BRAK-Mitteilungen 3/2021

ko der Forderungseinziehung trage. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau verschiedener Gesichtspunkte: [242] Die Kl. behauptet eine solche Übernahme des vol- len wirtschaftlichen Interesses und Risikos schon selbst nicht mit Substanz. Dies ergibt sich etwa im Umkehr- schluss aus dem Vorbringen der Kl. zum Zedenten zu 52). (Nur) Für diese Abtretung beruft sich die Kl. nämlich darauf, aufgrund des durch sie vorgelegten „Forderungskauf- und Abtretungsvertrages“ (Anla- ge K11b) seien in diesem Fall die eventuellen Schadens- ersatzansprüche endgültig an die Kl. verkauft und ab- getreten worden, so dass dieser Zedent kein Eigeninte- resse mehr bezüglich der Forderungen habe (...). Für die sonstigen Zedenten und damit Abtretungen wird dies von der Kl. gerade nicht mit Substanz behauptet; die Kl. hat für diese anderen Zedenten insoweit z.B. mit der An- lage K11b jeweils ausschließlich einen „Dinglichen Ab- tretungsvertrag“ vorgelegt, aus dem sich etwa nicht er- gibt, welche Vereinbarungen zum Kaufpreis die Partei- en geschlossen haben. Offenbar sind dies bei den sons- tigen Zedenten auch andere Regelungen als bei dem Zedenten zu 52), denn nur dort heißt es schon in der Überschrift „Forderungskauf- und Abtretungsvertrag“, bei den sonstigen Zedenten dagegen „Dinglicher Abtre- tungsvertrag“. [243] Ein Vergleich der Gestaltung der vertraglichen Regelungen aus dem Vertrag mit dem Zedenten zu 52) mit den Regelungen aus den Verträgen mit den ande- ren Zedenten deutet darauf hin, dass überhaupt kein Kaufpreis geflossen ist. Im Vertrag mit dem Zedenten zu 52) steht die Forderungsabtretung gem. Punkt 3.1. nämlich unter dem Vorbehalt einer tatsächlichen Zah- lung des Kaufpreises: „Die Abtretung in Ziffer 3.1. die- ses Vertrages ist aufschiebend bedingt, bis die unter Zif- fer 2.2. dieses Vertrages genannte Kaufpreissumme vollständig auf das ebenfalls dort genannte Konto ein- geht.“ [244] In den Verträgen mit den sonstigen Zedenten da- gegen fehlen solche Regelungen und damit eine auf- schiebende Bedingung vollständig. Die sonstigen Ze- denten waren somit nicht davor geschützt, ihre Forde- rungen (dinglich wirksam) zu verlieren, einen Kaufpreis aber nicht zu erhalten. Diese fehlende Regelung und damit der fehlende Schutz für die Zedenten überrascht, insb. im Hinblick auf die Höhe der jeweiligen Forderun- gen und damit das entsprechende Risiko für die Zeden- ten. Der Zedent zu 52) riskierte ja „nur“ den Verlust der Schadensersatzansprüche für Lieferungen von insge- samt 4.725,26 t Zucker (gem. der Aufstellung in Anla- ge K9, welche insoweit durch die nach dem Vorbringen der Kl. auf (...), für die Schadensberechnung allein maß- gebliche Anlage K30a nicht geändert worden ist) und damit einen Kaufpreis von 10.000 Euro; einer der sons- tigen Zedenten, z.B. der Zedent zu 1) dagegen riskierte den Verlust der Schadensersatzansprüche für Lieferun- gen für 2.137.696,83 t Zucker (gem. der Aufstellung in Anlage K9), d.h. für die etwa 450-fache Menge und so- mit einen auf der Basis der Quote des Zedenten zu 52) geschätzten Kaufpreis von (10.000 Euro x 450 =) 4,5 Mio Euro oder mehr. Weshalb ein zudem mutmaß- lich geschäftlich erfahrener Zedent wie der Zedent zu 1) sich gegen ein solches Risiko nicht absichern sollte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wäre umgekehrt zu erwarten, dass der Zedent zu 1) sein Millionen-Risiko erst recht absichert, wenn dies sogar der Zedent zu 52) mit sei- nem nur 1/450 so großen Risiko tut. Verständlich wird diese fehlende Absicherung eines echten Forderungs- kaufes erst dann und sehr viel lebensnäher ist daher, dass die sonstigen Zedenten (zunächst) überhaupt kei- nen Kaufpreis erhalten sollten und auch nicht erhalten haben, weil sie eben stattdessen erst dann eine (anteili- ge) Ausschüttung erhalten sollten, wenn die Kl. die For- derungen erfolgreich würde durchgesetzt haben. Damit aber bleibt das Risiko der erfolgreichen bzw. -losen Durchsetzung doch bei den Zedenten und die Kl. trägt gerade nicht das volle wirtschaftliche Risiko der Beitrei- bung der Forderungen. [245] Es liegt auch im Übrigen nicht nahe, dass die Kl. tatsächlich allen sonstigen Zedenten für deren Forde- rungen irgendwelche in vernünftiger Relation zur be- haupteten Höhe und Erfolgsaussicht der Forderungen stehenden Kaufpreise gezahlt hätte, um damit das voll- ständige Erfolgs- wie Misserfolgsrisiko der Geltendma- chung abschließend zu übernehmen. Denn es ist nicht ersichtlich, aus welchen Mitteln die Kl. dies hätte bewir- ken können, zumal dafür in der Summe selbst bei Anset- zung eines hohen Abschlags von z.B. 90 % der jetzigen Klagforderung noch zweistellige Millionenbeträge auf- zubringen gewesen wären. [246] Umgekehrt geht die Kl. offenbar selbst davon aus, dass sie – letztlich immer noch – fremde Ansprü- che nur durchsetzen sollte, wenn sie etwa an anderer Stelle ausdrücklich damit argumentiert, es hätten „sich die Zedenten dafür entschieden, der Kl. die Durchset- zung ihrer Schadenersatzansprüche anzuvertrau- en“ (...). Bei einem Forderungskauf dagegen „vertraut“ der Zedent dem Zessionar nichts an. [247] Ähnlich hat das OLG Stuttgart entschieden, eine Erklärung, abgetretene Schadensersatzansprüche gel- tend zu machen, stelle „eine Verpflichtung zur Geltend- machung der abgetretenen Forderung dar, die für den Fall, dass sie unentgeltlich erfolgt, jedenfalls einen Auf- trag gem. § 662 BGB begründet“, was gegen die An- nahme eines Forderungskaufs spreche (OLG Stuttgart, DStRE 2018, 188, 190). [248] Gegen einen eigenen (positiven) Sachvortrag der Kl. zu einer vollständigen Übernahme des wirtschaft- lichen Risikos sprechen auch die Ausführungen der Kl. im Zusammenhang mit ihrer Verteidigung gegen die Rechtsauffassung der Bekl., die Abtretung sei auch auf Grundlage von § 134 BGB i.V.m. § 4 RDG wegen einer Wahrnehmung kollidierender Interessen der verschie- denen Zedenten nichtig. In diesem Zusammenhang führt die Kl. gerade nicht aus, dass es auf die Interessen der verschiedenen Zedenten in Ansehung vollständiger Übernahme des Bonitätsrisikos durch die Kl. nicht mehr RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 176

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