BRAK-Mitteilungen 3/2021
vorgeschriebenen Mindestversicherungsschutz umfass- te, sondern der Höhe nach auf die von den Sozien der Kl. abgeschlossenen Versicherungen abgestimmt war. [34] aa) Anders als in den Entscheidungen in BFHE 252, 129, BStBl. II 2016, 303 und in BFHE 253, 243, BStBl. II 2016, 621 geht es vorliegend nicht um die Teil- habe (Einbeziehung) des Arbeitnehmers am (in den) be- trieblichen Versicherungsschutz des Arbeitgebers, son- dern um eine im eigenen Namen und auf eigene Rech- nung abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung der angestellten Rechtsanwältin und damit um die Eigen- versicherung der versicherungsnehmenden Arbeitneh- merin. Das FG hat deshalb zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass (auch) der angestellte Rechtsanwalt nach § 51 BRAO zum Abschluss einer Berufshaftpflicht- versicherung verpflichtet ist und ohne den Versiche- rungsabschluss die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht vorgenommen werden darf (§ 12 II BRAO) oder eine bereits erfolgte Zulassung zu widerrufen ist (§ 14 II Nr. 9 BRAO). Der Abschluss der von R unterhaltenen Berufshaftpflichtversicherung war mithin unabdingbar für die Ausübung ihres Berufs als (angestellte) Rechts- anwältin und sie handelte mit der Befolgung dieser ge- setzlichen Verpflichtung typischerweise auch im eige- nen Interesse (ebenso z.B. Hilbert , BB 2016, 1508). [35] Die Versicherungspflicht des § 51 BRAO ist perso- nenbezogen, nicht tätigkeitsbezogen. Eine Versiche- rung, die nur bestimmte anwaltliche Tätigkeiten ab- deckt, reicht deshalb nicht aus. Daher trifft die Versiche- rungspflicht nach § 51 BRAO auch den angestellten Rechtsanwalt, obwohl für diesen gem. § 278 BGB der Arbeitgeber haftet und der angestellte Anwalt bei einer Inanspruchnahme durch Dritte – auf welcher Rechts- grundlage auch immer – einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber hat, sofern nicht grobe Fahrlässigkeit vorlag ( Diller , Berufshaftpflichtversiche- rung für Rechtsanwälte: AVB-RSW, 2. Aufl. 2017, Einl. Rn. 18). [36] Dass der Gesetzgeber die Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung der Berufshaftpflichtversi- cherung (erst) mit dem Gesetz zur Neuordnung des Be- rufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte mit Wirkung zum 9.9.1994 vorrangig zum Schutz der Rechtsuchenden gesetzlich vorgeschrieben hat (BT-Drs. 12/4993, 31), ändert nichts daran, dass der Abschluss einer solchen Versicherung seit jeher auch im eigenen Interesse des Rechtsanwalts lag und immer noch liegt (s. Dahns, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufs- recht, 3. Aufl. 2020, § 51 BRAO Rn. 2; Diller, in Hens- sler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 51 Rn. 10 f.). Denn die haftungsträchtige anwaltliche Tätigkeit birgt die Ge- fahr in sich, durch Regressforderungen in der beruf- lichen und damit persönlichen Existenz bedroht zu wer- den. Auch dies hat das FG zutreffend berücksichtigt. [37] bb) Das FG ist aber zu Unrecht davon ausgegan- Nur für Mindest- deckung gen, dass die Übernahme der Beiträge zur Berufshaft- pflichtversicherung der R durch die Kl. ohne weiteres in vollem Umfang zu Ar- beitslohn führt. Vielmehr gilt dies uneingeschränkt nur für die auf die gesetzliche Mindestdeckung entfallen- den Prämienanteile (ebenso Diller , AnwBl. 2010, 269, 270; a.A. FG Nürnberg, Urt. v. 27.2.2019 – 5 K 1199/ 17, EFG 2019, 979). [38] (1) Versicherungsrechtlich wird ein angestellter Rechtsanwalt, auch wenn er auf dem Briefkopf als sol- cher aufgeführt ist, wie ein Sozius i.S.d. § 1 II Nr. 1 der Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingun- gen sowie Risikobeschreibungen zur Vermögensscha- den-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Pa- tentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und ver- eidigte Buchprüfer (AVB-RSW) behandelt und fällt da- mit unter die sog. „Sozienklausel“ – hier in § 12 AVB- RSW – ( Chab , AnwBl. 2012, 190; ders ., AnwBl. 2012, 274; Diller , Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsan- wälte: AVB-RSW, 2. Aufl. 2017, § 12 Rn. 16). [39] Zivilrechtlich haftet der angestellte Rechtsanwalt, der als solcher auf dem Briefkopf aufgeführt ist, im Au- ßenverhältnis für anwaltliche Fehler hingegen nicht. Hierfür hat vielmehr die mandatierte Anwaltssozietät einzustehen. Denn der angestellte Rechtsanwalt han- delt im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für die An- waltssozietät als deren Erfüllungsgehilfe, so dass diese für anwaltliche Pflichtverletzungen des angestellten Rechtsanwalts gem. § 278 BGB haftet. Die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Sozietät (§ 128 des Handelsgesetzbuchs analog) trifft den angestellten Rechtsanwalt, da er dieser nicht ange- hört, nicht. Deshalb ist die Versicherungsdeckung der Sozietät für den angestellten Anwalt insoweit nicht von eigenem Interesse, es sei denn, es handelt sich um einen sog. „Scheinsozius“, der den Mandanten gegen- über bei jedem Haftungsfall der Sozietät nach Rechts- scheingrundsätzen persönlich haftet ( Diller , AnwBl. 2010, 269, 270). [40] Die Einbeziehung des angestellten und zivilrecht- lich nicht haftenden „Briefkopfanwalts“ in den über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versi- cherungsschutz einer Sozietät ist bei einer von dieser selbst im eigenen Namen abgeschlossenen Versiche- rung daher allein dem Umstand geschuldet, dass für die Sozien im haftungsrechtlichen Sinn durch Anwen- dung der Durchschnittsleistung (hier in § 12 II AVB- RSW) im Versicherungsfall keine Unterdeckung ent- steht. Insoweit besteht in Bezug auf die Einbeziehung eines zivilrechtlich nicht haftenden „Briefkopfanwalts“ in den Versicherungsschutz einer Sozietät ein überwie- gend eigenbetriebliches Interesse der Sozietät an der versicherungsrechtlich benötigten Höherversicherung und der hierdurch abgedeckten Versicherungssumme. Soweit der angestellte Rechtsanwalt im Falle einer An- waltstätigkeit außerhalb der Sozietät von der Höherver- sicherung profitieren könnte, handelt es sich um einen bloßen Reflex der originär eigenbetrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers (hierzu s. Senatsurt. v. 1.10.2020 – VI R 12/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 206
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