BRAK-Mitteilungen 3/2021

RDG-Problematik zu befassen hatte, sondern von einer wirksamen Abtretung und damit Bündelung von Scha- densersatzansprüchen verschiedener Marktstufen aus- gehen konnte. Konsequenterweise betreffen die weite- ren von der Kl. in Bezug genommenen Zitate aus der Entscheidung des BGH auch nur die Frage, inwieweit ein Gericht sich dann noch mit einem Passing-on-Ein- wand zu befassen hat. [356] (bb) Der Interessenwiderspruch führt auch not- wendig dazu, dass die Kl. nicht ihre (Haupt-)Leistungs- pflichten sowohl gegenüber den direkten Abnehmern wie gegenüber den indirekten Abnehmern erfüllen kann. Die Durchsetzung der Forderungen der direkten Abnehmer als Hauptleistungspflicht kann nicht er- bracht werden, ohne mit der Durchsetzung der Forde- rungen der indirekten Abnehmer, d.h. der anderen Hauptleistungspflicht, zu kollidieren. [357] Vorliegend handelt es sich dabei auch nicht um einen bloß theoretischen Interessenkonflikt. Vielmehr tritt dieser für die Kl. konkret auf, weil ja von der Kl. – wie oben ausgeführt – teilweise Forderungen geltend gemacht werden, die aus der Lieferung bestimmter Wa- ren/Zuckermengen auf der ersten Marktstufe beruhen sollen, und gleichzeitig Forderungen, die aus der Wei- terlieferung derselben Waren/Zuckermengen auf der zweiten Marktstufe beruhen sollen. [358] (cc) Der Interessenwiderspruch kann auch nicht Weiterwälzung des Schadens dadurch aufgelöst werden, dass die Kl. im Prozess of- fenlässt, ob überhaupt oder jedenfalls in welchem Umfang eine Weiterwälzung tatsächlich stattgefunden hat, und ihre Klagforderung sozusagen im Sinne einer Wahlfeststellung entweder auf behauptete Schäden di- rekter oder indirekter Abnehmer stützt. Dies geht schon deshalb fehl, weil dafür Voraussetzung wäre, dass sämtliche Abnehmer der Zedenten der ersten Marktstu- fe, d.h. sämtliche Abnehmer der zweiten Marktstufe, ih- re Ansprüche an die Kl. abgetreten hätten, was weder ersichtlich ist, noch von der Kl. behauptet wird. Im Übri- gen verhält sich die oben bereits zitierte Entscheidung des BGH (Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/18 Rn. 48) – allein dazu, was bei (dort gegebenen) wirksamen Abtretun- gen von verschiedenen Schadensersatzansprüchen in- nerhalb einer Schadenskette gilt, nicht aber dazu, ob sich damit erst eine Wirksamkeit der Abtretungen be- gründen lässt. Eine der Besonderheiten des vorliegen- den Rechtsstreits ist eben, dass die Kl. nicht nachgewie- sen hat, wie ein sonstiger Zessionar eine andere Forde- rung selbst mit dem vollen Risiko und im (nur) eigenen wirtschaftlichen Interesse übernommen und eingeklagt zu haben; die Kl. versucht vielmehr, die Vorteile zweiter unvereinbarer Konstellationen zu kombinieren, nämlich die Vorteile eines echten Forderungskaufes (Aus- schluss/Begrenzung der Passing-on-Verteidigung; keine RDG-Problematik) mit den Vorteilen einer bloßen Gel- tendmachung von letztlich (teilweise) fremden Forde- rungen (wohl: keine oder nur aufgeschobene oder be- dingte Kaufpreiszahlung). [359] (dd) Auch weitere Einwendungen lassen sich einem Verstoß gegen § 4 RDG und damit einer Unwirk- samkeit der Abtretungen gem. § 134 BGB nicht entge- genhalten. [360] ((1)) Selbst wenn der Interessenwiderspruch tat- sächlich – wie die Kl. behauptet (...) – nur für „weniger als 3,5 %“ des von den Vorzedenten insgesamt bezoge- nen Einkaufsvolumens gelten würde, änderte dies nichts an den grundsätzlich widersprüchlichen Interes- sen. § 4 RDG sieht auch keine „Teilunvereinbarkeit“ vor. Weiterhin bleibt unklar, welche Folge sich aus einer Be- schränkung auf „weniger als 3,5 %“ ergeben sollte. Im- merhin käme dann ja gleichermaßen in Betracht, dass es die direkten Abnehmer hinnehmen müssten, für ca. 3,5 % ihres Einkaufsvolumens keinen Schadensersatz zu erhalten, oder dass es umgekehrt bestimmte indirekten Abnehmer – nämlich die von den ca. 3,5 % betroffenen – hinnehmen müssten, für ihren Schaden überhaupt kei- nen Schadensersatz zu erhalten. Eine Berechtigung der Kl. als Zessionarin, diese Entscheidung über die Wir- kung ihres Verstoßes gegen § 4 RDG zu treffen, lässt sich nicht begründen. Außerdem setzt ein Schadenser- satzanspruch voraus, dass tatsächlich überhaupt ein Schaden entstanden ist und damit u.a., ob kartellbedingt überhöhte Preise nun weitergegeben worden sind oder nicht; insoweit kommt es auch nicht allein einem Zessio- nar zu, darüber zu entscheiden, ob er etwa die vorge- nannten ca. 3,5 % nun als Schaden von direkten Abneh- mern oder von indirekten Abnehmern geltend macht. [361] ((2)) Auch wenn den Zedenten tatsächlich – wie die Kl. behauptet (...) – schon bei Vornahme der Abtre- tungen bewusst gewesen sein sollte, dass Zedenten ver- schiedener Marktstufen in die Anspruchsdurchsetzung einbezogen werden, entfällt deshalb nicht der oben nä- her ausgeführte Intessenwiderspruch. [362] Ob überhaupt alle Zedenten dieses Bewusstsein gehabt haben sollen, mag dabei dahinstehen. [363] Jedenfalls ist der Schutz des § 134 BGB – auch im Interesse der Rechtssicherheit – nicht vollständig dis- ponibel. Im Übrigen würde sonst auch einer der Zwecke des RDG verfehlt, nämlich, unerwünschte und mindes- tens potentiell für Rechtsuchende nachteilige Ge- schäftsmodelle im Rahmen einer Rechtsberatung zu verhindern. [364] Vorliegend hängt es auch nicht allein von einer Einschätzung der Zedenten ab, ob eine Interessenbeein- trächtigung konkret droht. Wie oben ausgeführt, ist die Interessenbeeinträchtigung nicht im Wege einer Ein- schätzung zu ermitteln, sondern es liegt ein unauflösba- rer, logisch zwingender Interessenwiderspruch vor; inso- weit unterscheidet sich die hier vorliegende Konstella- tion eines Interessenwiderspruchs auch von den von der Kl. in Bezug genommenen Fällen (...), wonach ein Mandant eine bestimmte „Einschätzung“ trifft oder ein bestimmtes Ziel „verfolgt haben will“. Es bleibt zudem lebensfern, dass jedenfalls die Konsequenz der Einbe- ziehung verschiedener Marktstufen in die Anspruchs- durchsetzung – nämlich der (teilweise) Wegfall der be- RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 187

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