BRAK-Mitteilungen 4/2021

folgerung kennzeichnen; abgesehen davon sind derarti- ge Einschübe im Interesse eines umfassenden Ehrschut- zes für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet, eine Tatsachenbehauptung in eine Meinungsäußerung umzuwandeln (BGH, NJW 2008, 2262, 2264). cc) Der Angeschuldigte handelte mit Vorsatz, indem er die ehrenrührige Tatsache zur Begründung der fehlen- den Eignung in das an die Dienstaufsicht gerichtete Schreiben aufnahm. dd) Die Entfernung von Aktenbestandteilen ist nach den vom Senat getroffenen Feststellungen nicht erweislich wahr. Im Gegenteil: Sowohl aus der Akte als auch aus der glaubhaften Aussage des Zeugen T geht hervor, dass keine Aktenteile entfernt worden waren. ee) Ferner ist die Äußerung nicht als Wahrnehmung be- keine Wahrnehmung berechtigter Interessen rechtigter Interessen i.S.v. § 193 StGB anzusehen. Die an diesen Rechtfertigungs- grund nach der Rspr. des BVerfG (BVerfG, NJW 2020, 2622, 2625 Rn. 26) anzuknüpfende grundrecht- liche Abwägung ergibt, dass die allein auf das dienst- liche Verhalten des Zeugen T bezogene Dienstaufsichts- beschwerde, zumal nach Einstellung des Bußgeldver- fahrens gem. § 47 II OWiG, nicht unter dem Gesichts- punkt des „Kampfs um das Recht“ (vgl. BVerfG, NJW 2020, 2622, 2627 Rn. 33; NJW 1991, 2074, 2075) ge- rechtfertigt war. gg) Soweit es sich bei den übrigen vorstehend diskutier- ten Äußerungen in der Dienstaufsichtsbeschwerde um Werturteile handelt, für die eine Strafbarkeit nach § 185 StGB in Betracht kommt, erachtet der Senat sie als so eben noch durch die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit gedeckt. Auf die Frage, ob die Verur- teilung nach § 185 StGB auch durch die Anschuldi- gungsschrift gedeckt wäre, kommt es danach nicht mehr an. b) Die nicht durch Wahrnehmung berechtigter Interes- sen gerechtfertigte Verwirklichung des Tatbestandes des § 186 StGB stellt zugleich eine Verletzung des Sach- lichkeitsgebots durch herabsetzende Äußerungen gem. § 43a III 2, 2. Alt. BRAO dar ( Träger , in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 43a Rn. 36 m.w.N.; Henssler , in Hens- sler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 43a Rn. 152; Peit- scher , in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 7. Aufl. 2020, § 43a Rn. 100). Eine Berufspflichtverletzung wird zu- dem i.V.m. der Überleitungsnorm des § 43 BRAO be- gründet (vgl. Träger , in Weyland § 43 Rn. 16). Der An- geschuldigte handelte jeweils in Ausübung seines Beru- fes, indem er die Dienstaufsichtsbeschwerde, die er nicht zwangsläufig als Rechtsanwalt erheben musste, auf seinem Kanzleibriefbogen und als Rechtsanwalt for- mulierte und unterzeichnete. 2. Sachverhaltskomplex Durch die Versendung des Schreibens v. 13.12.2016 an versuchte Nötigung die Zeugin X hat der Ange- schuldigte eine versuchte Nötigung nach §§ 240 I und 3, 22, 23 StGB begangen, die ebenfalls eine Berufs- pflichtverletzung nach §§ 43, 43a III BRAO darstellt. a) Der Angeschuldigte hat nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung der Tat unmittelbar angesetzt, indem er das Schreiben an die Zeugin X auf den Weg brachte; er handelte dabei auch mit Vorsatz. aa) In dem Schreiben hat der Angeschuldigte der Zeu- gin X mit einem empfindlichen Übel gedroht. Dieses ist in der Ankündigung zu sehen, im Falle fruchtlosen Frist- ablaufs „ein serbisches Inkassounternehmen, das sich auf Hausbesuche spezialisiert hat und sich einer be- achtlichen Erfolgsquote rühmt, mit dem Beitreiben (sei- ner) Forderungen zu beauftragen“. (1) Eine Drohung liegt vor bei Inaussichtstellen eines zu- künftigen Übels, das verwirklicht werden soll, wenn der Gezwungene sich nicht dem Willen des Täters beugt und sich dementsprechend verhält, vorausgesetzt, der Drohende hat Einfluss auf das Übel oder er gibt einen solchen Einfluss vor ( Sinn , in MüKo-StGB, 3. Aufl. 2017, § 240 Rn. 69). Übel ist dabei etwas Unangenehmes, Nachteiliges und den Umständen nach zu Vermeiden- des, was das Opfer hinsichtlich seiner Motivation zu dem vom Täter gewollten Verhalten zu bestimmen ver- mag ( Sinn , in MüKo-StGB, § 240 Rn. 71). Es ist empfind- lich, wenn es sich um einen Nachteil von solcher Erheb- lichkeit handelt, dass seine Ankündigung geeignet er- scheint, das Opfer im Sinne des Täterverlangens zu mo- tivieren ( Sinn , in MüKo-StGB, § 240 Rn. 77); für die Emp- findlichkeit ist auf den Opferhorizont abzustellen, wobei zu prüfen ist, ob vom Opfer erwartet werden kann, dass es der Drohung in besonnener Selbstbehauptung stand- hält ( Sinn , a.a.O.). (2) Die Einschaltung eines serbischen Inkassobüros, das Hausbesuche durchführt, ist als empfindliches Übel ein- zuordnen. Im Zusammenhang mit Inkassotätigkeiten sind großen empfindliches Übel Teilen der Bevölkerung aus Fernsehsendungen, die rea- le Begebenheiten zeigen, osteuropäische Geldeintreiber bekannt, die entschlos- sen und mit einschüchterndem Auftreten vorgehen, um angebliche Geldforderungen ihrer Auftraggeber unter allen Umständen zu realisieren; in der möglichen An- wendung von Nötigungsmitteln und der mangelnden Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf Schuldnerrechte liegt insoweit der entscheidende Unterschied zu einem registrierten inländischen Inkassobüro. Das Inaussichtstellen eines Auftrags an ein derartiges Inkassobüro war ohne weiteres geeignet, die Zeugin zu dem angesonnenen Verhalten zu bewegen, insb. die An- kündigung von Hausbesuchen und damit das Eindrin- gen in die Privatsphäre des Opfers. Dies gilt auch für die Zeugin X in ihrer Eigenschaft als Bezirksrevisorin. Selbst für Beschäftigte in Rechtsprechung und öffent- licher Verwaltung, die häufig Kritik und auch Angriffen ausgesetzt sind und deswegen eher als „abgestumpft“ angesehen werden können als Beschäftigte anderer Be- reiche, hebt sich diese Ankündigung von Äußerungen BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 258

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