BRAK-Mitteilungen 3/2021
sam hätte Gebrauch machen können. Denn bei wider- sprechender Stimmabgabe von Vertreter und Gesell- schafter in der Gesellschafterversammlung ist die Stim- me des Gesellschafters maßgebend (vgl Römermann , in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017, § 47 Rn. 437; Zöllner/Noack, in Baum- bach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 47 Rn. 50). [28] Dass es faktisch an einem Widerruf der Stimm- rechtsvollmacht (unter gleichzeitiger Kündigung des Poolvertrags) und einer konkurrierenden Stimmrechts- ausübung in der Gesellschafterversammlung in der streitigen Zeit fehlt, ist ohne Bedeutung (vgl. BSG, Urt. v. 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400, § 7 Nr. 27 Rn. 39). [29] 4. An der Einordnung der Geschäftsführer-Tätig- Keine andere Einordnung wegen Freiberuflichkeit keit zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäfti- gung ändert die zugleich ausgeübte „freiberufliche“ Tätigkeit als Steuerberater nichts. Die auch vom LSG durch Würdigung der „täg- lichen Arbeitsverrichtung“ in seine Gesamtwertung mit- einbezogene steuerberatende Tätigkeit des Kl. ist zwar der Statusbeurteilung zugrunde zu legen (dazu a). Die für GmbH-Geschäftsführer geltenden Maßstäbe wer- den aber nicht berufsrechtlich überlagert (dazu b). [30] a) Dass die Statusbeurteilung die Berufsausübung als Steuerberater umfasst, ergibt sich schon daraus, dass der Kl. nach dem GF-AV der Beigeladenen seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hatte. Auch erstreckt sich die Geschäftsführungsbefugnis auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Beigeladenen, de- ren Geschäftsführer grundsätzlich auch Steuerberater sein muss (§ 50 I 1 StBerG). Ihr alleiniger Zweck ist ge- setz- und satzungsmäßig auf die berufsrechtlich zulässi- gen Tätigkeiten in Steuersachen gerichtet (vgl. § 2 Nr. 1 der Satzung; § 3 Nr. 3, §§ 33, 49, 50 und 57 III StBerG) und sie selbst ist – vertreten durch ihre Geschäftsführer – Vertragspartnerin der Mandatsverhältnisse. Eine ge- trennte Betrachtung von Geschäftsführer- und steuerbe- ratender Tätigkeit entspräche daher nicht dem Grund- konzept der Beigeladenen als Berufsausübungsgesell- schaft. [31] Die „freiberufliche“ Tätigkeit als Steuerberater kann deshalb von vorneherein nicht ohne den recht- lichen und organisatorischen Rahmen beurteilt werden, der sich für den Kl. aus der Stellung als GmbH-Ge- schäftsführer ergibt (s. aber die Anm. von Klafke , DStR 49/2018, 2603, 2604: abhängiger Geschäftsführer und selbstständiger Steuerberater). Damit kommt es hier nicht auf die Kriterien einer sog. „einheitlichen Be- schäftigung“ an (vgl. hierzu etwa BSG, Urt. v. 31.10. 2012 – B 12 R 1/11 R, SozR 4-2400, § 14 Nr. 16 Rn. 16 f. m.w.N.). [32] b) Die für GmbH-Geschäftsführer geltenden Maß- stäbe werden nicht berufsrechtlich überlagert. Die Ab- grenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständig- keit erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und der- selbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der ver- traglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entwe- der in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die kon- kreten Umstände des individuellen Sachverhalts (zuletzt BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R, BSGE 128, 191 = SozR 4-2400, § 7 Nr. 42 Rn. 18 m.w.N. – Hono- rararzt). Etwas anderes gilt nicht wegen der von den Re- visionsklägern hervorgehobenen Zuordnung des Steuer- beraters zu den sog. freien Berufen. [33] Der „Freie Beruf“ ist ursprünglich kein Rechtsbe- griff, sondern ein soziologischer Begriff in Abgrenzung zum Gewerbe, der auf das frühe 19. Jahrhundert zu- rückgeht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354 = juris Rn. 45; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 27.2.2013 – 8 C 8/12 Rn. 15: „Typusbe- griff“ in Abgrenzung zum Gewerberecht). Allgemein werden das persönliche Element der Berufsausübung und die große fachliche Selbstständigkeit und Unab- hängigkeit als wesentliche Kennzeichen aller freien Be- rufe verstanden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 = Rn. 84; vgl. auch EuGH, Urt. v. 11.10.2001 – C-267/99 Rn. 39 zur Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie). Eine gesetzliche Definition i.S.e. Typusbegriffs findet sich in § 1 II Partnerschaftsge- sellschaftsgesetz (PartGG; i.d.F. des Gesetzes zur Ände- rung des Umwandlungsgesetzes, des Partnerschaftsge- sellschaftsgesetzes und anderer Gesetze v. 22.7.1998, BGBl. I 1878). Danach haben die freien Berufe im allge- meinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Quali- fikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbrin- gung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt (Satz 1). Ausübung eines freien Berufs i.S.d. PartGG ist die selbst- ständige Berufstätigkeit u.a. der Mitglieder der Rechts- anwaltskammern, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, ver- eidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren) und Steuerbevollmächtigten (vgl. den noch umfassenderen Katalog in Satz 2 sowie die Auflistung in § 18 I Nr. 1 EStG). Allein aus der Zuordnung zum „Freien Beruf“ lässt sich jedoch keine normative Wirkung in dem Sinn ablei- ten, dass die Angehörigen eines solchen Berufs grund- sätzlich einer selbstständigen Tätigkeit nachgingen und in erhöhtem Maße vor gesetzgeberischen Eingriffen – hier durch Begründung der Versicherungspflicht – ge- schützt wären (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354 = juris Rn. 44). Auf die Ver- kehrsanschauung, der der Typusbegriff letztlich ent- springt, kommt es für die Abgrenzung zwischen Beschäf- tigung und Selbstständigkeit nicht an (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R, BSGE 128, 191 = SozR 4-2400, § 7 Nr. 42 Rn. 18 – Honorararzt). [34] Ebenso wenig gebietet es die Widerspruchsfreiheit der Gesamtrechtsordnung (vgl. zu diesem Gesichts- punkt BSG, Urt. v. 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R, BSGE SONSTIGES BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 212
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