BRAK-Mitteilungen 4/2021

anderer Art dadurch ab, dass der Bereich eines geregel- ten Verfahrens, wie er in einem Rechtsbehelfs- oder Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahren gegeben ist, ver- lassen, die Person des Bedrohten und ihr Privatleben ins Visier genommen werden und Folgen für die physische und psychische Gesundheit nicht auszuschließen sind. Dementsprechend zeigte sich die Erheblichkeit der Dro- hung auch in der Vernehmung der Zeugin X, die glaub- haft ihre Befürchtung geschildert hat, dass ihr jemand auflauert, und sich, getragen von der Angst vor den drangsalierenden Methoden eines serbischen Inkasso- büros, morgens auf dem Weg zur Arbeit umgeschaut hat, ob sie verfolgt wird. Entgegen der Auffassung des Angeschuldigten musste diese Formulierung in seinem Schreiben auch nicht als Scherz aufgefasst werden. Zwar mutet die Drohung mit einem serbischen Inkassounternehmen in einem An- waltsschreiben an die Mitarbeiterin eines Gerichts merk- würdig an, da man von einem Anwalt erwartet, dass er legale Wege kennt, um sein Ziel zu erreichen. Allerdings geht mit einem vermeintlichen Scherz der Rest des Schreibens nicht einher, der keinerlei Hinweise auf eine fehlende Ernstlichkeit enthält. Vielmehr werden gravie- rende Vorwürfe erhoben; schon in der Überschrift wird ein „systematischer Rechtsmissbrauch durch Kölner Staatsdiener“ thematisiert, auch ist von einem „kriminel- len Treiben der Kollegen“ der Zeugin die Rede. Durch- gängig werden nicht nur eine erhebliche Verärgerung über die bislang unterbliebene Rückzahlung zum Aus- druck gebracht und die Gesetzeswidrigkeit dieses Verhal- tens betont, sondern es wird unterschwellig eine weitere, durchaus realistische Drohung in Bezug auf die dienst- rechtlichen Folgen der Untätigkeit ausgesprochen. Nach dem Gesamtzusammenhang des Schreibens lag es da- her nahe, die Drohung ernst zu nehmen. Gerade der Um- stand, dass man es mit einem Anwalt und nicht mit einem „normalen“ Querulanten zu tun hatte, war sogar geeignet, der Drohung noch ein größeres Gewicht zu ver- leihen. Auch die Zeugin X hat dies zum Ausdruck ge- bracht, indem sie ihr damaliges Erschrecken schilderte angesichts der angenommenen großen Not, in der ein Anwalt so etwas schreibt. Zudem spielt der Gedanke an eine psychische Störung mit, die den Urheber eher noch unberechenbarer erscheinen lässt. Letztlich kann aber all dies dahin gestellt bleiben. Nach allgemeiner Auffas- sung steht der Annahme einer Drohung nämlich nicht entgegen, dass das Opfer die Drohung nicht für realis- tisch hält (BGH, Urt. v. 16.3.1976 – 5 StR 72/76 Rn. 7; Valerius , in BeckOK-StGB, § 240 Rn. 35; Heger , in Lack- ner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 240 Rn. 12); denn schon ein Zweifel, ob der Täter die Drohung wahrma- chen werde, beeinträchtigt die Freiheit der Willensent- schließung und der Willensbetätigung (BGH, a.a.O.). Die Drohung muss in objektiver Hinsicht daher nur geeignet sein, Zweifel zu wecken ( Heger , a.a.O.). Diese Eignung kann der Drohung angesichts ihrer Gesamtumstände nicht abgesprochen werden. Auch eine andersartige Ab- wendbarkeit, z.B. durch Einschalten des Dienstherrn oder der Polizei, ist ohne Belang ( Valerius, a.a.O.). bb) Der Angeschuldigte handelte dabei bewusst und gewollt, um die Rückzahlung von Bußgeld und Kosten zu erreichen. Soweit hierzu gehört, dass der Täter wuss- te oder es für möglich hielt, dass die Drohung geeignet sei, in dem Bedrohten Furcht vor Verwirklichung hervor- zurufen ( Eisele , in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 240 Rn. 34), ist dies aufgrund des Gesamtin- halts des Schreibens auch für die in Rede stehende Wendung zu bejahen. Hätte der Angeschuldigte nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass sich die Zeugin durch die Drohung mit dem Inkassounternehmen beein- drucken ließ, hätte die Aufnahme in das Schreiben kei- nen Sinn ergeben. Die Wendung fügt sich vielmehr in die verschiedenen, auf das Ziel der Rückzahlung gerich- teten Ansätze, die von Hinweisen auf die gesetzliche Rückzahlungspflicht über den Appell an die Rechtmä- ßigkeit des Handelns bis hin zu Drohungen reichen. cc) Die Rechtswidrigkeit, die bei § 240 I StGB nicht be- reits durch die Tatbestandserfüllung indiziert wird, er- gibt sich sowohl aus der Verwerflichkeit des eingesetz- ten Mittels als auch aus der Verwerflichkeit des verfolg- ten Zwecks (§ 240 II StGB). Die angedrohte Tätigkeit eines serbischen Inkasso- Verwerflichkeit von Mittel und Zweck dienstes konnte nur so ver- standen werden, dass da- durch das staatliche Ge- waltmonopol umgangen werden sollte, was als verwerflich angesehen wird (vgl. Eisele , in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 240 Rn. 19a). Dann handelte es sich auch nicht um ein gem. § 10 I Nr. 1 RDG registriertes Inkassounter- nehmen, so dass das Erbringen einer Rechtsdienstleis- tung eine Ordnungswidrigkeit darstellt, § 20 I RDG; die Teilnahme hieran ist ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit und verstößt damit gegen geltendes Recht. Erst recht gilt dies, soweit man bei lebensnaher Auslegung in der fraglichen Äußerung, insb. bezüglich des Hausbesuchs, bereits die Ankündigung mindestens einer Nötigung durch den Inkassodienst sieht. Schließlich entfaltet auch der angestrebte verwerfliche Zweck eine Indizwirkung, denn ein Rückzahlungsan- spruch des Angeschuldigten bestand nicht, nachdem mit der Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeld- bescheid und des Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwangsläufig die Verpflichtung zur Zah- lung des Bußgelds und der Kosten des Verfahrens ver- bunden war. Ein Vorsatz, der nur die Kenntnis der tatsächlichen Um- stände erfordert ( Heger , in Lackner/Kühl, § 240 Rn. 25), war ebenfalls gegeben. Das Bewusstsein der Rechts- widrigkeit gehört nicht zum Vorsatz, sein Fehlen würde einen Verbotsirrtum begründen ( Heger, a.a.O.). Dieser wäre für den Angeschuldigten als Rechtsanwalt – etwa was das Nichtbestehen des Rückzahlungsanspruchs be- trifft – vermeidbar gewesen. dd) Der Angeschuldigte hat die Tat nicht im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen. Konkrete Trinkmengenangaben fehlen. In psychodiag- BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 259

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