BRAK-Mitteilungen 3/2021

stehend erläuterten BGH-Rechtsprechung entsprechen- de Abwägung an. [345] b) Weiterhin sind die Abtretungen auch unwirk- sam wegen § 134 BGB i.V.m. § 4 RDG. [346] aa) Bezüglich der grundsätzlichen Eröffnung des Anwendungsbereiches des RDG und des Erbringens von Rechtsdienstleistungen durch die Kl. etc. wird auf die obenstehenden Ausführungen (vgl. oben a) aa) und bb)) Bezug genommen. [347] bb) Der Verstoß gegen § 4 RDG ergibt sich aus Interessen- widerspruch einem Interessenwider- spruch auf Seiten der Kl., d.h. einer Unvereinbarkeit der Erbringung der Rechts- dienstleitung mit einer anderen Leistungspflicht. [348] (1) Unbedenklich mag noch sein, dass die Kl. durch die Abtretungen gebündelt Ansprüche geltend macht, die möglicherweise unterschiedliche Erfolgs- wahrscheinlichkeiten haben. Denn hieraus folgen noch keine grundsätzlich einander widersprechenden Inte- ressen, soweit sich die Argumentation zur Begründet- heit der einen Forderung nicht ungünstig auf die Argu- mentation zur Begründetheit der anderen Forderung auswirkt. [349] (2) Entscheidend für einen Interessenwiderspruch dagegen ist, dass die Kl. unstreitig Ansprüche von Ze- denten unterschiedlicher Marktstufen geltend macht. Eine zusätzliche Zuspitzung erfährt dieser Interessenwi- derspruch noch dadurch, dass teilweise sogar diesel- ben (weitergelieferten) Zuckermengen betroffen sind. So sind teilweise bestimmte Zuckerlieferungen auf der ersten Marktstufe (zunächst von den Bekl. oder ande- ren Zuckerlieferanten) an einen bestimmten Zedenten ausgeliefert und dann von diesem Abnehmer/Zedenten auf der zweiten Marktstufe an einen anderen Zedenten weitergeliefert worden; die Kl. hat nun Ansprüche von diesen beiden Zedenten abgetreten erhalten und macht damit teilweise für dieselbe Zuckerlieferung gleichzeitig behauptete Schadensersatzforderungen bezüglich der Lieferung auf der ersten Marktstufe und bezüglich der (Weiter-)Lieferung auf der zweiten Marktstufe geltend. [350] (a) Werden so gleichzeitig Schadensersatzan- sprüche von direkten Abnehmern und indirekten Abneh- mern geltend gemacht, liegt darin ein grundsätzlicher und unauflösbarer Interessenwiderspruch. [351] (aa) Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die Frage einer möglichen Schadensweiterwälzung, d.h. des sog. Passing-on. Denn bezüglich des Passing-on müssen ja direkte Abnehmer behaupten, sie hätten von ihnen ge- zahlte kartellbedingt überhöhte Preise nicht weiterge- wälzt, wie es hier die Kl. für die direkten Abnehmer auch tut; indirekte Abnehmer dagegen müssen zur Be- gründung eines ihnen entstandenen Schadens genau umgekehrt behaupten, dass die direkten Abnehmer kar- tellbedingt überhöhte Preise doch weitergewälzt hät- ten. Was Ansprüche der direkten Abnehmer zu Fall bringt, ist damit umgekehrt unabdingbare Vorausset- zung für Ansprüche der indirekten Abnehmer. Die Kl. muss im vorliegenden Prozess also gleichzeitig die Nichtweiterwälzung und die Weiterwälzung behaupten, was sich aber logisch ausschließt. Um jeweils einen Teil ihrer Ansprüche schlüssig behaupten zu können, müss- te sich die Kl. damit für eine der beiden Varianten Wei- terwälzung/Nichtweiterwälzung entscheiden und die gewählte Variante entsprechend rechtlich weiterverfol- gen, d.h. sie befindet sich in einem Interessenwider- spruch. Dies wird z.B. auch aus den Passing-on-Leitlini- en der EU-Kommission (Abl. EU 2019 C 276/7) deut- lich, welche für die Schadensersatzklage eines indirek- ten Abnehmers gerade gleiche Interessen des Rechts- verletzers und des unmittelbaren Abnehmers erkennen: [352] „So kann beispielsweise ein unmittelbarer Abneh- mer der Schadensersatzklage eines mittelbaren Abneh- mers gegen den Rechtsverletzer beitreten. In einem sol- chen Fall können sowohl der unmittelbare Abnehmer (der Streithelfer) als auch der Rechtsverletzer (der Bekl.) anführen, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht voll- ständig an den mittelbaren Abnehmer (Kl.) abgewälzt wurde.“ (Abl. EU 2019 C 276/7 Rn. 28). [353] Dieser Interessenkollision lässt sich auch nicht entgegenhalten (...), die vertikale Anspruchsbündelung werde in der juristischen Literatur gerade empfohlen oder gar vom BGH als besonderer Vorteil erkannt (...). Im Gegenteil wird in der Literatur vielmehr erkannt, dass die Interessenkonflikte zwischen einzelnen „Sam- melklägern“ so gewichtig sind, dass es für die Zulässig- keit einer gebündelten Geltendmachung einer „Grund- satzentscheidung des Gesetzgebers“ bedürfte (so Grot- haus/Haas , ZIP 2020, 1797 (1802)). Auch befasst sich die von der Kl. in Bezug genommene vereinzelte Litera- turstelle nicht mit der spezifischen Fragestellung nach dem RDG bei einer gleichzeitigen Vertretung von ver- schiedenen Marktstufen. Im Übrigen ist dort ausdrück- lich die Rede von „Forderungsverkauf oder eine ander- weitige Bündelung von Schadensersatzansprüchen“. Bei einem echten Forderungskauf aber stellen sich die hier dargelegten Probleme des Interessenwiderspru- ches so nicht. Entsprechendes gilt für die von der Kl. zi- tierten Aussage des BGH, wonach bei der Bündelung von verschiedenen Schadensersatzansprüchen inner- halb einer Schadenskette der Einwand der Vorteilsaus- gleichung grundsätzlich ausscheide (vgl. 4. Leitsatz des Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/18). Zunächst gilt die Ein- schätzung des BGH nicht uneingeschränkt, sondern steht unter dem Vorbehalt eines eventuellen weiteren Passing-on ...: [354] „Eine Vorteilsausgleichung scheidet allerdings aus, wenn der Dritte, auf den der Kl. seinen Schaden ab- gewälzt haben soll, dem Kl. etwaige gegen den Bekl. Kartellbeteiligten bestehende diesbezügliche Ansprü- che abgetreten hat, (...) und eine Abwälzung des Scha- dens auf weitere, dem Dritten nachgelagerte Abneh- mer oder Leistungsstufen nicht in Betracht kommt.“ (so BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/18 Rn. 48). [355] Entscheidender ist aber, dass sich auch der BGH in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht mit der BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 186

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