BRAK-Mitteilungen 3/2021

zug auf die Rüge – aus § 74a II 2 BRAO. 18 18 Weyland/ Brüggemann , § 32 Rn. 9 m.w.N. § 74a II 2 StPO erklärt drei einzelne Normen der StPO für an- wendbar. Welcher Rechtscharakter einer Rüge dieser Ansicht nach zukommen soll, wenn die Vorschriften des VwVfG mitsamt § 35 VwVfG nicht anwendbar sind, er- schließt sich daraus allerdings nicht. Auch Güldenzoph vertritt – bereits oben erwähnt – die Ansicht, dass es sich bei einer Rüge mangels Außenwir- kung nicht um einen Verwaltungsakt handele. 19 19 Güldenzoph , BRAK-Mitt. 2011, 4, 7 f. Es bleibt jedoch ebenfalls unklar, was die Rüge stattdessen darstellen soll. Kleine-Cosack betont, dass es sich in je- dem Fall um anfechtbare Verwaltungsakte handelt, wenn missbilligende Belehrungen im Hinblick auf ein zurückliegendes Verhalten erfolgen. 20 20 Kleine-Cosack , § 73 Rn. 7. Das muss dann erst recht für die noch schärfere Rüge gelten. Hartung hält fest, dass es sich bei einer einfachen Belehrung nicht um einen Verwaltungsakt handele; 21 21 Henssler/Prütting/ Hartung , § 74 Rn. 16 (unter Rn. 10 ist zudem erwähnt, dass der Vorstand zum Erlass von Verwaltungsakten befugt sei). im Umkehr- schluss kann man daraus wohl schließen, dass es sich bei einer missbilligenden Belehrung 22 22 Unklar bei Henssler/Prütting/ Hartung , § 73 Rn. 29. und folglich erst recht bei einer Rüge um einen Verwaltungsakt handelt. 5. ERGEBNIS Die überzeugenderen Argumente sprechen dafür, dass es sich bei einer Rüge um einen Verwaltungsakt han- delt. Nicht zuletzt die Einstufung als Verwaltungsakt führt zudem dazu, dass der Rügebescheid 23 23 Henssler/Prütting/ Hartung , § 74 Rn. 48, dort mit Verweis auf § 35a StPO, sowie Rn. 63; Weyland/ Weyland , § 74 Rn. 51, mit Verweis auf den allg. Rechtsgedanken aus § 35a StPO; Kleine-Cosack , BRAO, 8. Aufl., 2020, § 74 Rn. 8: „ sollte “ mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden. (ebenso wie der Einspruchsbescheid 24 24 Henssler/Prütting/ Hartung , § 74 Rn. 63; Weyland/ Weyland , § 74 Rn. 56. ) einer Rechtsbehelfs- belehrung nach § 37 VI 1 VwVfG (alternativ: § 35a S. 1 StPO) bedarf. III. RECHTSBEHELFE GEGEN DEN RÜGEBESCHEID Gegen einen Rügebescheid kann zunächst ein Ein- spruch eingelegt werden; sofern dieser zurückgewiesen wird, steht dem betroffenen Rechtsanwalt der Gang zum Anwaltsgericht offen. 1. EINSPRUCHSVERFAHREN Kommt es zu einem Rügebescheid, kann der betroffene Rechtsanwalt gegen diesen binnen eines Monats nach Zustellung formlos 25 25 Henssler/Prütting/ Hartung , § 74 Rn. 64; Weyland/ Weyland , § 74 Rn. 53, formlos, aber schriftlich empfohlen. Einspruch beim Vorstand der Rechtsanwaltskammer einlegen. Über den Einspruch entscheidet der Vorstand. Auch diese Entscheidung ist mit Gründen zu versehen, dem Rechtsanwalt – mit- samt einer Rechtsbehelfsbelehrung 26 26 Vgl. Fn. 24. – zuzustellen und der Generalstaatsanwaltschaft mitzuteilen (§ 74 V BRAO). 2. ANWALTSGERICHTLICHE ENTSCHEIDUNG Wird der Einspruch gegen den Rügebescheid durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer zurückgewiesen, so kann der Rechtsanwalt innerhalb eines Monats nach der Zustellung die Entscheidung des Anwaltsgerichts beantragen (§ 74a I 1 BRAO). Der Antrag ist schriftlich beim Anwaltsgericht einzureichen (§ 74a II 1 BRAO). Zuständig ist das Anwaltsgericht am Sitz der Rechtsan- waltskammer, deren Vorstand die Rüge erteilt hat (§ 74a I BRAO). § 74a II 2 BRAO erklärt § 308 StPO (Befugnisse des Be- schwerdegerichts), § 309 StPO (Entscheidung) und § 311a StPO (Nachträgliche Anhörung des Gegners) für sinngemäß anwendbar, wobei die von § 308 I StPO vor- gesehene Gegenerklärung vom Vorstand der Rechtsan- waltskammer abzugeben ist (§ 74a II 3 BRAO). Anders als bei den anwaltsgerichtlichen Verfahren nach §§ 113 ff. BRAO zur Verhängung einer anwaltsgericht- lichen Maßnahme ist die Staatsanwaltschaft bei dem Verfahren der anwaltsgerichtlichen Überprüfung einer Rüge nicht beteiligt (§ 74a III 4 BRAO). Die General- staatsanwaltschaft ist jedoch vom Anwaltsgericht un- verzüglich über einen entsprechenden Antrag auf an- waltsgerichtliche Entscheidung zu informieren und ihr ist eine Abschrift des Antrags zu übermitteln (§ 74a IV BRAO). Auch eine mündliche Verhandlung findet nur dann statt, wenn der betroffene Rechtsanwalt sie beantragt oder das Anwaltsgericht sie für erforderlich hält (§ 74a II 5 BRAO). Art und Umfang der Beweisaufnahme werden vom An- waltsgericht bestimmt (§ 74a II 7 BRAO); dabei ist je- doch zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnah- me von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismit- tel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeu- tung sind (§ 74a II 8 BRAO). Der Rügebescheid darf in Art und Höhe vom Anwalts- gericht nicht zum Nachteil des betroffenen Rechtsan- walts geändert werden; es darf also nicht stattdessen eine anwaltsgerichtliche Maßnahme verhängt werden (§ 74a III 1 BRAO). Trotz dieses gesetzlich verankerten Verbots der reformatio in peius sind nachteilige Folgen nicht ausgeschlossen; denn die Staatsanwaltschaft kann auch während des laufenden Überprüfungsver- fahrens wegen desselben Verhaltens, das der Vorstand der Rechtsanwaltskammer gerügt hat, ein anwaltsge- richtliches Verfahren einleiten (§ 74a V BRAO). IV. ANWENDBARE VORSCHRIFTEN Keine Regelung enthält das Gesetz allerdings im Hin- blick auf die Frage, welches Verfahrensrecht das An- OTT, ANWENDBARE VERFAHRENSVORSCHRIFTEN BEI ANWALTSGERICHTLICHER ENTSCHEIDUNG ÜBER EINE RÜGE AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 147

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