BRAK-Mitteilungen 4/2021

– bewusster und gewollter Missbrauch der Amtsstel- lung zur Anleitung anderer Mitarbeiter zu rechtswid- rigen/strafbaren Handlungen – durch die Unfähigkeit T2’s im obigen Verfahren – Selig müssen jene Zeiten gewesen sein, in denen Äm- ter nach Eignung und Befähigung vergeben worden sind ... Sämtliche vorgenannten Inhalte sind zur Begründung fremder Missachtung geeignet, denn sie betreffen den Zeugen T in seiner beruflichen Ehre und seinem sozialen Wert, indem sie ihm die Eignung zur Ausübung seines Berufes absprechen und darüber hinaus den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens beinhalten. Dabei trifft der Vorwurf eines strafbaren Verhaltens einen Polizisten be- sonders, da er nicht nur als Angehöriger der öffent- lichen Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden ist, sondern darüber hinaus im Rahmen der Unrechtsverfol- gung tätig ist, wobei dem Zeugen T nicht nur die Rolle eines einfachen Sachbearbeiters, sondern eines Team- leiters zukam. bb) Nur bezüglich der unter a) genannten Äußerung handelt es sich jedoch um eine Tatsachenbehauptung i.S.v. § 186 StGB. (1) Für den Tatsachencharakter kommt es grundsätzlich Tatsachen- behauptung darauf an, ob der Inhalt einem Beweis zugänglich ist, während Werturteile durch ein Element der Mei- nung, der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekenn- zeichnet sind ( Valerius , in BeckOK-StGB, 48. Ed. Stand: 1.11.2020, § 186 Rn. 2, 4). Bereits im Zusammenhang mit der Deutung umstrittener Äußerungen ergeben sich zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die Aus- übung des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach der st. Rspr. des BVerfG Anforderungen aus Art. 5 I GG (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3305). Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung (BVerfG, a.a.O.; NJW 2020, 2622, 2623 Rn. 15). Die hierauf gerichtete Auslegung hat vom Wortlaut der Äu- ßerung auszugehen, darf aber auch den sprachlichen Kontext, in dem sie steht, sowie die erkennbaren Be- gleitumstände, unter denen sie gefallen ist, nicht unbe- rücksichtigt lassen; die isolierte Betrachtung eines be- stimmten Äußerungsteils oder Satzes wird den Anforde- rungen einer zuverlässigen Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3305; 1999, 2252, 2263). In der unzutreffenden Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung kann eine Grund- rechtsverletzung liegen (BVerfG, NJW 1999, 2262, 2263). Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass auch Tatsachenbehauptungen in den Schutzbereich des Art. 5 I GG fallen können, wenn sie im Zusammenspiel die Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, weil sich Meinungen in der Regel auf tatsächliche An- nahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen (BVerfG, NJW 1994, 1779). Der Schutz von Tatsachenbehauptungen endet dann erst dort, wo sie zur verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können; so wird die bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst (BVerfG, a.a.O.). Die Trennung in tatsächliche und wertende Be- standteile einer Äußerung ist nur zulässig, wenn da- durch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird; ist dies nicht möglich, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbe- reich der Meinungsfreiheit einbezogen werden (BVerfG, a.a.O.). (2) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ergibt sich Folgendes: Mag ein Anfangsverdacht bezüglich eines Delikts Er- gebnis einer juristischen Bewertung und damit ein Werturteil sein, so wird dabei doch an einen Sachver- halt angeknüpft, nämlich die Entfernung von Aktenbe- standteilen. Die Entfernung von Aktenbestandteilen kann überprüft werden und legt daher eine Qualifizie- rung der Äußerung als Tatsache nahe. Die im Zusam- menhang erfolgende Wertung einer behaupteten eh- renrührigen Tatsache (hier: als Straftat) steht dem Cha- rakter als Tatsachenaussage nicht entgegen, solange die Wertung (wie hier) lediglich zum Ausdruck bringt, was sich aus der herabsetzenden Tatsache selbst schlie- ßen lässt ( Valerius , in BeckOK-StGB, § 186 Rn. 6). Aus Kontext und Begleitumständen der Äußerung er- gibt sich kein Anlass für eine Würdigung als Werturteil. Dies folgt insb. nicht daraus, dass der Angeschuldigte die Entfernung von Aktenbestandteilen angenommen hat, weil sie ihm nach seiner juristischen Bewertung der im Verfahren ergangenen Bescheide logisch erschien. Allein der Umstand, dass ein tatsächliches Geschehen einer – tatsächlichen und/oder juristischen – Bewer- tung unterzogen wird, rechtfertigt keine Einordnung als Werturteil, wenn daraus eine rein tatsächliche Schluss- folgerung gezogen wird, die sich in der Annahme eines überprüfbaren Sachverhalts erschöpft. Die (angebliche) Entfernung von Aktenbestandteilen ist eine tatsächliche Feststellung oder Vermutung; was der Angeschuldigte davon hält, seine Einstellung zu dem Geschehen, wer- den daraus noch nicht erkennbar. Zwar ist die Äuße- rung in den Rahmen der Dienstaufsichtsbeschwerde einzuordnen und stellt dabei eines von mehreren Ele- menten dar, das die fehlende Eignung des Zeugen T als Teamleiter dokumentieren soll. Diese Zielrichtung macht sie aber nicht schon zum Werturteil, auch wenn die Bewertung als fehlende Eignung so einzuordnen ist. Als einzelnes, untergeordnetes von mehreren Elemen- ten bzw. Argumenten für die Annahme der fehlenden Eignung des Zeugen T kommt der Äußerung auch nicht die Bedeutung zu, Voraussetzung für die Bildung einer Meinung zu sein und sie unterfällt damit, da sie selbst zudem keinen wertenden Bestandteil aufweist, nicht Art. 5 I GG. Der Zusatz „offenbar“ sollte nach der Einlassung des Angeschuldigten keine Einschränkung darstellen, son- dern die Äußerung als Ergebnis einer logischen Schluss- BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 257

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