BRAK-Mitteilungen 3/2021

des BSG v. 15.12.2016 (B 5 RE 7/16 R, BSGE 122, 204 = SozR 4-2600, § 6 Nr. 13) führt zu keinem ande- ren Ergebnis. Danach ist die (in der Zeit v. 8.7.2010 bis 19.3.2014 ausgeübte) Tätigkeit eines bei einer Wirt- schaftsprüfungsgesellschaft angestellten Rechtsan- walts, der die Beratung und Vertretung von Rechtsu- chenden nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrags unab- hängig und weisungsfrei wahrnimmt, mit dem Beruf eines Rechtsanwalts vereinbar und grundsätzlich be- freiungsfähig. Unabhängig davon, ob sich diese Ent- scheidung auf angestellte Steuerberater übertragen lässt, stellt sie jedenfalls nicht das Bestehen von Versi- cherungspflicht nach § 7 SGB IV in Frage. Sie bringt vielmehr den Beschäftigtenstatus gerade mit den Vor- gaben des Berufsrechts in Einklang. [38] 6. Die Statuszuordnung wird auch nicht durch die arbeits- und zivilgerichtliche Rechtsprechung vorge- prägt. Danach kann ein GmbH-Geschäftsführer (regel- mäßig) nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein, des- sen Organ er ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1981 – II ZR 92/ 80, BGHZ 79, 291 = juris Rn. 5), und sind Ausnahmen im Rahmen einer Einzelfallabwägung nur dann anzuer- kennen, wenn die Gesellschaft eine – über ihr gesell- schaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis gerade bezüglich der konkreten Mo- dalitäten der Leistungserbringung des Geschäftsführers hat (vgl. BAG, Beschl. v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18, BA- GE 165, 61 = juris Rn. 24; BAG Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, juris Rn. 20 ff.). Allerdings besteht kein vollständiger Gleichklang des arbeitsrechtlichen Arbeit- nehmerbegriffs mit dem Beschäftigtenbegriff nach § 7 SGB IV (vgl. BSG, Urt. v. 4.6.2019 – B 12 R 11/18 R, BSGE 128, 191 = SozR 4-2400, § 7 Nr. 42, Rn. 19 – Ho- norararzt). Eine abhängige Beschäftigung von Ge- schäftsführern ist insb. auch nicht bereits deshalb aus- geschlossen, weil nach § 5 I 3 ArbGG Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags al- lein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Ver- tretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Geschäftsführer im Verhältnis zu sons- tigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrneh- men (st. Rspr.; vgl. BSG, Urt. v. 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R, BSGE 125, 183 = SozR 4-2400, § 7 Nr. 35 Rn. 19). ANMERKUNG: Die den Bereich der Steuerberater betreffende Ent- scheidung zur Sozialversicherungspflicht von Gesell- schafter-Geschäftsführern einer Steuerberatungsge- sellschaft hat auch für die Anwaltschaft grundlegen- de Bedeutung. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass zu dem Aktenzeichen B 12 R 4/20 noch eine geson- derte Revision einer Rechtsanwaltsgesellschaft am BSG anhängig ist. Betrachtet man die Entscheidung des 12. Senats v. 7.7.2020, steht zu befürchten, dass diese Entscheidung nochmals bestätigt wird. Die Bri- sanz wird auch dadurch deutlich, dass mit Stand vom 1.1.2020 derzeitig 1.018 RA-GmbH, 25 RA-AG und 14 RA-UG existieren. Erstinstanzlich hatte der betroffene Steuerberater und Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft mbH, an der er einen Gesellschaftsanteil von (nur) 25 % hielt, noch Erfolg gehabt, da das SG München der Auffassung war, dass eine zusätzlich getroffene Verfügungs- und Stimmrechtspoolvereinbarung geeig- net war, für ihn, den Kläger, nicht genehme Entschei- dungen der Gesellschaft zu verhindern. Der mit ihm geschlossene Geschäftsführeranstellungsvertrag war allerdings wie ein Arbeitsvertrag mit einem abhängig Beschäftigten gestaltet. Das BSG hat in seiner Entscheidung die in der Recht- sprechung für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH bei der Abgrenzung von selbstständiger Tätig- keit und abhängiger Beschäftigung entwickelten Grundsätze auf eine Steuerberatungsgesellschaft „einfach“ übertragen. Danach sind die Beteiligungs- verhältnisse innerhalb der Gesellschaft entscheidend. Ein Minderheitsgesellschafter ist als Geschäftsführer grundsätzlich abhängig beschäftigt, sofern ihm nicht eine uneingeschränkte Sperrminorität eingeräumt ist. Die Stimmrechtsvereinbarung reichte dafür nicht aus, da sie lediglich schuldrechtlicher Natur ist, nach den Maßstäben des BSG aber gesellschaftsrechtlich ein- geräumt worden sein muss. Der Senat verweist da- rauf, dass die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung grundsätz- lich nicht auf bestimmte Berufsbilder abstellt, sondern ein und derselbe Beruf grundsätzlich abhängig be- schäftigt oder selbstständig ausgeübt werden kann. Damit hat das BSG die Besonderheiten für die Berufs- gruppe der freien Berufe in unzutreffender Weise ver- neint, obwohl gerade bei den freien Berufen für Ge- sellschafter-Geschäftsführern regelhaft eine besonde- re Schutzwürdigkeit dieser Personengruppe im Hin- blick etwa auf ausreichende Altersvorsorge nicht exis- tiert. Es wäre insoweit für das Gericht ein Leichtes, nämlich sachlich gut begründbar gewesen, unter Be- rücksichtigung des Status der freien Berufe eine Aus- nahme von der Rechtsprechung zum GmbH-Gesell- schafter-Geschäftsführer zuzulassen. Im Zusammenhang mit der BRAO-Reform wurde im Hinblick auf die zu besprechende Entscheidung aus- drücklich darauf hingewiesen, dass eine Korrektur die- ser sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung gesetzgeberisch erforderlich ist. Ob die Überlegungen der BRAK im Gesetzgebungsverfahren übernommen werden, bleibt abzuwarten. Was folgt daraus für Rechtsanwälte? Da sich an dieser im Ergebnis nicht überzeugenden Rechtsprechung wohl nichts ändern wird, besteht ein dringender Handlungsbedarf für die jeweiligen GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer in der Rechts- anwaltschaft, etwa im Sinne der Vereinbarung einer echten Sperrminorität und der Durchführung eines BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 214

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