BRAK-Mitteilungen 4/2021
nostischer Hinsicht gibt es im Ergebnis keine durch- greifenden Anhaltspunkte für eine erheblich vermin- derte Schuldfähigkeit. Das Schreiben lässt einen ge- ordneten Gedankengang in Bezug auf eine konkrete Zielrichtung erkennen; ein persönlichkeitsfremdes und nicht erklärliches Verhalten kann nicht festgestellt werden, vielmehr kann die inkriminierte Äußerung in die Diktion der Schreiben des Angeschuldigten, wie sie gerade auch aus dem ersten Sachverhaltskomplex bekannt ist, eingeordnet werden. Entscheidend ist zu- dem nicht die Abfassung des Schreibens, sondern sein Einwurf in den Briefkasten bzw. die Aufgabe bei der Post. Hierfür behauptet der Angeschuldigte jedenfalls nicht ausdrücklich eine ebenfalls erhebliche Alkoholi- sierung. b) Durch sein strafbares Handeln gem. §§ 240 I und II, Verstoß gegen Sachlichkeitsgebot 22, 23 StGB hat der Ange- schuldigte zugleich gegen das Sachlichkeitsgebot ver- stoßen. Dieses erfasst auch solche Aussagen, die geeignet sind, das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität und Unabhängigkeit des Rechtsanwalts zu untergraben und gemeinwohl- schädlich zu wirken (BVerfG, BRAK-Mitt. 2015, 144, zit. nach Peitscher , in Hartung/Scharmer, § 43a Rn. 109). Diese Qualität kommt der Androhung eines „serbischen Inkassobüros“, das außerhalb des staatlichen Gewalt- monopols agiert, zu. Außerdem begründet die Vorsatz- tat i.V.m. der Überleitungsnorm des § 43 BRAO eine an- waltsrechtliche Pflichtverletzung. Der Angeschuldigte hat dabei in Ausübung seines Berufs gehandelt, indem er in dem nicht anwaltsgebundenen Verfahren gem. § 66 GKG die Eingabe als Rechtsanwalt unter Verwen- dung seines Kanzleibriefpapiers geschrieben und unter- schrieben hat. V. Auf der Grundlage der vorstehenden rechtlichen Würdigung erachtet der Senat wie das Anwaltsgericht einen Verweis sowie eine Geldbuße i.H.v. 500 Euro für erforderlich und angemessen. 1. Beide vorgeworfenen Verhaltensweisen werden ma- teriell-rechtlich zu einer einheitlich zu bewertenden Pflichtverletzung zusammengefasst, zumal sie durch die in ihnen zum Ausdruck kommende Neigung des An- geschuldigten zu unsachlichem Verhalten in seinen schriftlichen Eingaben in einem inneren Zusammen- hang stehen (vgl. Reelsen , in Weyland, § 113 Rn. 26, 33). 2. Für die Zumessung der konkreten Maßnahme auf der Grundlage von § 113 I BRAO kommt es im Rahmen einer Würdigung des Gesamtverhaltens darauf an, in- wiefern das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integri- tät des Anwaltsstandes betroffen ist und damit das An- sehen der Anwaltschaft beschädigt wurde; entschei- dend ist ferner, welche Maßnahme erforderlich ist, um den Anwalt künftig zur Wahrung seiner beruflichen Pflichten anzuhalten und Gefahren für das rechtsuchen- de Publikum und die Rechtspflege zu beseitigen; auch strafrechtlich zulässige Erschwerungs- und Milderungs- gründe können berücksichtigt werden ( Reelsen , in Wey- land, § 113 Rn. 67). Der Senat hat zugunsten des Angeschuldigten berück- sichtigt, dass die Schreiben nur für den jeweiligen Ad- ressaten bestimmt waren und nicht in die Öffentlichkeit getragen wurden, sein Verhalten sich nicht zum Nach- teil von Mandanten ausgewirkt hat und ein Delikt im Versuchsstadium stecken geblieben ist. Ferner hat der Senat in seine Erwägungen einbezogen, dass es sich um die erste berufsrechtliche Sanktionie- rung handelt und der Angeschuldigte wegen der verfah- rensgegenständlichen Sachverhalte bereits strafrecht- lich belangt worden ist, wobei die Geldstrafe und die auferlegte Zahlung eines Geldbetrages den seinerzeit in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Angeschuldigten erheblich trafen. Auch die gesundheitlichen Einschränkungen vermögen den Angeschuldigten zu entlasten; außerdem ist ihm zuzubilligen, dass im Tatzeitraum die ungeklärte aufent- haltsrechtliche Situation seiner Ehefrau eine gewisse Anspannung mit sich brachte. Demgegenüber wirkt sich die zweifache Pflichtverlet- zung zu seinen Ungunsten aus. Darüber hinaus war – trotz der Äußerung des Bedau- erns gegenüber der Zeugin X – eine Einsicht in das Un- recht seines Verhaltens nicht zu erkennen. In beiden Fäl- len hat sich der Angeschuldigte darauf bezogen, dass sein Verhalten von den späteren Tatopfern gewisserma- ßen herausgefordert worden sei, was nach den getroffe- nen Feststellungen nicht stimmt. Insbesondere kann nicht nachvollzogen werden, dass bezüglich des ersten Sachverhaltskomplexes die Sache von beiden Seiten eskaliert sein soll, wie der Angeschul- digte meint. Entgegen der Darstellung des Angeschul- digten hat der Zeuge T das Akteneinsichtsgesuch nicht abgelehnt, sondern, wie sich aus dem Schreiben v. 20.4. 2016 ergibt, nur die Akteneinsicht durch Übersendung der Akte an den Angeschuldigten; auch die Möglichkeit der Übersendung an eine Behörde in Wohnortnähe des Angeschuldigten sowie die Übermittlung einzelner Ab- schriften oder die Erteilung von Auskünften wurden in den Raum gestellt. Soweit der Zeuge den Hinweis auf die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Entschei- dung mit dem Zusatz „aber dies ist Ihnen ja sicherlich bekannt“ versehen hat, vermag der Senat hierin weder inhaltlich noch den Umständen nach die Kundgabe einer Missachtung des Angeschuldigten zu sehen. Die Rücknahme des ihm günstigen Bescheids der Sachbear- beiterin mag für den Angeschuldigten ärgerlich gewe- sen sein, war aber rechtlich zulässig und muss insb. in einer hierarchisch aufgebauten Verwaltung nicht als ungewöhnlich angesehen werden. Bezüglich des zweiten Sachverhaltskomplexes gab es für den Angeschuldigten keine objektiven Anhaltspunk- te für eine absichtliche Verfahrensverzögerung durch die Zeugin X. In diesem Zusammenhang kommt ledig- lich das Verfahren bis zum Schreiben des Angeschuldig- BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 4/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 260
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