BRAK-Mitteilungen 4/2021
wie des Formblatts „Tätigkeitsbeschreibung“, 38 38 Vgl. dazu das Formblatt zur Tätigkeitsbeschreibung der RAK München, abrufbar unter https://www.rak-muenchen.de/fileadmin/downloads/01_Rechtsanwaelte/Sy ndikusrechtsanwaelte/FAQs_zur_Zulassung_als_Syndikusrechtsanwalt/4._Frage n_der_Arbeitgeber/Wir_beschaeftigen_eine_Vielzahl_von_Syndikusrechtsanwae lten._Kann_das_Zulassungsverfahren_insoweit_effizienter_abgewickelt_werden _/Taetigkeitsbeschreibung_3_0_2.pdf( zuletzt abger. am 5.7.2021). welches bei Antragstellung auf Zulassung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer einzureichen ist, bedient. Bereits bei Antragstellung soll durch das Formblatt „Tätigkeits- beschreibung“ der Nachweis der faktisch gewährleiste- ten Unabhängigkeit erbracht werden. Dieses ist sowohl von dem angehenden Syndikusrechtsanwalt als auch vom Arbeitgeber hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Anga- ben zu unterzeichnen. Die Sicherstellung der tatsäch- lichen fachlichen Unabhängigkeit durch Weisungsfrei- heit kann vom Arbeitgeber selbst noch nach Klageein- reichung erfolgen. 39 39 AGH NRW, Urt. v. 7.10.2016 – 1 AGH 22/16, NJW 2017, 1331 (1332). c) DIE ANWALTLICHE PRÄGUNG Dem angestellten Syndikusrechtsanwalt soll es möglich sein, neben der anwaltlichen Tätigkeit andere Aufgaben nichtanwaltlicher Natur wahrnehmen zu können, wenn auch in geringem Umfang. Das Arbeitsverhältnis muss in seiner Gesamtschau jedoch anwaltlich geprägt blei- ben, § 46 III BRAO. Entscheidend für die anwaltliche Prä- gung des Arbeitsverhältnisses ist, dass die anwaltliche Tätigkeit sowohl den quantitativen als auch den quali- tativen Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses des Syn- dikusrechtsanwalts ausmacht. 40 40 BGH, Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17, BRAK-Mitt. 2020, 55. Nichtsdestotrotz ge- nüge laut BGH in der Regel bereits die Darlegung der quantitativen anwaltlichen Prägung des Anstellungs- verhältnisses: „Ist das Arbeitsverhältnis bereits quanti- tativ von der anwaltlichen Tätigkeit geprägt, kann für die qualitative Prägung regelmäßig keine andere Beur- teilung gelten.“ 41 41 BGH, Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17, BRAK-Mitt. 2020, 55 Rn. 18. Die anwaltliche Tätigkeit stelle keine geringwertige Tätigkeit dar, so dass für die qualitative Prägung i.d.R. nicht anderes gelten dürfte. 42 42 BGH, Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 63/17, BRAK-Mitt. 2020, 55 Rn. 18; Decken- brock/Markworth , ZAP 1/2020, 7 (12). Der Umfang, in dem der Syndikusrechtsanwalt ande- ren nichtanwaltlichen Aufgaben des Arbeitgebers nachgehen darf, war seit der Neuordnung des Syndi- kusrechts umstritten und wurde von der Judikatur Ur- teil für Urteil ausgependelt. Ausgangspunkt der Diskus- sion in Lehre, Rechtsprechung und Literatur war die 50 %-Grenze des Gesetzgebers in seiner Gesetzesbe- gründung. 43 43 Kleine-Cosack, BRAO, 8. Aufl. 2020, § 46 Rn. 30. Aufgeworfene Frage war damit, inwieweit ein 50%iger Anteil anwaltlicher Tätigkeit an der insge- samt zu leistenden Arbeit für die Annahme der anwalt- lichen Prägung in quantitativer und qualitativer Hin- sicht ausreiche. Mit seinem Beschluss vom 9.1.2020 44 44 BGH, Beschl. v. 9.1.2020 – AnwZ (Brfg) 11/19, BeckRS 2020, 782. sorgte der BGH für vorläufige Klärung der Frage nach dem erforder- lichen prozentualen Anteil anwaltlicher Tätigkeit im Ver- hältnis zur insgesamt zu leistenden Arbeit. Ein Anteil von 65 % soll dem Anwaltssenat des BGH nach bereits am unteren Rand des Erforderlichen für eine anwalt- liche Prägung liegen. 45 45 BGH, Beschl. v. 9.1.2020 – AnwZ (Brfg) 11/19, BeckRS 2020, 782; Urt. v. 11.5. 2020 – AnwZ (Brfg) 1/18, Rn. 19. Diese Mindestgrenze von 65 % anwaltlicher Tätigkeit gilt nicht als starre Grenze, die zu keinem Zeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unterschrit- ten werden darf. Vielmehr gilt es, das Arbeitsverhältnis in der Gesamtschau zu betrachten – mindestens 65 % anwaltliche Tätigkeit müssen „long-term“ erfüllt sein. So genüge es laut BGH, wenn die anwaltliche Tätigkeit phasenweise mindestens 60 % des Arbeitsverhältnisses ausmache, zeitweise jedoch eher bei 70 % liege. 46 46 BGH, Urt. v. 14.1.2019 – AnwZ (Brfg) 25/18, NJW 2019, 927 Rn. 27. In einem Bereich von 70-80 % Anteil an anwaltlicher Tätig- keit der insgesamt geleisteten Arbeit kann regelmäßig von einer anwaltlichen Prägung des Arbeitsverhältnis- ses ausgegangen werden. 47 47 BGH, Beschl. v. 18.12.2019 – AnwZ (Brfg) 78/18, BeckRS 2019, 35616. d) UNVEREINBARKEIT HOHEITLICHER TÄTIGKEIT MIT ANWALTLICHER TÄTIGKEIT Im Hinblick auf die Vereinbarkeit einer hoheitlichen Tä- tigkeit mit der erforderlichen anwaltlichen Tätigkeit ver- folgt der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofes bis- lang einen restriktiven Kurs. 48 48 Vgl. u.a. dazu BGH, Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18, BRAK-Mitt. 2020, 50. Die Tätigkeit im öffent- lichen Dienst schließe nicht per se die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die ausgeübte Tätigkeit des Antrag- stellers die Belange der Rechtspflege gefährde. § 7 Nr. 8 BRAO normiert auch für die Zulassung als Syndi- kusrechtsanwalt ein Zulassungshindernis. 49 49 BGH, Urt. v. 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 Rn. 25 ff.; Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18, BRAK-Mitt. 2020, 50 Rn. 16; so i.E. auch das Bay- rische AGH, Urt. v. 30.4.2018 – BayAGH I-5-14/16, Rn. 45 f.; Hessischer AGH, Urt. v. 13.3.2017 – 1 AGH 10/16, BRAK-Mitt. 2017, 193 Rn. 194. Sobald der Antragsteller jedoch in hoheitlicher Funktion tätig wird bzw. am Erlass eines hoheitlichen Aktes betei- ligt ist, hindert dies die Zulassung als Syndikusrechtsan- walt. Auf den Umfang der hoheitlichen Tätigkeit in der Gesamtschau des Anstellungsverhältnisses kommt es indes nicht an. 50 50 BGH, Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18, BRAK-Mitt. 2020, 50. Es ergebe sich eine Art „Infektionstheo- rie“ . Eine einzige hoheitliche Funktion führt zur Versa- gung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und kann nicht einfach als nichtanwaltliche Tätigkeit herausge- rechnet werden. 51 51 Offermann-Burckart , NJW 2019, 3648. Die anwaltliche Prägung der Ge- samttätigkeit genügt nicht. Es besteht nicht die Mög- lichkeit, hoheitliche Tätigkeiten einfach als nichtanwalt- lich herauszurechnen und die anwaltliche Prägung der Gesamttätigkeit genügen zu lassen. Die Vorbereitung hoheitlicher Maßnahmen durch Stel- lungnahmen, Erstellung von Gutachten etc. erfüllt wie- derum nicht die Voraussetzungen des § 7 Nr. 8 BRAO und stellt damit kein Zulassungshindernis dar. 52 52 BGH, Urt. v. 6.5.2019 – AnwZ (Brfg) 31/17; Urt. v. 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18, BRAK-Mitt. 2020, 50 Rn. 25. So wur- FLEGLER, FÜNF JAHRE NEUES SYNDIKUSRECHT BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 AUFSÄTZE 232
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