BRAK-Mitteilungen 4/2021
„Kognitive Dissonanzen und systematischer Rechts- missbrauch durch Kölner Staatsdiener Ihr Zeichen: 5601-810-89 Geehrte Justizamtfrau X! Da Sie bisher keine Anstalten gemacht haben, Ihren ge- setzlichen Pflichten nachzukommen, gebe ich Ihnen noch bis zum 20.12.2016 Gelegenheit dazu, der Erinne- rung v. 9.9.2016 abzuhelfen und der Rückzahlungs- pflicht sodann unverzüglich nachzukommen. Der Rück- zahlungsanspruch umfasst neben den 129 Euro für ver- meintliche ,Gerichtskosten’ noch weitere 108,50 Euro gegenüber der Stadt Köln (,Bußgeld’), summa summa- rum also 237,50 Euro. Sie sollten sich zügig entscheiden, ob Sie sich in diesem schändlichen Verfahren, in dem sich die Bediensteten des AG Köln in jeder Hinsicht ein Armutszeugnis ausge- stellt haben, dem kriminellen Treiben der Kollegen an- schließen wollen oder sich auf der richtigen Seite des Gesetzes positionieren. Im Falle eines fruchtlosen Fristablaufs gedenke ich ein serbisches Inkassounternehmen, das sich auf Hausbe- suche spezialisiert hat und sich einer beachtlichen Er- folgsquote rühmt, mit dem Beitreiben meiner Forderun- gen zu beauftragen. Die dienstrechtlichen Folgen für weitere Untätigkeit dürften Ihnen bekannt sein. Mit vorzüglicher Hochachtung! (Unterschrift) Rechtsanwalt“ Die Abfassung des Schreibens fiel in die Zeit des Be- suchs durch einen russischen Schachspieler, mit dem der Angeschuldigte des Öfteren in erheblichem Um- fang Alkohol zu sich nahm. Der Angeschuldigte gab das Schreiben auf. Nach sei- nem Erhalt wandte sich die Zeugin wegen des von ihr als bedrohlich empfundenen Inhalts an die Verwaltung des Amtsgerichts. Zu einer Rückzahlung des Geldes kam es nicht. Wegen des Sachverhaltes hat die Staatsanwaltschaft Köln unter dem Aktenzeichen 74 Js 28/17 Anklage we- gen versuchter Nötigung erhoben. In dem Hauptver- handlungstermin v. 26.2.2018 beim AG Köln wurde das Verfahren vorläufig unter der Auflage der Zahlung eines Geldbetrages i.H.v. 300 Euro an eine gemeinnützi- ge Einrichtung, zahlbar in sechs monatlichen Raten von 50 Euro, und durch Beschluss v. 18.7.2018 nach Erfül- lung der Auflagen endgültig eingestellt. III. Zu diesen Feststellungen ist der Senat wie folgt ge- langt: 1. Sachverhaltskomplex: Der Senat hat die auf den 5.6.2016 datierte Dienstauf- sichtsbeschwerde (Bl. 10 d.A. StA Frankenthal 5287 Js 33456/16), deren Abfassung und Versendung der Ange- schuldigte zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt hat, ver- lesen. In der Hauptverhandlung hat der Angeschuldigte sich zudem dahingehend eingelassen, nicht mehr von dem darin enthaltenen Vorwurf einer Entfernung von Ak- tenbestandteilen durch den Zeugen T vor Versendung der Bußgeldakte auszugehen. Dies entspricht dem Stand der Bußgeldakte, wie er sich durch Verlesung des darin be- findlichen Schreibens des Zeugen T v. 20.4.2016 sowie von Bl. 58, 59 f., 65 d.A. StA Koblenz 2020 Js 28192/16 ergeben hat. Ferner hat der Zeuge T bei seiner Verneh- mung vor dem Senat eine Entfernung von Aktenbestand- teilen glaubhaft dementiert und hierzu ausgeführt, er sei in der Sache im Rahmen seiner allgemeinen, teamüber- greifenden Zuständigkeit tätig gewesen, habe sonst mit dem Fall nichts zu tun gehabt und nur dieses eine Schrei- ben verfasst. Ein Motiv des Zeugen T, warum er Schreiben aus der Akte entfernt haben sollte, ist nach Auffassung des Senats auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum der Zeuge zu der Erkenntnis ge- langt sein sollte, dass es sich bei dem Schreiben v. 20.4. 2016 um eine ggf. zu kaschierende Verfahrenseinstellung handelte, nachdem er unter Rücknahme des Bescheids v. 30.3.2016 von der Rechtmäßigkeit des Bescheids v. 14.3. 2016 ausging. Zur Tatmotivation bzw. inneren Tatseite folgt der Senat der Einlassung des Angeschuldigten. 2. Sachverhaltskomplex: Der Senat hat das Schreiben v. 13.12.2016 (Bl. 3 d.A. StA Köln 74 Js 28/17), dessen Abfassung und Versen- dung der Angeschuldigte nicht bestreitet, verlesen. Die Feststellungen zu den inneren und äußeren Umständen, die zu dem Schreiben geführt haben, beruhen auf den Angaben des Angeschuldigten und der Aussage der Zeugin X. Wegen Umfang und Förmlichkeiten der Beweisaufnah- me im Einzelnen wird auf das Sitzungsprotokoll v. 5.3. 2021 Bezug genommen. IV. Der festgestellte Sachverhalt ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen: 1. Sachverhaltskomplex: Der Angeschuldigte hat durch die Versendung der auf üble Nachrede den 5.6.2016 datierten Dienstaufsichtsbeschwerde den Straftatbestand der üblen Nachrede gem. § 186 StGB verwirklicht und sich hierdurch zugleich einer Berufspflichtverletzung gem. § 43a III 2, 2. Alt. BRAO (Verletzung des Sachlichkeits- gebots durch herabsetzende Äußerungen) sowie § 43 BRAO schuldig gemacht. a) Durch die Äußerung, gegen den Zeugen T bestehe ein „Anfangsverdacht aus Urkundsdelikten, da offenbar Teile aus der Akte entfernt“ worden seien, hat der Ange- schuldigte vorsätzlich und schuldhaft eine ehrenrührige Tatsache behauptet, die nicht erweislich wahr ist; die Äußerung stellt keine Wahrnehmung berechtigter Inte- ressen dar. aa) Die Dienstaufsichtsbeschwerde weist in mehrfacher Hinsicht ehrenrührige Formulierungen auf: – erhebliche kriminelle Energie – keine nennenswerten Rechtskenntnisse – als ungeeignet für den Posten des Teamleiters erwie- sen – Anfangsverdacht aus Urkundendelikten, da offenbar Teile aus der Akte entfernt BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 256
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