BRAK-Mitteilungen 3/2021

(Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) we- gen eines übermäßigen Abfangens und Lesens von E-Mails durch den BND im Rahmen der strategischen Überwachung internationaler Telekommunikation; ihm stehe kein wirksames Rechtsmittel i.S.v. Art. 13 EMRK (Recht auf wirksame Beschwerde) gegen eine Verlet- zung seiner Rechte durch die beanstandeten Überwa- chungsmaßnahmen zur Verfügung. Nach Ansicht der BRAK greift das anlasslose Durchsuchen und Lesen von E-Mails durch den BND gravierend in die Pflicht zur an- waltlichen Verschwiegenheit (§ 43a II BRAO, § 2 II BO- RA) ein. Müsse ein Anwalt die anlasslose Durchsuchung seiner beruflichen E-Mail-Kommunikation befürchten, ohne dass ihm hiergegen effektiver Rechtsschutz zuste- he, werde ihm dieser Kommunikationsweg aus berufs- rechtlichen Gründen unmöglich gemacht. Der EGMR hat das Verfahren zunächst ausgesetzt, bis die Große Kammer über zwei ähnlich gelagerte Verfahren aus Großbritannien und Schweden entschieden hat. 24 24 Vgl. Nachr. aus Berlin Nr. 6/2021 v. 24.3.2021. STRAF- UND STRAFPROZESSRECHT Den Regierungsentwurf zur Fortentwicklung der StPO sieht die BRAK kritisch. Sie sieht keinerlei Regelungsbe- darf für die vorgesehene Beseitigung des Schutzes von Betroffenen vor einer Vollstreckung der Wertsersatzein- ziehung (§ 459g I 1 StPO). Dass die langjährige Forde- rung der Anwaltschaft nach einer Verlängerung der Re- visionsbegründungsfrist umgesetzt werden soll, be- grüßt die BRAK; jedoch stehe die vorgesehene Staffe- lung in keinem Verhältnis zur Urteilsabsetzungsfrist, an die sie eigentlich angeglichen werden solle. 25 25 BRAK-Stn.-Nr. 19/2021; s. bereits BRAK-Stn. 68/2020. Den über- raschend in den Regierungsentwurf aufgenommenen § 95a StPO, nach dem bei Durchsuchungen und Be- schlagnahmen bei Dritten die Benachrichtigung der be- troffenen Beschuldigten zeitweise zurückgestellt wer- den können soll, lehnt die BRAK entschieden ab. Er bre- che mit der offenen Gestaltung von Ermittlungsmaß- nahmen als wesentlichem Strukturelement der StPO. 26 26 BRAK-Stn.-Nr. 21/2021. Die BRAK lehnt ferner Überlegungen zu Durchsuchun- gen zur Nachtzeit, um eine nächtliche Beschlagnahme von Datenträgern zu ermöglichen, sowie zum Verfahren beim europäischen Haftbefehl (EuHB; § 131 I StPO) ab. Diese waren an das BMJV im Nachgang zu dem Regie- rungsentwurf herangetragen worden. 27 27 BRAK-Stn.-Nr. 30/2021. Kritisch sieht die BRAK auch den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staats- anwaltschaften und der justiziellen Zusammenarbeit in- nerhalb der EU. Hintergrund sind praktische Schwierig- keiten bei der Ausstellung von EuHB als Folge einer Ent- scheidung des EuGH vom Mai 2019, in der dieser deut- schen Staatsanwaltschaften wegen der Möglichkeit mi- nisterieller Einzelweisungen absprach, unabhängige „ausstellende Behörden“ i.S.d. EuHB-Rahmenbeschlus- ses zu sein. Aus Sicht der BRAK geht das an sich begrü- ßenswerte Vorhaben über das gebotene Maß hinaus und gefährdet die notwendig hierarchische Struktur der Staatsanwaltschaften. 28 28 BRAK-Stn.-Nr. 31/2021. RECHTSSTAATLICHKEIT Die Sicherung des Rechtsstaats gerade in Zeiten einer Pandemie bleibt ein zentrales Anliegen der BRAK. Mit einem dritten Positionspapier 29 29 3. Positionspapier – Für die Wahrung des Parlamentsvorbehalts (BRAK-Stn.-Nr. 33/ 2021); dazu PE Nr. 4/2021 v. 19.4.2021; zu den beiden früheren Positionspapieren s. Nachr. aus Berlin Nr. 8/2021 v. 22.4.2021. hat sie angesichts der seit einem Jahr andauernden Corona-Krise gefordert, den gebotenen Weg der Gesetzgebung einzuhalten. Die Exekutive dürfe nicht ohne Befassung von Bundes- tag und Landesparlamenten agieren. Je wesentlicher die Allgemeinheit in ihren Kernrechten betroffen sei, desto mehr bestehe der Parlamentsvorbehalt. Proble- matisch sei es daher, die Impfreihenfolge durch eine Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums zu re- geln; der parlamentarische Gesetzgeber sei hierfür we- gen der Grundrechtsrelevanz prioritär zuständig. Gegen eine Bedrohung des Rechtsstaats von ganz an- derer Seite wandte die BRAK sich nach Protesten gegen die Ermittlungen gegen einen Familienrichter des AG Weimar. Dieser hatte zwei Schulleitungen untersagt, eine Maskenpflicht für zwei Kinder anzuordnen; dies be- gründete er mit einer Gefährdung des Kindeswohls. Die Entscheidung erregte in den Medien großes Aufsehen; aus Sicht des VG Weimar und des Thüringer Bildungs- ministeriums ist sie offensichtlich rechtswidrig; zwi- schenzeitlich wurde sie vom OLG Jena aufgehoben. 30 30 Pressemitt. des OLG Jena v. 19.5.2021. Nach Informationen der BRAK und der RAK Thüringen erhielt die Staatsanwaltschaft, die das Ermittlungsver- fahren leitet, Drohungen und wurde massiv unter Druck gesetzt. Zudem wurden Rechtsanwaltskammern aufge- fordert, Widerstand gegen die Ermittlungen zu leisten. BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels und Jan-Helge Kes- tel, Präsident der RAK Thüringen, verurteilen dies ent- schieden: Eine Bedrohung von Justizbehörden sei mit dem Wesen eines Rechtsstaats unvereinbar und dürfe nicht toleriert werden. 31 31 PE Nr. 6 v. 3.5.2021; dazu Nachr. aus Berlin Nr. 9/2021 v. 3.5.2021. EINSATZ FÜR ANWALTSCHAFT IN BELARUS Die BRAK hat sich gegen die Verfolgung von Anwält*in- nen in Belarus eingesetzt. In Schreiben an Präsident Alexander Lukaschenko sowie an Bundesaußenminister Heiko Maas und Bundesjustizministerin Christine Lam- brecht äußerte BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels seine Bestürzung. Anwält*innen, die Oppositionelle vertraten, wurden nach Informationen der BRAK inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt, ihre Kanzleien durchsucht, Kommunikation mit Mandanten unterbunden, man- chen wurde die Zulassung entzogen. Zudem soll das An- waltsgesetz des Landes geändert und so die ohnehin schon starke staatliche Kontrolle über die Anwaltschaft AUS DER ARBEIT DER BRAK AUS DER ARBEIT DER BRAK BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 167

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