BRAK-Mitteilungen 3/2021
§ 31a BRAO stelle jedoch eine ausreichende gesetz- liche Ermächtigungsnorm dar. [10] Gegen die Abweisung der Klage wenden sich zwei der ursprünglich sieben Kl. mit ihrer vom AGH zugelas- senen Berufung. Sie wiederholen und vertiefen ihr erst- instanzliches Vorbringen. Sie tragen insbes. vor, die Ar- chitektur des beA ermögliche ein Ausspähen sämtlicher anwaltlicher Kommunikation mittels eines einzigen An- griffs, eines sog. Single Point of Failure. Die Kl. beziehen sich diesbezüglich insb. auf die in dem Secunet-Gutach- ten unter 5.5.3 genannte, als betriebsbehindernd einge- stufte Schwachstelle, wonach alle HSM-Schlüssel auch außerhalb des HSM als verschlüsselte Dateien existier- ten. Entgegen der Auffassung des AGH bestehe dieser Fehler weiterhin. Daher sei das beA auch nicht im Rechtssinne sicher. Der AGH habe sich bei seiner Her- leitung dessen, was sicher im Rechtssinne sei, sowohl über den Willen des Gesetzgebers und des Verord- nungsgebers als auch über die Rechtsprechung des BVerfG hinweggesetzt. Die Verpflichtung der Bekl. zur Einrichtung der von den Kl. geforderten Verschlüsse- lung ergebe sich auch aus der Festlegung des OSCI-Pro- tokollstandards in § 20 I RAVPV. Der Grundsatz der Ver- hältnismäßigkeit würde die Wahl der sichersten techni- schen Lösung gebieten. Dies sei die von ihnen geforder- te Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Die von der Bekl. ge- wählte Lösung sei dagegen eine unzulässige minder- wertige Lösung. [11] Die Kl. beantragen, das Urteil des AGH Berlin v. 14.11.2019 aufzuheben und 1. die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, für die Kl. ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach i.S.d. § 31a BRAO ohne eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung empfangsbereit zu betreiben, bei der sich die privaten Schlüssel ausschließlich in der Verfügungsgewalt der Postfachinhaberinnen und -inhaber befinden, 2. die Bekl. zu verpflichten, für die Kl. ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach i.S.d. § 31a BRAO mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung empfangsbereit zu betreiben, bei der sich die privaten Schlüssel ausschließ- lich in der Verfügungsgewalt der Postfachinhaberinnen und -inhaber befinden. [12] Die Bekl. beantragt, die Berufung zu verwerfen, hilfsweise diese zurückzuweisen. [13] Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weiI die Berufungsbegründung entgegen § 124a III 4 VwGO keinen bestimmten Antrag enthalte. Die Berufung sei zudem unbegründet. Die Bekl. wiederholt und vertieft hierzu ihren erstinstanzlichen Vortrag. Hiernach stehe den Kl. kein direkter Anspruch auf Unterlassung bzw. Leistung aus § 31a BRAO zu, da kein Anspruch beste- he, anders als andere Rechtsanwälte behandelt zu wer- den, weil das beA-System nur als Ganzes für alle im Ge- samtverzeichnis eingetragenen Rechtsanwälte betrie- ben werden könne. Zudem ergebe sich aus den ein- schlägigen Normen keine Verpflichtung, das System mit der von den Kl. geforderten Ende-zu-Ende-Verschlüsse- lung zu betreiben. Die von ihr gewählte Konstruktion sei sicher. Die von den Kl. benannte B-Schwachstelle – HSM-Schlüssel existierten auch außerhalb des HSM – sei zwischenzeitlich behoben. (...) AUS DEN GRÜNDEN: [15] Die zulässige Berufung der Kl. bleibt ohne Erfolg. Der AGH hat die Klage zu Recht abgewiesen. (...) [22] 2. Die Klage ist unbegründet. Den Kl. steht weder ein Anspruch darauf zu, dass die Bekl. es unterlässt, das besondere elektronische Anwaltspostfach ohne die von ihnen geforderte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, bei der sich die privaten Schlüssel ausschließlich in der Ver- fügungsgewalt der Postfachinhaber befinden, zu betrei- ben, noch ein Anspruch auf ein Betreiben mit genau einer solchen Verschlüsselung. [23] a) Der mit Klageantrag zu 1 geltend gemachte Un- terlassungsanspruch besteht nicht. [24] Ein öffentlich-rechtlicher Abwehr- und Unterlas- sungsanspruch setzt voraus, dass durch eine hoheit- liche Maßnahme rechtswidrig in ein subjektiv-öffent- liches Recht eingegriffen wird oder zu werden droht, wobei sich das subjektive Recht aus den Grundrechten oder aus einfachem Recht ergeben kann (vgl. Detter- beck/Windthorst/Sproll , Staatshaftungsrecht, § 13 Rn. 12 und 17; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungs- recht, 6. Aufl., 373 f.). [25] Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar er- Keine echte Ende-zu- Ende-Verschlüsselung füllt das von der Bekl. ein- gerichtete System der Nach- richtenübermittlung nicht die Anforderungen an eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung i.S.d. europäischen Pa- tentschrift EP 0 877 507 B1 (hierzu nachfolgend unter aa). Darin liegt jedoch kein rechtswidriger Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht der Kl. Denn weder steht den Kl. ein einfachgesetzlich normiertes Recht darauf zu, dass die über das besondere elektronische Anwalts- postfach übermittelten Nachrichten mit einer Ende-zu- Ende-Verschlüsselung in diesem Sinne gesichert wer- den, noch greift das Betreiben des besonderen elektro- nischen Anwaltspostfachs ohne Ende-zu-Ende-Ver- schlüsselung in diesem Sinne rechtswidrig in Grund- rechte der Kl., insbes. in die von Art. 12 I GG geschützte Berufsausübungsfreiheit, ein (hierzu unter bb). [26] aa) Das von der Bekl. verwendete Verschlüsse- lungs-System entspricht nicht einer Ende-zu-Ende-Ver- schlüsselung i.S.d. europäischen Patentschrift (EP 0 877 507 B1, abrufbar unter: https://register.epo.org/applic ation?number=EP98108118). [27] (a) Charakteristisch für eine Ende-zu-Ende-Ver- schlüsselung in diesem Sinne ist die Verschlüsselung der lnformationen am Ort des Senders und die Ent- schlüsselung erst beim Empfänger einer Nachricht, wo- bei der dazwischenliegende Kommunikationskanal kei- nen Einfluss auf die Chiffrierung besitzt. lnnerhalb der digitalen Übertragungskette existiert keine Möglichkeit zur Umwandlung der Nachricht in den ursprünglichen Klartext. Für die Verschlüsselung wird ein symmetri- sches Verschlüsselungsverfahren angewendet und der ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 192
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