BRAK-Mitteilungen 3/2021

[333] jj) Insgesamt besteht damit für die Geltendma- chung von abgetretenen Kartellschadensersatzforde- rungen in der von der Kl. hier gewählten Vorgehenswei- se keine Erlaubnis, so dass ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliegt. Ohne eine wirksame Erlaubnis bleibt eine selbstständige Erbringung außergerichtlicher Dienst- leistungen unzulässig. [334] kk) Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 3 RDG ist Nichtigkeit der Abtretungen die Nichtigkeit der Abtre- tungen der streitgegen- ständlichen Forderungen an die Kl. [335] (1) Zwar ist die Abtretung als Verfügungsgeschäft grundsätzlich sittlich neutral (OLG München, Urt. v. 4.12.2017 – 19 U 1807/17, juris Rn. 26). Der Schutz- zweck des RDG verlangt allerdings, dass die Nichtigkeit auch die zur Rechtsdurchsetzung erfolgte Forderungs- abtretung erfasst (BGH, Urt. v. 30.10.2012 – XI ZR 324/11 Rn. 35 f.; Urt. v. 11.12.2013 – IV ZR 136/13 Rn. 31; Urt. v. 11.1.2017 – IV ZR 340/13 Rn. 18), da der RDG-Verstoß andernfalls weitgehend folgenlos bliebe (LG München I, Endurt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17, BeckRS 2020, 841 Rn. 156). [336] (2) Die Nichtigkeitsfolge ergibt sich auch dann, wenn man mit dem BGH annimmt, dass nicht schon je- de geringfügige Überschreitung der Inkassodienstleis- tungsbefugnis gem. § 10 I 1 Nr. 1 RDG ausnahmslos dann auch zur Nichtigkeit der auf die Verletzung des RDG gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB füh- ren muss (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/ 18, BeckRS 2019, 30591 Rn. 90), denn jedenfalls ist die Nichtigkeitsfolge im vorliegenden Fall verhältnismäßig. [337] (a) Mit dem BGH ist von folgender Konkretisie- rung des Verhältnismäßigkeitsbegriffs für die Fälle eines Verstoßes gegen die Dienstleistungsbefugnisse eines als Inkassounternehmen registrierten Diensterbringers auszugehen: „So wird die Annahme einer Nichtigkeit nach § 134 BGB im Falle einer Überschreitung der In- kassodienstleistungsbefugnis [...] in der Regel voraus- setzen, dass die Überschreitung bei einer – in erster Li- nie dem Tatrichter obliegenden – umfassenden Würdi- gung der Gesamtumstände aus der objektivierten Sicht eines verständigen Auftraggebers eindeutig vorliegt und unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Rechts- dienstleistungsgesetzes, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizier- ten Rechtsdienstleistungen zu schützen [...], in ihrem Ausmaß als nicht nur geringfügig – etwa auf Randbe- reiche beschränkt – anzusehen ist. Der genannten Ein- deutigkeit der Überschreitung der Inkassodienstleis- tungsbefugnis bedarf es dabei auch deshalb, um nicht dem Kunden, insb. bei schwieriger Rechtslage, das Risi- ko dieser Einschätzung aufzubürden.“ (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BeckRS 2019, 30591, Rn. 91). [338] (aa) Vorliegend besteht „Eindeutigkeit“ in diesem Sinne. Insbesondere der Umstand, dass der Rechtsbe- reich des Kartellrechts nicht von der geprüften Sachkun- de (§ 11 I RDG) eines Inkassodienstleisters erfasst wird, lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit erschließen. [339] Dem Rechtsuchenden muss zudem auch ohne be- sondere Fachkenntnisse klar sein, dass die Beitreibung von kartellrechtlichen Schadensersatzforderungen, die hier in der Summe dreistellige Millionenbeträge errei- chen, auf der Grundlage schwieriger, höchst umstritte- ner Rechtsfragen nicht zu einer typischen Inkassotätig- keit rechnet. [340] (bb) Ferner ist der Verstoß unter Berücksichtigung der Zielsetzung des RDG, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizier- ten Rechtsdienstleistungen zu schützen, in seinem Aus- maß als nicht nur „geringfügig“ anzusehen. [341] Wie ausgeführt, steht die vorliegende Tätigkeit in allen maßgeblichen Bereichen konträr zum Leitbild der Inkassodienstleistung. [342] Insbesondere stützt sich das obenstehende Er- gebnis also auf die schwerpunktmäßige Ausrichtung gerade auf die gerichtliche Anspruchsdurchsetzung, die besondere Quantität und Qualität zu prüfender kom- plexer Rechtsfragen sowie im Besonderen den fehlen- den Sachkundenachweis von Inkassodienstleistern für den Rechtsbereich des Kartellschadensersatzrechts. [343] (3) Einer Nichtigkeit stehen auch nicht die von der Kl. (...) in Bezug genommenen Ausführungen des BVerfG entgegen, in denen es heißt: „Unverhältnismä- ßig ist die in den angegriffenen Entscheidungen vorge- nommene Einschränkung auch deshalb, weil die Inkas- soerlaubnis Außenwirkung hat. Ist sie zu Recht erteilt, kann sich der Rechtsverkehr darauf verlassen, dass sol- che Unternehmen Forderungen in eigenem oder in fremdem Namen einziehen können. Schuldner können auf die Abtretungsurkunde vertrauen, sind also sicher, dass sie an den richtigen Gläubiger zahlen (vgl. § 409 BGB). Gläubiger können sich darauf verlassen, dass sie die Dienste konzessionierter Unternehmen in Anspruch nehmen und die Durchsetzung ihrer Forderung von nun an Sache ihres Vertragspartners ist. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn nicht ein endgültiger Preis für die Forderung gezahlt wird, sondern eine Beteili- gung am noch ausstehenden Erfolg der Beitreibung als Entgelt vereinbart wird. Diese Funktion der Inkassoer- laubnis, nach außen hin Klarheit im Rechtsverkehr zu schaffen, wäre gefährdet, wenn eine Rechtsberatung vor oder gar nach Erteilung des Auftrags die Nichtigkeit der Abtretung zur Folge haben könnte. Abreden, die den Zedenten unangemessen benachteiligten, können von den Zivilgerichten auf andere Weise kontrolliert werden.“ (BVerfG, stattgebender Kammerbeschl. v. 20.2.2002 – 1 BvR 423/99 Rn. 41). [344] Dies gilt schon deshalb, weil die Entscheidung des BVerfG nicht zum vorliegend streitgegenständ- lichen RDG, sondern zum damaligen RBerG ergangen ist. Außerdem sieht das RDG gerade nicht vor, dass jeg- liche – wie auch immer zustande gekommene – Inkas- soerlaubnis einer Nichtigkeit der Abtretung grundsätz- lich entgegenstehe. Vielmehr kommt es auf die der vor- BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 185

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