BRAK-Mitteilungen 3/2021

Kartellschadensersatzforderungen unstreitig als Ge- schäft. [312] hh) Auch unter Berücksichtigung der seit dem Ur- teil der Kammer v. 4.5.2020 – 18 O 50/16, noch ergan- genen Urteile des BGH (insb. „LexFox II“ bis „LexFox VI- II“, „Schienenkartell IV“) und des Referentenentwurfs eines „Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ ergibt sich keine andere rechtliche Würdigung des vorliegenden Einzelfalles. [313] (1) Unmittelbar einschlägig ist keine der genann- ten BGH-Entscheidungen (vgl. Nuys/Gleitsmann , a.a.O., 2444), denn in keiner der Entscheidungen be- stand eine Konstellation wie im vorliegenden Rechts- streit, d.h. der BGH hatte sich bisher nicht mit der Wirk- samkeit von Abtretungen von Kartellschadensersatzfor- derungen von Zedenten unterschiedlicher Marktstufen unter Anwendbarkeit des RDG zu befassen. Im Verfah- ren Schienenkartell IV (BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/ 18) klagte kein Inkassodienstleister, sondern ein Ge- schädigter, der sich nur hilfsweise auf abgetretene An- sprüche Dritter stützte. [314] Die sonstigen allgemeinen Ausführungen des BGH in den genannten Entscheidungen stehen dem hier vertretenen Ergebnis nicht entgegen. [315] (a) So hat die Kl. u.a. darauf Bezug genom- men (...), der BGH führe aus: „Setzen die Inkassounter- nehmen die von ihnen verlangte, überprüfte und für ge- nügend befundene Sachkunde bei der Einziehung frem- der oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forde- rungen ein, ist nicht erkennbar, dass damit eine Gefahr für den Rechtsuchenden oder den Rechtsverkehr ver- bunden sein könnte (BVerfG, a.a.O.; Senatsurt. v. 27.11. 2019 – VIII ZR 285/18, a.a.O. Rn. 121; v. 8.4.2020 – VI- II ZR 130/19, a.a.O.).“ (BGH, Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352-388, Rn. 45). [316] Im Bereich des Kartellschadensersatzrechts wird aber bei Inkassounternehmen gerade keine Sachkunde überprüft. [317] (b) In den LexFox II und III-Entscheidungen argu- mentiert der BGH jeweils damit, das Wohnraummiet- recht sei als Teil des Rechts der Schuldverhältnisse von der Sachkundeprüfung für Inkassounternehmen erfasst: „Maßstab für die in § 11 I RDG erfolgte Auswahl der Rechtsgebiete waren für den Gesetzgeber die schon bis- lang – unter der Geltung des Rechtsberatungsgesetzes – in den Sachkundeprüfungen von Inkassounterneh- mern verlangten Leistungen, die auch nach der Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, NJW 2002, 1190, 1191) Voraussetzung für die Tätigkeit im Bereich des Forderungsinkassos sind (BT-Drs. 16/ 3655, 66). Hierzu gehörte auch damals im Rahmen des Bürgerlichen Rechts – ohne Einschränkung – das Recht der Schuldverhältnisse (vgl. BVerfG, a.a.O.), mithin ein- schließlich des Wohnraummietrechts (Senatsurt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, a.a.O. Rn. 224).“ (BGH, Urt. v. 8.4.2020 – VIII ZR 130/19 Rn. 59 und BGH, Urt. v. 6.5.2020 – VIII ZR 120/19, Rn. 60). [318] Das Kartellschadensersatzrecht ist dagegen kein Teil der Sachkundeprüfungen. Dem kann auch nicht ent- gegengehalten werden (...), kartellrechtliche Schadens- ersatzansprüche seien über § 823 II BGB Teil des allge- meinen Deliktsrechts und insoweit von der Sachkunde- prüfung umfasst. § 33 GWB ist lex specialis zu § 823 II BGB (vgl. Emmerich , in Immenga/Mestmäcker, Wettbe- werbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 33 Rn. 113), außerdem würde ein derart extensives Verständnis der Wirkung von § 823 II BGB jegliche Begrenzung des Umfangs der Sachkundeprüfung für Inkassounternehmen sprengen. Praktisch würde dies umgekehrt sonst bedeuten, dass in der Sachkundeprüfung auch Kenntnisse z.B. im Kar- tellschadensersatzrecht verlangt und ggf. geprüft wer- den könnten; dies aber wird – soweit ersichtlich – von niemandem vertreten. [319] (c) Ein aus Sicht der Kl. aus den BGH-Entscheidun- gen abzuleitendes sehr extensives Verständnis des Be- griffs der Inkassodienstleistung, wonach erlaubte Inkas- sodienstleistungen auch bei einer Ausrichtung auf eine gerichtliche Anspruchsdurchsetzung vorliegen würden, ist unbehelflich. Die allgemeine Tendenz einer „eher großzügigen Auslegung des Inkassobegriffs“ wurde oben bereits berücksichtigt (wie ebenso schon im Urt. der Kammer v. 4.5.2020 – 18 O 50/16 Rn. 148, juris). Weiteres darüber hinaus ergibt sich aus den BGH-Ent- scheidungen nicht. [320] Soweit die Kl. aus den BGH-Entscheidungen eine ganz allgemeine Zielsetzung des RDG, „sich von tradi- tionellen Betrachtungsweisen zu lösen und Neuentwick- lung zuzulassen“, ableiten will (...), verkürzt dies die Ar- gumentation des BGH, der genaugenommen zwei gleichzeitig zur verwirklichende Absichten beschreibt ...: „Das Rechtsdienstleistungsgesetz soll zwar dazu die- nen, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistun- gen zu schützen (§ 1 II RDG). Gleichzeitig war der Ge- setzgeber – unter Heranziehung der noch zum Rechts- beratungsgesetz ergangenen liberalisierenden Ent- scheidungen des BVerfG – aber bestrebt, eine grundle- gende, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichtete Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen zu gewährleisten und dieses für künftige Entwicklungen sowohl im gesellschaftlichen Bereich als auch auf dem Gebiet der Dienstleistungsberufe zu öffnen (grundle- gend hierzu Senatsurt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, a.a.O. Rn. 99, 114 ff., 132 ff. sowie BT-Drs. 16/3655, 26-42) (BGH, Urt. v. 8.4.2020 – VIII ZR 130/19 Rn. 34). [321] Auch leitet der BGH aus diesem „gleichzeitig“ zu berücksichtigenden Gesichtspunkt nicht etwa ab, dass Inkassounternehmen in Zukunft jegliche Art von Tätig- keiten übernehmen dürften. Letztlich sind beide Zielset- zungen des RDG zu verwirklichen und dementspre- chend wie hier geschehen gegeneinander abzuwägen. [322] Ebenso kann für eine Zulässigkeit nicht ausrei- chen, dass allgemein ein „irgendwie gearteter Zusam- menhang mit einem Forderungseinzug besteht“ (..., un- RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 183

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