BRAK-Mitteilungen 4/2021

AUFSÄTZE DIE GROSSE BRAO-REFORM IM ÜBERBLICK DIE WICHTIGSTEN NEUERUNGEN FÜR DIE ANWALTSCHAFT IM BERUFSRECHT RECHTSANWÄLTIN DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL.* * Die Autorin ist Rechtsanwältin in Karlsruhe und Geschäftsführerin der BRAK. Nach langer und teils sehr kontroverser Diskussion wur- de das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungs- gesellschaften Ende Juni vom Bundestag beschlossen. Mit dem Gesetz, das zum 1.8.2022 in Kraft treten wird, kommen umfassende Änderungen für die Anwalt- schaft. Die wichtigsten neuen Regelungen stellt der nachfolgende Beitrag vor; ein Seitenblick fällt dabei auch auf für die Anwaltschaft relevante Regelungen in anderen, ebenfalls noch kurz vor Ende der Legislaturpe- riode verabschiedeten Gesetzen. I. EINLEITUNG Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungs- gesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschrif- ten im Bereich der rechtsberatenden Berufe 1 1 BGBl. 2021 I, 2363. wurde En- de Juni die umfassendste Reform des anwaltlichen Be- rufsrechts seit dem Inkrafttreten der BRAO im Jahr 1994 verabschiedet. Sie beinhaltet u.a. grundlegende Änderungen für die berufliche Zusammenarbeit mit Rechtsanwält*innen und mit Angehörigen anderer Be- rufe, weitet das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen auch auf angestellte und frei mitarbeitende Rechtsanwält*innen aus, erlaubt Syndikusrechtsanwäl- t*innen unter bestimmten Voraussetzungen die Bera- tung von Kunden ihrer Arbeitgeber und führt für zuge- lassene Berufsausübungsgesellschaften obligatorisch ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) ein. Die Regelungen treten zum 1.8.2021 in Kraft. Vorangegangen ist ein von kontroversen Diskussionen begleitetes Gesetzgebungsverfahren, angestoßen durch den Reformvorschlag der BRAK zum anwaltlichen Gesell- schaftsrecht 2 2 BRAK-Stn.-Nr. 15/2019. und den nachfolgenden Vorschlag von Henssler . 3 3 Henssler , AnwBl. online 2019, 257. Die Kontroversen verwundern nicht, hat der Gesetzgeber doch mit dem Reformpaket eine Reihe schon länger diskutierter heißer Eisen im Berufsrecht an- gefasst. Insbesondere die nunmehr in § 59c BRAO n.F. geregelte Frage, mit welchen anderen Berufen sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte beruflich verbin- den dürfen, war nicht erst seit der Apotheker-Entschei- dung des BVerfG aus dem Jahr 2016 4 4 BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, BRAK-Mitt. 2016, 78. umstritten. Mit der im Referenten- und Regierungsentwurf noch enthaltenen Idee eines Tätigkeitsverbots bei Erlangung sensiblen Wis- sens 5 5 Dazu etwa Kury, BRAK-Mitt. 2021, 7, 11 f. (§ 43a IV 1 Nr. 2 BRAO-E) und der erst kurz vor Ab- schluss des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommenen Öffnung von drittberatenden Tätigkeiten für Syndikus- rechtsanwält*innen in § 46 VI BRAO n.F. kamen weitere Streitpunkte hinzu (und dies waren nicht die einzigen). Flankiert wird die BRAO-Reform von weiteren Neurege- lungen, die die Anwaltschaft ebenfalls betreffen. Allen voran zählt hierzu das Gesetz zur Förderung verbrau- chergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungs- markt, 6 6 BT-Drs. 58/21 (RegE). Vom Bundesrat am 25.6.2021 gebilligt; Veröffentlichung im BGBl. stand zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch aus. das vordergründig der Anwaltschaft gestattet, in gewissen Grenzen gegen Erfolgshonorar tätig zu sein, vor allem aber Regelungen für die Tätigkeit von Inkasso- dienstleistern enthält, die auf den Legal Tech-Bereich ab- zielen und den Rechtsdienstleistungsmarkt grundlegend beeinflussen werden. Ebenfalls parallel lief das Gesetz- gebungsverfahren zur Modernisierung des Personenge- sellschaftsrechts, das u.a. die Rechtsfähigkeit der Gesell- schaft bürgerlichen Rechts gesetzlich verankert und Per- sonenhandelsgesellschaften auch für die freien Berufe öffnet. 7 7 BT-Drs. 19/27635 (RegE). Vom Bundesrat am 25.6.2021 gebilligt; Veröffentlichung im BGBl. stand zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch aus; Inkrafttreten am 1.1.2024. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des notari- ellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschrif- ten 8 8 BGBl. 2021 I, 2154. kamen bereits zum 1.8.2021 weitere Änderungen, die für die Anwaltschaft relevant sind, etwa betreffend das beA und die Zulassung von Anwaltsnotar*innen. 9 9 S. den Überblick in Nachr. aus Berlin 14/2021 v. 15.7.2021; ferner BRAK-Stn.- Nr. 42/2020; bzgl. des beA s. unten VI.2. II. NEUREGELUNGEN FÜR BERUFSAUSÜBUNGSGESELLSCHAFTEN Das Recht der Berufsausübungsgesellschaften in der BRAO und parallel in der PAO und dem StBerG wird umfassend neu geregelt und vereinheitlicht. 1. GESELLSCHAFTSRECHTLICHE ORGANISATIONSFREIHEIT Als einer der Kernpunkte der Reform wird (Patent-)An- wält*innen und Steuerberater*innen eine relativ weitge- hende Organisationsfreiheit ermöglicht. Für anwalt- liche, patentanwaltliche und steuerberatende Berufs- BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 AUFSÄTZE 218

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0