BRAK-Mitteilungen 3/2021

Endurt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17, BeckRS 2020, 841, Rn. 111 unter Verweis auf vgl. BGH, Urt. v. 14.1. 2016 – ZR 107/14 Rn. 43). [273] (3) Jedoch sind die vertraglichen Pflichten der Kl. deswegen keine Inkassodienstleistung i.S.d. §§ 10 I 1 Nr. 1, 2 II 1 RDG (mehr), weil sie – wenn schon nicht völ- lig ausschließlich, so bei realistischer Betrachtung aber doch ganz vorrangig – auf eine gerichtliche Durchset- zung der Ansprüche gerichtet sind (zustimmend: Prüt- ting, ZIP 2020, 1434 (1437); Nuys/Gleitsmann , BB 2020, 2441, 2445; vgl. LG München I, Endurt. v. 7.2. 2020 – 37 O 18934/17, BeckRS 2020, 841 Rn. 119 ff.: Wenn dort zwar mit einer „ausschließlichen“ Ausrich- tung auf die gerichtliche Geltendmachung argumen- tiert wird, lassen doch die Ausführungen zum Sachver- halt erkennen, dass es nach den dortigen Vertragsinhal- ten offenbar um eine weniger ausschließliche, als viel- mehr schwerpunktmäßig gerichtliche Durchsetzung ging). [274] (a) Der hier gewählte rechtsmethodische Ansatz, ein Leitbild der „Inkassodienstleistung“ festzulegen, und davon ausgehend im Einzelfall zu bestimmen, ob (noch) eine Inkassodienstleistung vorliegt, dürfte dem Ansatz des BGH in der Entscheidung „weniger-miete.de“ ent- sprechen und erscheint auch in der Sache überzeugend (zustimmend: Prütting , a.a.O., 1437; Nuys/Gleitsmann , a.a.O.; abw. insofern möglicherweise LG München I, Endurt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17, BeckRS 2020, 841 Rn. 109), zumal es kaum möglich sein dürfte, trennscharfe Begriffskategorien zu entwerfen, die unab- hängig von dem Maß der Leitbildabweichung die Sub- sumtion ermöglichen. Dementsprechend ist dem BGH in seinem methodischen Grundansatz zu folgen, wenn er als Kriterium der weiteren Prüfung darauf abstellt, dass die dort in Rede stehende Tätigkeit der Kl. „zum Teil Unterschiede zu einem Forderungseinzug im her- kömmlichen, stärker von Mahn- und Beitreibungsmaß- nahmen geprägten [...] Sinne auf[weist]“, um dann wei- ter zu fragen, ob sie trotzdem „(noch) als (zulässige) In- kassodienstleistung gem. § 2 II 1 RDG anzusehen und deshalb von der nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG bestehenden Befugnis der Kl., als registrierte Person Rechtsdienstleis- tungen im Bereich der Inkassodienstleistungen zu er- bringen, (noch) gedeckt“ ist (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BeckRS 2019, 30591, Rn. 97). Auch die vom BGH ausdrücklich in Bezug genommenen Quellen – im Besonderen Hartmann , NZM 2010, 353 – gehen z.T. deutlich von einer bestimmten phänotypischen Leit- bildfunktion des Inkassobegriffs aus. Auch die Verwen- dung des Begriffs „noch“ macht deutlich, dass der BGH von einer auf den Einzelfall bezogenen Abwägung aus- geht, die einer Quantifizierung im Maße der Abwei- chung einzelner Faktoren oder einer Mehrzahl von Fak- toren in der Gesamtheit von einem bestimmten Leitbild zugänglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BeckRS 2019, 30591, Rn. 110: „Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Ausle- gung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getrof- fenen Vereinbarungen“). I.E. ist daher anzunehmen, dass entsprechend einem „Zusammenspiel beweglicher Elemente“ (vgl. MüKoBGB/ Armbrüster , 8. Aufl. 2018, BGB § 138 Rn. 29) die Nichterfüllung einzelner oder mehrerer Leitbildfaktoren deren Zusammenschau dazu führen kann, je nach dem Maß der Abweichungen vom Inkassoleitbild (noch) eine Inkassodienstleistung anzu- nehmen oder dies gerade nicht (mehr) zu tun. [275] (b) Demnach ist zunächst das Leitbild der Inkas- sodienstleistung zu betrachten, hier namentlich an der Grenze „außergerichtlich/gerichtlich“. Dabei muss die Kernfunktion der Inkassodienstleistung ins Zentrum ge- rückt werden, nämlich Unternehmen eine einfache und kostengünstige Möglichkeit zu verschaffen, ausstehen- de Forderungen durch hierauf spezialisierte Dienstleis- ter einzutreiben ( Henssler , NJW 2019, 545, 546; Prüt- ting , a.a.O. 1437; Nuys/Gleitsmann , a.a.O., 2445). Geht es hingegen um Forderungen, gegen welche der Schuldner ernstliche (d.h. substantielle) Einwendungen aus Rechtsgründen erhebt, so dass sicher oder jeden- falls mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit mit einer ge- richtlichen Auseinandersetzung zu rechnen ist, bietet sich die Beauftragung eines Inkassodienstleisters gera- de nicht an (vgl. Henssler , NJW 2019, 545, 546). [276] (c) Sodann ist das Maß der Abweichung zu be- stimmen, hier für den Typizitätsfaktor der außergericht- lichen Anspruchsdurchsetzung. [277] (aa) Für die Bestimmung, ob die Pflichten des Dienstleisters insofern auf eine außergerichtliche oder eine gerichtliche Anspruchsdurchsetzung gerichtet sind, bedarf es im Grundsatz einer Gesamtschau der vertraglichen Regeln, des Auftretens des Dienstleisters gegenüber dem Rechtsuchenden und der tatsächlichen Durchführung, wobei eine objektive Betrachtung der Zielsetzung des Geschäftes den Ausschlag gibt (LG München I, NZKart 2020, 145, 147). [278] (bb) Nach diesen Grundsätzen liegt keine bloße Inkassodienstleistung der Kl. für die Zedenten (mehr) vor. Denn i.E. ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Kl. für die Zedenten von vornherein jedenfalls im Kern auf die gerichtliche Durchsetzung gerichtet war. Zwar hat die Kl. zu dem Inhalt der schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte, welche den Forderungsabtre- tungen zugrunde lag, nichts vorgetragen. [279] Indes ist – neben der möglichen Auswertung der Vertragsinhalte – auch auf objektive Kriterien und legiti- me Erwartungen der Parteien abzustellen. Entspre- chend hat das LG München I – dort ergänzend zu den im dortigen Fall näher bekannten Vertragsinhalten – darauf abgestellt, „dass der Kl. bereits bei Abschluss der Vereinbarungen mit ihren Kunden klar gewesen sein musste, dass bei realistischer Einschätzung eine außergerichtliche Durchsetzung der Forderungen von vorneherein nicht erfolgversprechend und damit nicht ,zweckdienlich‘ war. Angesichts der Vielzahl schwieri- ger, ungeklärter Rechtsfragen sowohl im Zusammen- hang mit den Abtretungen als auch im Bereich des Kar- tellschadensersatzrechts, die die Kl. in ihren Aufklä- rungshinweisen (Anlage 2 zur Vereinbarung zwischen RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 179

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