BRAK-Mitteilungen 3/2021
[372] (ee) Der vorstehende begründete Interessenwi- derspruch i.S.d. § 4 RDG wird ebenfalls besonders au- genscheinlich, soweit gleichzeitig behauptete Schadens- ersatzansprüche wegen Zuckerlieferungen an unmittel- bare Abnehmer und Schadensersatzansprüche der indi- rekten Abnehmer derselben weiterverarbeiteten Zucker- lieferungen zusammen durch eine Zessionarin wie hier die Kl. geltend gemacht werden. [373] cc) Aus dem Verstoß gegen § 4 RDG folgt eine Nichtigkeit der Abtretungen Nichtigkeit der jeweiligen Abtretungen. [374] Zwar ist – wie oben bereits im Zusammenhang mit der Verstoß gegen § 3 RDG ausgeführt worden ist (vgl. a) kk)) – die Abtretung als Verfügungsgeschäft grundsätzlich sittlich neutral (OLG München, Urt. v. 4.12.2017 – 19 U 1807/17, juris Rn. 26). Der Schutz- zweck des RDG verlangt allerdings, dass die Nichtig- keit auch die zur Rechtsdurchsetzung erfolgte Forde- rungsabtretung erfasst (BGH, Urt. v. 30.10.2012 – XI ZR 324/11 Rn. 35 f.; BGH, Urt. v. 11.12.2013, IV ZR 136/13 Rn. 31; BGH, Urt. v. 11.1.2017 – IV ZR 340/13 Rn. 18), da der RDG-Verstoß andernfalls weitgehend folgenlos bliebe (LG München I, Endurt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17, BeckRS 2020, 841, Rn. 156). Dies muss für den Fall einer Interessenkollision erst recht gelten, denn sonst bliebe der benachteiligte Zedent schutzlos. Die Interessenkollision ist auch – wie gezeigt – eindeutig und nicht nur geringfügig (zur Frage der Geringfügigkeit im Rahmen eines Verstoßes gegen § 3 RDG: vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 Rn. 90). [375] Im Übrigen wird auf die obenstehenden Ausfüh- rungen zur Nichtigkeitsfolge bei einem Verstoß gegen § 3 RDG (s.o. a) kk)) Bezug genommen. [376] c) Die Klage ist auch nicht dadurch zulässig und begründet geworden, dass sich die Kl. (hilfsweise) auf gewillkürte Prozessstandschaft, d.h. auf Einziehungser- mächtigungen der Zedenten an die Kl., ihre Schadenser- satzansprüche im eigenen Namen gerichtlich durchzu- setzen und einzuziehen (jeweils Nr. 7.4. der „Dinglichen Abtretungsverträge“, Anlage K11a), beruft (...). [377] aa) In welcher Weise das für eine zulässige ge- willkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdi- ge Eigeninteresse (vgl. etwa Zöller/Althammer , a.a.O. Rn. 40) bei der Kl. vorliegen würde, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen. [378] bb) Außerdem muss jedenfalls in der vorliegen- den Konstellation die Nichtigkeit der Abtretung auch auf die Einziehungsermächtigungen durchschlagen, um den durch das RDG bezweckten Schutz für die Zeden- ten zu erreichen. Denn – wie oben dargestellt – würde die gleichzeitige Geltendmachung von Ansprüchen di- rekter wie indirekter Abnehmer notwendig dazu führen, dass die Kl. durch ihr Vorbringen (Weiterwälzung oder keine Weiterwälzung) entweder die direkten oder die in- direkten Abnehmer benachteiligt. Vor diesem Nachteil will das RDG gerade schützen. Auch muss diesen Nach- teil kein Zedent tragen, zumal – wie oben schon näher dargelegt – jedenfalls der konkrete Nachteil den Zeden- ten bei Abschluss der Abtretungsverträge nicht ersicht- lich war, weil sie gerade nicht wussten, wie die Kl. im Einzelnen zum Passing-on vortragen wollte und damit entweder die direkten oder indirekten Abnehmer be- nachteiligen würde. Daher reicht es auch nicht aus, wenn den Zedenten (nur) allgemein bewusst gewesen sein sollte, dass durch die Kl. Zedenten verschiedener Marktstufen in die Anspruchsdurchsetzung einbezogen werden würden. (...) ANMERKUNG: Das Urteil fügt sich ein in eine Reihe vergleichbarer Vorentscheidungen (LG Hannover, Urt. v. 4.5.2020 – 18 O 50/16, NZKart 2020, 398; LG München, Urt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17, NZKart 2020, 145; LG Augsburg, Urt. v. 27.10.2020 – 11 O 3715/18, BeckRS 2020, 30625; LG Ingolstadt, Urt. v. 7.8.2020 – 41 O 1745/18, BeckRS 2020, 18773 und LG Braun- schweig, Urt. v. 30.4.2020 – 11 O 3092/19, BeckRS 2020, 7267) in denen die gebündelte Durchsetzung abgetretener Ansprüche durch Inkassokläger scheiter- te, weil deren Geschäftsmodell aus Sicht der Gerichte die Befugnisse zur Erbringung von Inkassodienstleis- tungen überschritt und sich die zugrundeliegenden Abtretungen damit als nichtig nach § 134 BGB erwie- sen. So auch hier: Das LG führt aus, dass die Forderungsabtretung, die Beauftragung von und die Abstimmung mit Prozess- bevollmächtigten außergerichtliche Tätigkeiten i.S.v. §§ 1 I 1, 3 RDG betreffen. Eine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 I RDG als „jede Tätigkeit in konkreten frem- den Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prü- fung des Einzelfalls erfordert“, liege vor, wobei das Ge- richt das Merkmal der „Fremdheit“ mit dem BGH (NJW 2018, 2254; ZIP 2012, 2445 Rn. 14) nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Forderungsdurchset- zung beurteilte. Weil die Forderungen nach den Fest- stellungen des Gerichts nicht endgültig übertragen wurden und die Klägerin nicht das volle Beitreibungs- risiko übernommen hatte, verblieb das wirtschaftliche Interesse an der Durchsetzung bei den Zedenten. Die Frage, ob die folglich vorliegende Rechtsdienst- leistung aufgrund einer Registrierung nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG als Inkassodienstleistung (§ 2 II 1 RDG) er- laubt war, verneint das LG: Unter Berücksichtigung der „wenigermiete.de“ -Rechtsprechung des BGH (BRAK-Mitt. 2020, 44 = NJW 2020, 208) setzt sich das Gericht mit dem Leitbild der Inkassodienstleistung auseinander und stellt auf deren Kernfunktion ab, Un- ternehmen eine einfache und kostengünstige Mög- lichkeit zu verschaffen, Forderungen durch hierauf spezialisierte Dienstleister einzutreiben. Dies umfasse nicht die Durchsetzung substantiell bestrittener Forde- rungen, bei denen mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rech- nen sei. Das nach der „wenigermiete.de “-Entscheidung des BGH zulässige Maß einer Abweichung vom Leitbild BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 189
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