucher und Unternehmer, de- nen die Inanspruchnahme von Rechtsrat zur Formulie- rung von Rechtsdokumenten z.B. zu teuer und/oder aufwändig ist, erweitert der Dokumentengenerator das Hilfsangebot um eine naheliegende digitale und da- durch besonders nutzerfreundlich ausgestaltbare Mög- lichkeit. Es bedarf schon einer konkreten Begründung, dem Verbraucher eine solche attraktive Hilfestellung bei der Erledigung der eigenen Rechtsangelegenheiten in eigener Verantwortung zu untersagen. Die Anwen- dung eines logisch zwingend vorgegebenen Entschei- dungsprozesses, der typischerweise besonders gut EDV-gestützt ablaufen kann, den Rechtsanwälten vor- zubehalten, nur weil das einen solchen Entscheidungs- prozess abbildende Programm auf rechtlichen Wertun- gen beruht, widerspricht der Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des RDG im Hinblick auf die Entwick- lung neuer Berufsbilder (s.o.) sowie im Hinblick darauf, dass das Gesetz auf „Fälle echter Rechtsanwendung beschränkt“ werden sollte. Dem Schutz der Anwalt- schaft vor Konkurrenz dient das RDG nicht (s. Decken- brock/Henssler , RDG, 4. Aufl., § 1 Rn. 13 m.w.N.). Ein Schutz vor unqualifizierter Rechtsberatung muss nur dort gewährleistet werden, wo eine rechtliche Beratung tatsächlich oder vorgeblich stattfindet. Dass der streit- gegenständliche Dokumentengenerator lediglich nach einem relativ einfachen Frage-Antwort-Schema vorge- gebene Wortbausteine miteinander kombiniert und das Ergebnis von der Qualität der Bausteine und der im Programm vorgegebenen logischen Verknüpfungen einerseits sowie andererseits von der Richtigkeit, Sinn- haftigkeit und Stimmigkeit der eigenen Auswahlent- scheidungen abhängt, ist bei der Anwendung des Pro- gramms – so wie sie sich in den Anlagen K5 und K7 (Teil der dem angefochtenen Urteil des Landgerichts beigefügten Anlage 1) beispielhaft darstellt – für den Nutzer ohne weiteres erkennbar. Die vom Programm vorgegebenen allgemeinen Ausfüllhilfen genügen den Anforderungen an eine rechtliche Prüfung i.S.d. § 2 I RDG gerade nicht. Soweit eine Gefahr für den einzelnen Rechtssuchenden in der Anpreisung eines EDV-gestützten Rechtsdoku- mentengenerators als ein mit einer anwaltlichen Bera- tung vergleichbares Angebot liegen kann, bedarf es kei- ner Untersagung des Geschäftsmodells als solches über § 3a UWG, §§ 2, 3 RDG, sondern (nur) einer Un- tersagung der irreführenden Werbung für das als sol- che zulässige Geschäftsmodell. Für etwaige Mängel der Textbausteine und/oder ihrer logischen Verknüpfung oder sonstiger Mängel des Programms kommt ggf. eine vertragliche Haftung der Dienstleister in Betracht. Auch insoweit bedarf es keiner Untersagung des Geschäfts- modells. d) Selbst wenn – mit dem LG – von einer Tätigkeit der Bekl. in konkreten fremden Angelegenheiten ausgegan- gen wird, fehlt es schließlich noch immer an der Erfor- derlichkeit einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls. Hierdurch erfasst wird jede konkrete Subsumtion eines Sachverhaltes unter die maßgeblichen rechtlichen Be- stimmungen, die über eine bloß schematische Anwen- dung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prü- fung hinausgeht; ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist unerheblich (BGH, Urt. v. 14.1.2016 – I ZR 107/14 Rn. 43). Eine solche Prü- fung muss nach der Vorstellung des Gesetzgebers ent- weder objektiv, nach der maßgeblichen Verkehrsan- schauung, oder subjektiv, aufgrund eines vom Rechtssu- chenden zum Ausdruck gebrachten Wunsches, Be- standteil der Dienstleistung sein. Tätigkeiten, die objek- tiv nicht über eine schematische Anwendung des Rechts hinausgehen, fallen gleichwohl unter § 2 I RDG, wenn der Rechtssuchende eine besondere rechtliche Be- treuung oder Aufklärung erkennbar erwartet (BT-Drs. 16/3655 zum Erfordernis der „besonderen rechtlichen Prüfung“; BT-Drs. 16/6634, S. 50 f.). a) Objektiv betrachtet kann das streitgegenständliche Programm mit seiner Führung durch einen Fragen-Ant- wort-Katalog nicht mehr leisten als eine rein schemati- sche Anwendung von Rechtsnormen, auch wenn das mit dem Programm erstellte Dokument eine hohes Maß an Komplexität und Individualität aufweisen mag (a.A. z.B. Dahns, NJW-Spezial 2019, 766). Die Software ist so programmiert, dass auf jede Handlungsanweisung eine vorbestimmte, standardisierte Antwort erfolgt, so nut- zerfreundlich das Programm auch ausgestaltet sein mag. Das bei der Anwendung des Programms ablau- fende streng logische und zu immer den gleichen ein- deutigen Ergebnisses führende Verfahren mag man als „Subsumtion“ werten können (s. Wettlaufer , MMR 2018, 55, 57), ein rein logisch-schematisch ablaufender Übertragungsvorgang genügt nach den Gesetzesmate- rialien gleichwohl nicht für die erforderliche objektive BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 230

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