BRAK-Mitteilungen 4/2020

spricht, mag dahinstehen. Denn die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses fällt jedenfalls unter den ersten Widerrufsgrund des § 46b II 2 BRAO, d.h. einer nicht mehr den Anforderungen des § 46 II-V BRAO entsprechenden Änderung der arbeitsvertrag- lichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses. Hierbei dürfte der Gesetzgeber zwar vorrangig den Fall vor Au- gen gehabt haben, dass innerhalb eines fortbestehen- den Arbeitsverhältnisses die vertraglichen Vereinbarun- gen über die Tätigkeit so geändert werden, dass diese ihre anwaltliche Prägung verliert. Die Kl. weist aber zu- treffend darauf hin, dass dann erst recht die vollständi- ge Beendigung eines Arbeitsverhältnisses – sei es durch Kündigung oder durch einvernehmliche Aufhebung – eine arbeitsvertragliche Umgestaltung des Arbeitsver- hältnisses darstellt. [14] Für das Erfordernis eines Widerrufs im Fall des Ar- beitgeberwechsels spricht auch, dass die erteilte Zulas- sung nicht nur dann zu widerrufen ist, wenn anschlie- ßend überhaupt keine anwaltliche Tätigkeit i.S.v. § 46 BRAO mehr ausgeübt wird, sondern auch dann, wenn die neue anwaltliche Tätigkeit nicht unmittelbar, son- dern erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand nach der Beendigung der früheren Tätigkeit aufgenommen wird. Warum der Fall einer sich unmittelbar anschlie- ßenden Tätigkeit systematisch anders zu behandeln sein sollte, ist nicht ersichtlich. [15] cc) Auch Sinn und Zweck des § 46b III BRAO erfor- Sinn und Zweck dern keine Anwendung im Fall eines Arbeitgeberwech- sels. [16] Zwar wäre mit der Zulässigkeit eines Erstreckungs- bescheids eine Verwaltungsvereinfachung gegenüber dem Verfahren bei Widerruf der bisherigen und Ertei- lung einer neuen Zulassung verbunden. Auch wird bei Erlass eines Erstreckungsbescheids im Tenor die bruch- lose Wahrung der Statusrechte als Syndikusrechtsan- walt erkennbar zum Ausdruck gebracht. Die bruchlose Wahrung der Statusrechte lässt sich aber weitgehend auch dadurch wahren, dass der Widerruf der bisheri- gen und die Erteilung der neuen Zulassung in einem Akt erfolgen und ggf. die vorläufige Vollziehung angeordnet wird. [17] Eine Erstreckung ist auch nicht im Hinblick auf die Versicherungspflicht des Antragstellers in der gesetz- lichen Rentenversicherung geboten, da sich insoweit kein Unterschied zu der Situation bei einem Widerruf der bisherigen und der Erteilung einer neuen Zulassung ergibt. In beiden Fällen entfällt die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht mit der Beendi- gung des bisherigen Arbeitsverhältnisses, für das sie er- teilt wurde, und sie beginnt erneut frühestens mit dem Eingang des Erstreckungs- bzw. Zulassungsantrags für die neu aufgenommene Tätigkeit bei der Rechtsan- waltskammer. Die – separat zu beantragende und zu erteilende – Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 I SGB VI durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gilt immer nur für die aktuell aus- geübte Tätigkeit. Die Befreiung für die bisherige Tätig- keit erlischt daher ipso iure unabhängig vom Fortbe- stand einer diesbezüglichen Zulassung als Syndikus- rechtsanwalt mit der Beendigung dieses Arbeitsverhält- nisses und muss somit mit jedem Wechsel der Tätigkeit und mit jedem Arbeitgeberwechsel (ausgenommen im Fall des Betriebsübergangs nach § 613a BGB) für die neue Tätigkeit bzw. den neuen Arbeitgeber neu bean- tragt werden (vgl. BSGE 112, 108 Rn. 16 ff.; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/ Gürtner , § 6 SGB VI Rn. 31September 2019]). Die von der berufs- rechtlichen Regelung unabhängige bisherige Befrei- ungsentscheidung entfaltet daher für eine neue Tätig- keit bzw. einen Arbeitgeberwechsel auch dann keine Wirkung mehr, wenn die Kammer versäumt hat, die bis- herige Zulassungsentscheidung zu widerrufen oder zu- rückzunehmen (vgl. Diller/Schuster, in Henssler/Prüt- ting, BRAO, 5. Aufl., Anhang §§ 46, 46a-c BRAO Rn. 81, 83 ff.; Wolf, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufs- recht, 3. Aufl., § 46a BRAO Rn. 56). Die für die Befrei- ungsentscheidung für die neue Tätigkeit von dem Trä- ger der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 46a II 4 BRAO wiederum zu beachtende Bindungswirkung der diesbezüglichen Zulassungsentscheidung der Kammer beginnt im Fall der Erstreckung nicht früher als im Fall der Neuerteilung der Zulassung, sondern gem. § 46b III, § 46a IV Nr. 2 BRAO ebenfalls frühestens mit dem Eingang des Erstreckungsantrags bei der Kammer. [18] In diesem Zusammenhang kann die Bekl. sich auch nicht darauf berufen, dass im Fall des Beigeladenen die Regelung des § 46a IV Nr. 2 BRAO über die rückwirken- de Begründung der Kammermitgliedschaft im frag- lichen Zeitraum noch nicht umgesetzt gewesen sei, so dass der Beigeladene ohne die Erstreckung sozialrecht- liche Nachteile zu befürchten gehabt habe. Das „Ge- setz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ (BGBl. 2017 I, S. 1121), mit dem § 46a IV Nr. 2 BRAO neu eingefügt wurde, ist zwar erst am 18.5.2017 in Kraft getreten. Für die damit ver- bundene Neuregelung in § 46a IV Nr. 2 BRAO hat das Gesetz jedoch ein rückwirkendes Inkrafttreten zum 1.1.2016 angeordnet (Art. 20 II Nr. 1), um damit eine Anwendung auf sämtliche Sachverhalte sicherzustellen, die unter das seit dem 1.1.2016 geltende neue Recht für Syndikusrechtsanwälte fallen (Begründung des Re- gierungsentwurfs, BT-Drs. 18/9521, 241 zu Art. 21 II). [ 19] dd) Schließlich sprechen auch die Gesetzesmate- Gesetzesmaterialien rialien gegen eine Erstre- ckung bei einander ablö- senden Arbeitsverhältnis- sen. Nach der Begründung des Fraktionsentwurfs zu § 46b III BRAO-E (BT-Drs. 18/5201, 36 Abs. 2) soll die Vorschrift klarstellen, dass die Zulassung auf Antrag auf neue anwaltliche Tätigkeiten innerhalb eines beste- henden Arbeitsverhältnisses oder auf anwaltliche Tätig- keiten innerhalb weiterer nachträglich hinzutretender Arbeitsverhältnisse zu erstrecken sei. Ein hinzutreten- des Arbeitsverhältnis setzt dem Wortsinn nach das Fort- bestehen eines bisherigen Arbeitsverhältnisses voraus. BRAK-MITTEILUNGEN 4/2020 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 238

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