BRAK-Mitteilungen 3/2021

gem. § 84 I 2 VwGO angehört. Der Gerichtsbescheid hat die Wirkung eines Urteils (§ 84 III VwGO). 2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage des Kl. ist gem. Fortsetzungs- feststellungsklage § 112c I 1 BRAO, § 113 I 4 VwGO zulässig. Die Auffas- sung der Bekl., der Kl. wen- de sich gegen Maßnah- men, die keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG dar- stellten, ist unzutreffend. Für den Rechtsanwalt stellt nach Auffassung des Gerichts nicht nur die Eintragung eines Berufsverbots in das Anwaltsverzeichnis einen Verwaltungsakt dar, sondern insb. auch die im Zusam- menhang mit der Vertreterbestellung von der RAK ge- troffenen Verfügungen (vgl. Henssler/Prütting , BRAO § 161a Rn. 9). Die entsprechenden Verfügungen der Bekl. entfalten unmittelbare Rechtswirkung nach au- ßen, indem sie zum einen kundtun, dass der Kl. einer be- ruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen darf und ein von der Bekl. bestellter Vertreter an seine Stelle tritt. Dementsprechend ist der Rechtsanwalt auch, was zwi- schen den Parteien in diversen anwaltsgerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit dem Berufsverbot und den Vertreterbestellungen unstreitig war, berech- tigt, diese Verfügungen an sich anzugreifen und der an- waltsgerichtlichen Überprüfung zu unterstellen. 3. Der Kl. hat auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteres- se i.S.d. § 113 I 4 VwGO. Hierfür genügt jedes aufgrund von vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falls an- zuerkennendes schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art (BGH, NJW-RR 2012, 57 Rn. 16; BVerwG, NVwZ-RR 2010, 154 Rn. 4). Die Rechtsprechung hat ein Fortsetzungsfeststellungs- interesse in mehreren Fallgruppen anerkannt, und zwar bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr, bei einem vor- handenen Rehabilitierungsinteresse, zur Vorbereitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Amtshaftungs- prozesses und bei einer Grundrechtsbeeinträchtigung. Ob im vorliegenden Fall, worüber die Parteien streiten, Wiederholungsgefahr und ein Rehabilitierungsinteresse bestehen, kann offen bleiben. Aus Sicht des Senats könnte dem Kl. ein nicht offensichtlich aussichtsloser Amtshaftungsanspruch gegen die Bekl. zustehen. Wie schon der Senat gem. § 112c I BRAO, §§ 123 II 3, 80 V VwGO in seinem Beschl. v. 12.8.2019 zu dem Aktenzei- chen AGH 6/19 (Il 3/25) festgestellt hat, hätte die Bekl. nach einer Übermittlung der Beschlussabschrift des BVerfG am 19.7.2019 ihrerseits sogleich von Amts we- gen den Sachverhalt ermitteln müssen (§ 32 I BRAO, § 24 VwVfG), da der Tenor des Beschlusses des BVerfG unmittelbare Gestaltungswirkung entfaltete und sich deshalb die bisher von der Bekl. veranlassten Eintragun- gen zu Lasten des Kl. im bundesweiten amtlichen An- waltsverzeichnis als falsch bzw. unbegründet erwiesen. Zugleich, so der Senat in dem zitierten Beschluss, muss- te im Interesse des Grundrechts der Berufsfreiheit des Kl. die Vertreterbestellung wieder aufgehoben werden, und zwar von Amts wegen. Da die Bekl. dieser Verpflich- tung erst am 26.7.2019 nachgekommen ist, hat sie zu verantworten, dass der Kl. in der Zeit v. 19.7.2019 bis zum 26.7.2019 unberechtigterweise laut Eintragung im amtlichen Anwaltsverzeichnis noch mit einem Berufs- verbot belegt war und für ihn Vertreter bestellt seien. Es ist nicht auszuschließen, dass dem Kl. hierdurch beruf- liche Tätigkeiten, wie er in seinem allgemein gehaltenen Vortrag behauptet, entgangen bzw. verloren gegangen sind. Ob das tatsächlich so ist, wäre in einem Amtshaf- tungsprozess zu klären, und nicht im Rahmen der Fort- setzungsfeststellungsklage. Die Möglichkeit allerdings ist aufgrund von vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falls nicht von vornherein zu verneinen mit der Fol- ge, dass nicht offensichtlich aussichtslose Amtshaf- tungsansprüche im Raume stehen. Darüber hinaus kommt eine Grundrechtsbeeinträchti- Grundrechts- beeinträchtigung gung des Kl. in Betracht. In Fällen tiefgreifender, tat- sächlich jedoch nicht fort- wirkender Grundrechtsein- griffe kann es das Grundrecht auf effektiven Rechts- schutz gem. Art. 19 IV GG gebieten, die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direk- te Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrenslauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. Henssler/Prüt- ting, a.a.O., § 112c Rn. 18). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, da es sich hier um einen kurzen Zeitraum, nämlich v. 19.7. bis zum 26.7.2019 handelt, in dem die Bekl. verpflichtet gewesen wäre, die Löschungen im Anwaltsverzeichnis vornehmen zu las- sen. Hierzu hat der Senat in dem Beschl. v. 12.8.2019 bereits festgestellt, dass aufgrund des materiellen Rechts des Kl. auf insoweit uneingeschränkte Berufsaus- übung nach Art. 12 I GG der Antrag auf Erlass der be- gehrten einstweiligen Anordnung in ihrem Kern zulässig und begründet gewesen wäre, auch wenn durch die einstweilige Anordnung in diesem Fall gewissermaßen die Hauptsache vorweggenommen worden wäre. Es handelte sich in dem fraglichen Zeitraum um einen tief- greifenden Eingriff in die Berufsfreiheit des Kl., der durch die Verhängung eines Berufsverbots die Befugnis zur Be- rufsausübung und damit zur Selbstvertretung verloren hatte. Wenn dieser Rechtszustand durch eine Entschei- dung des BVerfG beendet, in dem einschlägigen Ver- zeichnis aber nicht bekanntgemacht wird, behindert dies die Berufsfreiheit des Anwalts tiefgreifend, was ent- sprechend zur Vermeidung beruflicher Nachteile unver- züglich hätte richtiggestellt werden müssen. HINWEISE DER REDAKTION: Mit Beschluss v. 25.11.2019 (BRAK-Mitt. 2020, 38) hat der Bayerische AGH klargestellt, dass auch ein vorläufiges Berufsverbot nach seiner Verkündung und unabhängig von der Einlegung eines Rechtsbe- helfs ein wirksames und damit „bestehendes“ Berufs- verbot im Gegensatz zu einem nicht (mehr) bestehen- den Berufsverbot ist. Ein bestehendes Berufsverbot ist als verhängtes vorläufiges Berufsverbot mithin stets in die Anwaltsverzeichnisse einzutragen. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 173

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0