BRAK-Mitteilungen 4/2021
hierzu die entsprechenden Vorschriften in §§ 56 I, II, 57 BRAO für anwendbar. Entsprechend angepasst wurden auch die Vorschriften über das Rügeverfahren in § 74 BRAO und das anwaltsgerichtliche Verfahren in § 113 BRAO. Sanktionen gegen Leitungspersonen von Berufs- ausübungsgesellschaften sind ebenfalls ausdrücklich vorgesehen (§§ 74 VI, 74a VI, 113 III sowie 113a ff. BRAO n.F.). Der Gesellschaft werden danach Berufs- rechtsverstöße von Leitungspersonen und sonstigen Personen zugerechnet, deren Pflichtverletzungen durch angemessene organisatorische, personelle oder techni- sche Maßnahmen hätten verhindert oder wesentlich er- schwert werden können. Es liegt daher nahe, in Zukunft ein noch größeres Augenmerk auf Compliance mit be- rufsrechtlichen Vorschriften zu legen. 5. RECHTSDIENSTLEISTUNGSBEFUGNIS UND POSTULATIONSFÄHIGKEIT Berufsausübungsgesellschaften sind künftig gem. § 59k BRAO n.F. selbst zur Erbringung von Rechtsdienstleis- tungen befugt. Sie handeln dabei durch ihre Gesell- schafter und Vertreter; diese müssen selbst rechts- dienstleistungsbefugt sein. Ferner können sie dann selbst als Prozess- oder Verfah- rensbevollmächtigte mandatiert werden (§ 59l I BRAO n.F.). Auch insoweit handeln sie durch ihre Gesell- schafter und Vertreter, die selbst rechtsdienstleistungs- befugt sein müssen (§ 59l II BRAO n.F.). 6. MEHRHEITSERFORDERNISSE UND BETEILIGUNGSSTRUKTUR In seiner derzeitigen Fassung sieht § 59e II 1 BRAO vor, dass die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrech- te in einer Rechtsanwaltsgesellschaft bei Rechtsanwält- *innen liegen muss. Diese Regelung hat das BVerfG für nichtig erklärt. 16 16 BVerfG, Beschl. v. 14.1.2014 – 1 BvR 2998/11 und 1 BvR 236/12, BRAK-Mitt. 2014, 87. Der neue § 59i BRAO n.F. enthält keine Mehrheitserfordernisse mehr. Stattdessen sollen die an- waltliche Unabhängigkeit und die Einhaltung des Be- rufsrechts dadurch gewährleistet werden, dass nicht- anwaltliche Gesellschafter*innen unmittelbar nach § 59d verpflichtet werden. 17 17 Hierzu Begr. RegE, BT-Drs. 19/27670, 190. Allerdings gilt weiterhin, dass mindestens eine Rechtsanwältin bzw. ein Rechts- anwalt der Berufsausübungsgesellschaft angehören muss; dies setzen §§ 59b I und 59c I BRAO n.F. voraus. Die Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ dürfen gem. § 59p BRAO n.F. jedoch nur Berufsausübungsge- sellschaften führen, in denen Anwält*innen die Stimm- rechtsmehrheit und die Mehrheit der Mitglieder im Ge- schäftsführungsorgan innehaben. Mehrstöckige Berufsausübungsgesellschaften werden ausdrücklich zugelassen (§ 59i I BRAO n.F.). Damit wird etwa die Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG möglich. Betei- ligungen von Gesellschaften an einer PartG sind jedoch auch weiterhin gem. § 1 I 3 PartGG ausgeschlossen. Vo- raussetzung bleibt stets, dass mindestens eine (deut- sche bzw. niedergelassene europäische) Rechtsanwäl- tin bzw. ein Rechtsanwalt der Gesellschaft angehört. 18 18 Vgl. §§ 59b I, 59c I BRAO n.F.; so auch BT-Drs. 19/27670, 191. Weiterhin unzulässig bleibt eine reine Kapitalbeteili- gung an Berufsausübungsgesellschaften ohne aktive Mitarbeit. Dies wird u.a. dadurch abgesichert, dass An- teile nur mit Zustimmung der Gesellschafterversamm- lung übertragen (§ 59i II BRAO n.F.) und nicht für Rech- nung Dritter gehalten (§ 59i III BRAO n.F.) werden dür- fen. Nicht sozietätsfähige Personen, die z.B. infolge eines Erbfalls in die Gesellschafterstellung eingerückt sind, haben kein Stimmrecht (§ 59i IV BRAO n.F.). 19 19 Entspricht § 59e II 2 BRAO. Nur stimmberechtigte Gesellschafter können von anderen zur Ausübung von Gesellschafterrechten bevollmäch- tigt werden (§ 59i V BRAO); dies soll eine Umgehung des Fremdbesitzverbots verhindern. 20 20 Vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 19/27670, 193. 7. AUSLÄNDISCHE BERUFSAUSÜBUNGSGESELLSCHAFTEN Flankierend zu den Vorschriften für ausländische Rechtsanwält*innen trifft § 207a BRAO n.F. erstmals Regelungen für ausländische Berufsausübungsgesell- schaften. Sofern sie ihren Sitz in einem WHO-Mitglied- staat haben, sollen sie von einer in Deutschland sitzen- den Zweigniederlassung aus Rechtsdienstleistungen im Recht ihres Herkunftsstaats erbringen dürfen (§ 207a III BRAO n.F.); sofern mindestens eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt der Gesellschaft angehört, ist sie zudem auch nach §§ 59k, 59l BRAO n.F. rechtsdienst- leistungsbefugt und postulationsfähig. Die deutsche Zweigniederlassung muss über eine eigene Geschäfts- leitung verfügen, die für die Einhaltung des Berufs- rechts sorgt (§ 207a I Nr. 4, II BRAO n.F.). Voraussetzung für die Tätigkeit ist die Zulassung durch die zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 207a I Nr. 5 BRAO n.F.). § 209a BRAO n.F. sieht insofern Übergangs- regelungen vor. 8. BÜROGEMEINSCHAFTEN Die Bürogemeinschaft wird erstmals in § 59q I BRAO n.F. legaldefiniert. Sie ist dadurch gekennzeich- net, dass die Gesellschaft der gemeinschaftlichen Orga- nisation der Berufstätigkeit unter gemeinsamer Nut- zung von Betriebsmitteln dient, aber nicht selbst als Vertragspartnerin gegenüber Mandanten auftritt. In § 59q II BRAO n.F. werden ausdrücklich auch interpro- fessionelle Bürogemeinschaften zugelassen und zugleich der Kreis der hierfür in Betracht kommenden Personen im Vergleich zu § 59 III BRAO, der Bürogemeinschaften auf rechts- und steuerberatende Berufe beschränkt, erheblich erweitert. Ausgeschlossen sind künftig lediglich Berufe, die mit dem Anwaltsberuf unvereinbar wären, und außer- dem Personen, die Versagungsgründe für die Anwaltszu- lassung gem. § 7 Nr. 1, 2 oder 6 BRAO erfüllen. Auch in der Bürogemeinschaft gelten die anwaltlichen Berufspflichten umfassend. Dies muss durch angemes- NITSCHKE, DIE GROSSE BRAO-REFORM IM ÜBERBLICK BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 AUFSÄTZE 220
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