BRAK-Mitteilungen 4/2021
liegt, zu dem man infolge anwaltlicher Arbeit gelangt. Der Fokus auf dem wirtschaftlichen Interesse – und ge- rade nicht auf der rechtlichen Beratung – schadet grundsätzlich nicht dem Merkmal der anwaltlichen Tä- tigkeit. 25 25 AGH NRW, Urt. v. 16.12.2016 – 1 AGH 56/16, BRAK-Mitt. 2017, 90 Rn. 31. Anwaltliche Tätigkeit besteht nicht nur in einer rechtlichen Bewertung, sondern muss eben auch die wirtschaftlichen Interessen des Mandanten mitbewer- ten. b) DER MODUS DER TÄTIGKEIT Die anwaltliche Tätigkeit muss vom Syndikusrechtsan- walt fachlich unabhängig und eigenverantwortlich aus- geübt werden, § 46 III BRAO. „Eine fachlich unabhängi- ge Tätigkeit im Sinne des Absatzes 3 übt nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständi- ge Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen“, § 46 IV 1 BRAO. Damit hat der Gesetzgeber ein Paradoxon des einerseits unab- hängigen Organs der Rechtspflege und andererseits des arbeitsvertraglich abhängigen, angestellten Syndi- kusrechtsanwalts geschaffen. 26 26 Wolf, in Gaier/Wolf/Göcken, § 46 BRAO Rn. 35; BeckOK BRAO/ Günther , 6. Ed., Stand: 1.5.2021, § 46 BRAO Rn. 18. Dieses Paradoxon ist bereits durch den bei einem an- waltlichen Arbeitgeber angestellten Rechtsanwalt i.S.d. § 46 I BRAO bekannt. Abzustellen ist nicht auf die per- sönliche Unabhängigkeit, die geradezu konstitutiv für das Arbeitsverhältnis des angestellten Rechtsanwalts oder Syndikusrechtsanwalts ist, sondern auf die fach- liche Unabhängigkeit. Diese muss sowohl gegenüber dem Staat als auch gegenüber dem Arbeitgeber ge- währleistet sein. Die Gewährleistung der fachlichen Un- abhängigkeit ist vom Arbeitgeber des Syndikusrechts- anwalts nicht nur vertraglich, sondern auch tatsächlich zu gewährleisten, § 46 IV 2 BRAO. 27 27 BT-Drs. 18/5201, 29. Gleichzeitig ist eine Weisungsgebundenheit für den Syndikusrechtsan- walt nach ständiger Rechtsprechung des BGH insoweit unschädlich, als dass sie keine innerhalb des Arbeitsver- hältnisses darstellt und der Arbeitgeber diesen Weisun- gen gleichfalls unterliegt. 28 28 BGH, Beschl. v. 14.1.2019 – AnwZ (Brfg) 29/17, BRAK-Mitt. 2019, 98 Rn. 9; Urt. v. 12.3.2018 – AnwZ (Brfg) 15/17, BRAK-Mitt. 2018, 213, 827 Rn. 11 f.; Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, BRAK-Mitt. 2017, 245 Rn. 12. Mit Urteil vom 7.12.2020 hat der Anwaltssenat des BGH entschieden, dass es dem GmbH-Geschäftsführer aufgrund seiner organschaftlichen Weisungsgebunden- heit i.S.d. § 37 GmbHG an der erforderlichen fachlichen Unabhängigkeit fehle. 29 29 BGH, Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ (Brfg) 17/20, BRAK-Mitt. 2021, 115 m. Anm. Wolf = NJW 2021, 629 (630). Ein GmbH-Geschäftsführer ist nach § 37 GmbHG grundsätzlich den Weisungen der Gesellschafter unterworfen. Daher hat er nicht die er- forderliche Unabhängigkeit um als Syndikusrechtsan- walt zugelassen werden zu können. 30 30 BGH, Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ (Brfg) 17/20, BRAK-Mitt. 2021, 115 = NJW 2021, 629 (630); Wolf , Anm. zu BGH, Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ (Brfg) 17/20, BRAK-Mitt. 2021, 115 (120 ff.). Die Freistellungen von Weisung im Arbeitsvertrag alleine ist nicht ausrei- chend um die geforderte Unabhängigkeit zu erzielen. Nur wenn die Gesellschafter auch in der Satzung der GmbH auf ihr Weisungsrecht verzichten, besteht die notwendige Unabhängigkeit des GmbH-Geschäftsfüh- rers. Die Entscheidung des Anwaltssenat des BGH mit Urteil vom 18.3.2019 31 31 BGH, Urt. v. 18.3.2019 – AnwZ (Brfg) 22/17, NJOZ 2019, 964 Rn. 2. zur Zulassung eines leitenden Angestellten als Syndikusrechtsanwalt, der vorüberge- hend zum GmbH-Mitgeschäftsführer bestellt worden ist, ist damit über den Einzelfall hinaus nicht verallge- meinerungsfähig. aa) VERTRAGLICHE GEWÄHRLEISTUNG DER UNABHÄNGIGKEIT Ist die Unabhängigkeit des Syndikusrechtsanwalt strei- tig, ist die Beweisführung hinsichtlich der vertraglichen Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit i.d.R. unproblematisch und kann durch Vorlage des zugrun- deliegenden Arbeitsvertrages oder einer Ergänzung bzw. eines Nachtrags zum Arbeitsvertrag erbracht wer- den. 32 32 Vgl. hierzu AGH NRW, Urt. v. 7.10.2016 – 1 AGH 22/16, NJW 2017, 1331 (1332). Der Arbeitsvertrag bildet die wesentliche Grund- lage, anhand derer nicht nur das Vorliegen der anwalt- lichen Tätigkeit, sondern auch die Vorlage bzw. Nicht- vorlage von Weisungsstrukturen gerichtlich überprüft wird. 33 33 BT-Drs. 18/5201, 34. Vertragliche Formulierungen wie „der/die Arbeitneh- mer/-in übt seine/ihre Tätigkeit nach Maßgabe der Wei- sungen der Geschäftsführung oder der von ihr bestell- ten Vorgesetzten aus“ normieren ein uneingeschränktes Weisungsrecht des Arbeitgebers und sprechen gegen eine fachliche Unabhängigkeit des Syndikusrechtsan- walts. 34 34 AGH NRW, Urt. v. 7.10.2016 – 1 AGH 22/16, NJW 2017, 1331 f. Eine solche sich aus dem Arbeitsvertrag erge- bende Weisungsgebundenheit kann jedoch durch einen schriftlichen Nachtrag oder eine Tätigkeitsbeschrei- bung aufgehoben werden. 35 35 AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 27/16, BeckRS 2016, 119496 Rn. 28 = BRAK-Mitt. 2017, 137 Ls. Dabei gehen individualver- tragliche Vereinbarungen zur fachlichen Unabhängig- keit den allgemeinen Regeln des Unternehmens grund- sätzlich vor. 36 36 AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 33/16, BRAK-Mitt. 2017, 49 Rn. 35. Eine regelmäßige Befristung des Arbeitsverhältnisses sowie die Wahl eines Tarifrechts schadet nicht der fach- lichen Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Angestellten. 37 37 AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 27/16, BeckRS 2016, 119496 Rn. 27 f. = BRAK-Mitt. 2017, 137 Ls. bb) FAKTISCHE GEWÄHRLEISTUNG DER UNABHÄNGIGKEIT Schwieriger gestaltet sich der Nachweis der faktischen Unabhängigkeit. Diesbezüglich wird sich in der einen oder anderen Beweisrichtung der Tätigkeitsbeschrei- bung des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses so- FLEGLER, FÜNF JAHRE NEUES SYNDIKUSRECHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 231
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