BRAK-Mitteilungen 3/2021

gruppen verpflichtet, einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröff- nen. Der Verweis u.a. auf das besondere elektronische Anwaltspostfach in § 130a IV Nr. 2 ZPO stellt dabei klar, dass dieses nach der Auffassung des Gesetzgebers ein zulässiger sicherer Übermittlungsweg ist. [45] Entgegen der Auffassung der Kl. ist auch der Ge- setzesbegründung zu § 174 III 3 ZPO nichts dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das elektronische Anwaltspostfach nur mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüs- selung in dem von den Kl. geforderten Sinne zulassen wollte. § 174 III 3 ZPO regelt, dass eine elektronische Zustellung auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130a IV ZPO zu erfolgen hat. Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v. 10.10.2013 (BGBI. I S. 3786) eingefügt. Der Bundesrat hatte in seiner Stel- lungnahme hierzu vorgeschlagen, dass die Bezugnah- me in § 174 III 3 und 4 ZPO-E auf „sichere Übermitt- lungswege i.S.d. § 130a IV ZPO-E“ entfallen solle, um eine Beschränkung auf die dort genannten Übermitt- lungswege zu verhindern (BT-Drs. 17/12634, 46). [46] In diesem Zusammenhang steht die von den Kl. in Bezug genommene Passage der Stellungnahme des Bundesrats, wonach die vorgeschlagene Streichung der Bezugnahme auf „sichere Übermittlungswege“ i.S.d. § 130a IV ZPO-E nicht etwa zur Zulassung unsicherer Übertragungswege führe, da die Anforderung, die Übermittlung „gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu schützen“, bestehen bleibe und diese beim Einsatz der EGVP-Infrastruktur durch die automatisierte (Ende- zu-Ende-)Verschlüsselung der Daten über das sog. OS- CI-Protokoll gewährleistet werde (BT-Drs. 17/12634, 46 f.). Abgesehen davon, dass sich die Stellungnahme des Bundesrates nicht auf die Übermittlung mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, sondern im Gegenteil gerade auf die Übermittlung ohne dessen Nutzung bezieht und sich zur technischen Ausgestal- tung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht verhält, ist der Änderungsvorschlag des Bundes- rats ohnehin nicht übernommen worden. Dessen Stel- lungnahme bezieht sich mithin auf einen nicht Gesetz gewordenen Regelungsvorschlag und kann schon des- halb zur Ermittlung des Willens des Gesetzgebers nicht herangezogen werden. [47] (b) Eine Verpflichtung zur Verschlüsselung der über besondere elektronische Anwaltspostfächer übermittel- ten lnhalte durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, bei der sich die privaten Schlüssel ausschließlich in der Verfügungsgewalt der Postfachinhaber befinden und keine Umschlüsselung im HSM stattfindet, ist entgegen der Auffassung der Kl. auch der Rechtsanwaltsverzeich- nis- und -postfachverordnung nicht zu entnehmen. Die- se Verordnung regelt auf Grundlage von § 31c Nr. 3 BRAO u.a. Einzelheiten der Einrichtung, der technischen Ausgestaltung, der Führung, der Zugangsberechtigung und der Nutzung der elektronischen Anwaltspostfächer. [48] Nach § 19 I RAVPV dient das besondere elektroni- sche Anwaltspostfach insbes. der elektronischen Kom- Kein Anspruch aus der RAVPV munikation mit den Gerich- ten sowie der Nutzer unter- einander auf einem siche- ren Übermittlungsweg. Nach § 20 I RAVPV hat die BRAK die besonderen elektronischen Anwaltspostfä- cher auf der Grundlage des Protokollstandards „Online Services Computer Interface – OSCI“ oder einem künf- tig nach dem Stand der Technik an dessen Stelle treten- den Standard zu betreiben und fortlaufend zu gewähr- leisten, dass die in § 19 I RAVPV genannten Personen und Stellen miteinander sicher elektronisch kommuni- zieren können. [49] Eine Verpflichtung, im Rahmen des beA eine Ende- zu-Ende-Verschlüsselung in o.g. Sinne vorzusehen, ent- halten diese Vorschriften nicht. Dies ergibt sich weder aus dem Erfordernis einer sicheren Kommunikation noch aus dem Verweis auf die OSCI-Protokollstandards in § 20 I RAVPV. [50] (1) Die unbestimmten Rechtsbegriffe „sicherer Übermittlungsweg“ und „sichere Kommunikation“ sind weder in § 19 I RAVPV und § 20 I RAVPV noch an ande- rer Stelle der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfach- verordnung näher definiert. Sie sind jedenfalls nicht da- hingehend auszulegen, dass damit ausschließlich eine Übermittlung mittels einer Ende-zu-Ende-Verschlüsse- lung in dem von den Kl. geforderten Sinne gemeint ist. [51] (1.1) Der Wortlaut impliziert eine technische Offen- heit. lhm ist nicht zu entnehmen, dass nur eine be- stimmte Verschlüsselungsart als sicherer Übermitt- lungsweg anzusehen ist, vielmehr wird neutral und oh- ne technische Vorgaben allein auf das ausfüIIungsbe- dürftige Kriterium der Sicherheit abgestellt. Dies spricht dafür, dass für die technische Umsetzung im Detail ein Spielraum besteht, sofern das Kriterium der Sicherheit beachtet wird. [52] (1.2) Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen ebenfalls die technische Offenheit und sprechen gegen eine Festlegung auf eine bestimmte Verschlüsselungs- technik. Bezweckt ist mit diesen Regelungen, dass ein zuverlässiges und sicheres Kommunikationsmittel für den elektronischen Rechtsverkehr zwischen den Rechts- anwälten und Gerichten sowie zwischen den Rechtsan- wälten untereinander zur Verfügung gestellt wird (Be- gründung zu § 19 RAVPV, BR-Drs. 417/16, 34). Dieser Vorgabe ist nicht zu entnehmen, dass zwingend eine En- de-zu-Ende-Verschlüsselung nach o.g. Kriterien gegeben sein muss. Die offen gefasste, lediglich auf den Begriff der Sicherheit abstellende Formulierung erlaubt der Bekl., durch ein technisches Gesamtkonzept den beson- deren Erfordernissen der Kommunikation über beson- dere elektronische Anwaltspostfächer in ihrer Gesamt- heit Rechnung zu tragen. Wie aus § 20 I 1 Hs. 2 RAVPV und § 20 I 2 RAVPV hervorgeht, steht der Bekl. hierbei ein Spielraum zur Anpassung an technische Neuerun- gen zu. [53] (1.3) Auch die Systematik spricht dafür, dass der Verordnungsgeber die konkrete Art der Verschlüsselung nicht abschließend zugunsten einer bestimmten techni- ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 195

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