BRAK-Mitteilungen 3/2021

beitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leis- tungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesent- lich und prägend sind. 26 26 BFH, BStBl. 2012 II, 236 m.w.N. Hier kommt es stets auf eine Einzelfallbeurteilung und eine Wertung der Gesamttätigkeit an. Sofern kein ande- rer Arbeitsplatz zur Verfügung steht und die gesamte berufliche Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer er- folgt, stellt dieses den Mittelpunkt der beruflichen Betä- tigung des Steuerpflichtigen dar. Der Tätigkeitsmittel- punkt i.S.d. § 4 V 1 Nr. 6b S. 3 Hs. 2 EStG bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuer- pflichtigen; dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Tätigkeit kommt lediglich indizielle Bedeutung zu. 27 27 BFH, BStBl. 2004 II, 65; BMF-Schreiben v. 6.10.2017, BStBl. 2017 I, 1320 Rn. 9. Ein Beispiel für den qualitativen Schwerpunkt im häuslichen Arbeitszimmer dürften die Fälle sein, in denen mehrere Rechtsanwälte gemeinsam Büroräume anmieten, die jeder von ihnen nur zur Durchführung von Mandanten- besprechungen nutzen kann, und im Übrigen ihre Tätig- keiten jeweils von zu Hause erbringen. Selbst das zeitliche Überwiegen der außerhäuslichen Tätigkeit schließt einen unbeschränkten Abzug der Auf- wendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht von vornherein aus. Das Arbeitszimmer eines Steuerpflichti- gen, der über keinen anderen Arbeitsplatz verfügt, kann somit grundsätzlich auch dann Mittelpunkt seiner ge- samten betrieblichen und beruflichen Betätigung sein, wenn die zeitliche Nutzung des Arbeitszimmers im Ver- gleich zu seiner gesamten beruflichen Tätigkeit be- schränkt ist. 28 28 BFH, BStBl. 2004 II, 62; BStBl. 2004 II, 65; BStBl. 2004 II, 59. Das ist beispielsweise bei Außendienst- mitarbeitern der Fall. Bei Rechtsanwälten könnte dieses Abgrenzungskriterium gegebenenfalls dann einschlä- gig sein, wenn der zeitlich überwiegende Teil ihrer Tätig- keit auf außerhäusliche Prozesstätigkeit entfiele. Sofern auch ein anderer Arbeitsplatz im eigenen Unter- nehmen oder beim Arbeitgeber zur Verfügung steht, könnte der Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit dann im häuslichen Arbeitszimmer liegen, wenn der Steuer- pflichtige im häuslichen Arbeitszimmer Tätigkeiten aus- übt, die er an seinem anderen Arbeitsplatz faktisch nicht erbringen kann. In dem oben unter II.2. genann- ten Beispiel wäre dies beispielsweise der Fall, wenn der Steuerpflichtige fast ausschließlich Gutachten erstellt, für die er großflächige Pläne ausbreiten muss und am anderen Arbeitsort lediglich Poolarbeitsplätze mit be- grenzter Arbeitsfläche zur Verfügung gestellt werden. a) BESONDERE BERUFSGRUPPEN Für einen Hochschullehrer hat der BFH entschieden, dass bei diesem das häusliche Arbeitszimmer grund- sätzlich nicht den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt. 29 29 BFH, BStBl. 2012 II, 234 ff.; BFH, Beschl. v. 14.12.2012 – VI B 134/12; vgl. u.a. BFH, BStBl. 2012 II, 234 ff. Unter Berücksichtigung der Verkehrsauffas- sung erbringe ein Hochschullehrer den qualitativen Schwerpunkt seiner Tätigkeit, nämlich die Lehre, an der Hochschule. Auch bei einem Richter liege der Mittelpunkt seiner be- ruflichen Tätigkeit nicht im häuslichen Arbeitszimmer, sondern im Gericht, weil die eigentliche richterliche Tä- tigkeit im Gericht ausgeübt werde und sich dies in Sit- zungen und mündlichen Verhandlungen manifestiere. 30 30 BFH, BStBl. II 2012, 236. Auch Rechtsanwälte erbringen ihre eigentliche anwalt- liche Tätigkeit regelmäßig nicht im häuslichen Arbeits- zimmer (vgl. auch oben II.2.a)). Anders stellt sich das dar, wenn außer dem häuslichen Arbeitszimmer kein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. b) MEHRERE BERUFLICHE TÄTIGKEITEN Wenn der Steuerpflichtige neben der Tätigkeit, die nur einen beschränkten Abzug der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zulässt, noch eine weitere Tätigkeit, z.B. eine selbstständig ausgeübte Dozententätigkeit, eine Prüfer- oder Schriftstellertätigkeit ausübt, für welche kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist nicht auf die einzelne Tätigkeit abzustellen; vielmehr sind die Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen. 31 31 BMF-Schreiben v. 6.2.2017, BStBl. 2017 I, 1320. Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Schwerpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit (z.B. der schriftstelleri- schen Tätigkeit), nicht jedoch den Schwerpunkt der übri- gen Tätigkeit (z.B. Tätigkeit als Rechtsanwalt), ist regel- mäßig davon auszugehen, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bildet. 32 32 BFH, BStBl. 2004 II, 65; BStBl. 2004 II, 771; BStBl. 2005 II, 212; BMF-Schreiben v. 6.2.2017, BStBl. 2017 I, 1320. c) UNBEGRENZTE ABZUGSFÄHIGKEIT Für den Fall, dass die Tätigkeit im häuslichen Arbeits- zimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit darstellt, sind die Aufwendun- gen für das Arbeitszimmer vollständig abzugsfähig. Die oben genannte Begrenzung auf 1.250 Euro greift in die- sem Fall nicht. Abzugsfähig sind Aufwendungen für die unter 2.c) genannten Ausgaben. d) GEMEINSAME NUTZUNG EINES HÄUSLICHEN ARBEITSZIMMERS Zur gemeinschaftlichen Nutzung eines häuslichen Ar- beitszimmers gelten die Ausführungen zu 2.d) entspre- chend. Jeder Steuerpflichtige kann nur die Ausgaben in Abzug bringen, die er persönlich selbst getragen hat. 4. ALLE SONSTIGEN FÄLLE In allen sonstigen Fällen, also immer dann, wenn ein Steuerpflichtiger in seiner Wohnung ein Arbeitszimmer einrichtet, obwohl ihm ein anderer Arbeitsplatz zur Ver- fügung steht oder der Mittelpunkt seiner gesamten be- ruflichen Tätigkeit an einem anderen Ort stattfindet, AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 141

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